Illusion und Rhythmus

Wie Pornofilme Echtheit suggerieren

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Nahaufnahme von zwei weiblichen Lippen.
Was man als authentisch empfinde, sei sehr subjektiv, sagt die Medienwissenschaftlerin Leonie Zilch in Bezug auf den pornografischen Film. © Unsplash / Anna Sastre
Leonie Zilch im Gespräch mit Susanne Balthasar · 30.03.2019
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Im Porno-Business ist Echtheit wichtig. Der Sex muss real, muss zu sehen sein. Aber wie schafft es der pornografische Film darüber hinaus, den Anschein von Authentizität zu erzeugen – und welche Rolle spielt die Zeit dabei?
"Bei den Mainstream-Pornos hat sich in den letzten Jahren ein Stil entwickelt, den man als Gonzo-Pornografie bezeichnet", sagt die Bochumer Medienwissenschaftlerin Leonie Zilch. Die zeichne sich vor allem durch sehr lange Einstellungen aus, um ein Gefühl von Authentizität zu vermitteln. "Also dass möglichst wenig geschnitten wird oder die Schnitte sehr geschickt vertuscht werden. Damit so eine Illusion entsteht von dieser männlichen Potenz, die unendlich lang andauert."
Hier würden häufig auch so genannte Point-of-View-Shots eingesetzt - eine Handkamera, die meistens der männliche Darsteller in der Hand hat. "Die Darstellerinnen gucken direkt in die Kamera", erklärt Leonie Zilch, als sei man als Zuschauer selbst beteiligt am Sexakt.

Authentizität durch Dynamik und Rhythmus

Bei feministischer oder queerer Pornografie hingegen würde häufig eher betont, dass es sich um einen Film handele, so Zilch weiter. "Natürlich bleibt der Sex trotzdem real, aber da gibt es schon auch mal mehr Schnitte, die mehr auf Dynamik setzen, vielleicht auch mit Musik, wo die Authentizität durch einen Rhythmus vermittelt wird." Was man dann als authentisch empfinde, sei jedoch sehr subjektiv.
Auch klassische Spielfilm-Pornos, in denen der Sex in eine Handlung eingebettet ist, gibt es noch. Das seien heute - wenn man auf den Mainstream schaue - vor allem Porno-Parodien von bekannten Spielfilmen, sagt Zilch. "The Little Mermaid" heiße dann "The Little Spermaid".

Pornos mit dokumentarischem Charakter

Darüber hinaus gebe es Filme, die eher dokumentarischen Charakter hätten und noch einmal auf andere Weise mit Echtzeit spielten wie "Skin. Like. Sun", der fast ohne Schnitte auskomme und ein Amateurpaar in einem lichtdurchfluteten Raum zeige. "Der Film geht 50 Minuten. Allerdings passiert da auch gar nicht so viel und das braucht dann so eine Viertelstunde oder 20 Minuten, bis die überhaupt nackt sind." Das könne sich ganz schön lang anfühlen. "Die Bilder sind wunderschön, aber die Frage ist, inwiefern das funktioniert, um schnell zu erregen."
(cwu)
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