Im Abschiebeknast und Asylantenheim

Von Christoph Leibold |
Kein Geld, keine Papiere, kein Status, im Polizeigewahrsam - das neue Theaterstück von Schorsch Kamerun erzählt von der Migrationspolitik westlicher Länder, die es nur einem kleinen Teil der Weltbevölkerung erlaubt, sich einigermaßen frei zu bewegen. An den Münchner Kammerspielen feierte "Down Understanding" Premiere.
Schorsch Kamerun nennt es einen Transit-Raum: diesen Glaskäfig, den Bühnenbildnerin Constanze Kümmel ins Neue Haus der Münchner Kammerspiele gebaut hat. Von außen betrachtet einen Mischung aus Gewächshaus mit milchig beschlagenen Scheiben und Big-Brother-Container, in dem Video-Kameras die Menschen beobachten. Im Innern eine Mix aus Amtsstube - vielleicht die Einwanderungsbehörde? - und Asylantenheim, rechts mit alten Schreibtischen möbliert, links ein Matratzenlager, auf dem sich alte Kissen und Decken stapeln.

Das Thema, das in diesem Raum verhandelt wird, ist der Widerspruch zwischen der vorgegebenen Freiheit in einer globalisierten Welt, in der alles näher zusammengerückt ist, was es scheinbar so leicht macht, sich in ihr zu bewegen; und demgegenüber das Ausschlussverfahren einer -westlichen - Migrationspolitik, die es in Wahrheit nur einem kleinen Teil der Weltbevölkerung erlaubt, sich einigermaßen frei zu bewegen.

Denn genau betrachtet, sind es vor allem Waren, die recht freizügig auf dem globalen Markt verschoben werden. Was freie Reisemöglichkeiten betrifft, schiebt die westliche Welt dem so gut es geht einen Riegel vor, um sich abzuschotten gegen Zuwanderer aus der Dritten Welt. Aber auch für den privilegierten Rest der Menschheit werden Freiheiten zunehmend beschnitten werden: Der Überwachungsstaat wächst.

Schorsch Kameruns "Down Understanding" ist weniger ein Theaterabend, als vielmehr eine Installation. Die Glashaus-Bühne wirkt dabei wie eine Art Schaukasten - eine Vitrine, in der Kamerun Fundstücke zu seinem Thema ausstellt: persönliche Beobachtungen, Erinnerungen der Schauspieler, Zitate aus Einbürgerungstests, Zeitungsmeldungen - etwa über EU-Innenministerbeschlüsse, wie mit Personen ohne Papiere zu verfahren ist -, Protokolltexte aus der Bespitzlungsaffäre beim Lebensmittel-Discounter Lidl. Das alles verarbeitet in Monologen oder Dialogen.

Das Grundsympathische an Schorsch Kameruns "Down Understanding" ist, dass er trotz seines gewichtigen Themas ohne Empörungs-Gestus und ohne Zeigefinger auskommt. Was fehlt, ist allerdings ein Spannungsbogen, eine Zuspitzung, eine Verschärfung - etwa in die Boshaftigkeit -, eine Übertretung der Grenzen der Political Correctness - irgendwas, das innehalten, ja aufhorchen oder sogar aufschrecken ließe.
Aber nichts davon.

Und so plätschert der Abend dahin, übrigens auch ohne zwingend Aufschluss über den Titel "Down Understanding" zu geben. Gewiss, eine roter Faden ist gelegt: die Geschichte eines Australiers - Aha! Ein Mann aus Down Under also! - mit griechischen Wurzeln, der am Münchner Oktoberfest von der Polizei ohne Papiere aufgegriffen und unter Terrorismus-Verdacht gestellt wird. Doch bleibt auch diese Geschichte zu sehr im Vagen - und der Titel ein unverbindliches Wortspiel.