IG Metall: Arbeitsplatzsicherung hat momentan Priorität
Die Sicherung von Arbeitsplätzen ist nach Meinung von Armin Schild, Bezirksleiter der IG Metall Frankfurt, momentan wichtiger als eine Tariferhöhung.
Birgit Kolkmann: Die zwei größten deutschen Gewerkschaften ziehen in der Tarifpolitik im Augenblick nicht an einem Strang. Der Chef der Dienstleistungsgesellschaft Verdi findet, in der Krise sei Lohnverzicht kontraproduktiv. Durch den privaten Konsum müsse die Wirtschaft angekurbelt werden. Der IG Metall-Chef dagegen meint, in den anstehenden Tarifrunden sei der Erhalt von Arbeitsplätzen wichtiger als Lohnerhöhungen und bekommt viel Lob von der Arbeitgeberseite – was niemanden wundert. Armin Schild ist IG Metall-Bezirksratsvorsitzender in Frankfurt, ihn begrüße ich. Guten Morgen!
Armin Schild: Guten Morgen, Frau Kolkmann!
Kolkmann: Herr Schild, teilen Sie die Meinung Ihres großen Vorsitzenden?
Schild: Natürlich teile ich die Auffassung von Berthold Huber, dass die Beschäftigungsfrage für die Belegschaften derzeit höchste Priorität hat, wer wollte das bestreiten. Die Menschen haben Angst um Arbeitsplätze, um Zukunft, um den Bestand ihrer Unternehmen, und das ist nun mal die Grundlage dafür, dass man auch wieder kräftige Lohnforderungen erheben kann. Ich würde aber bitte nicht einen allzu großen Unterschied zu anderen strategischen Ansätzen in anderen Gewerkschaften sehen. Das findet immer vor dem Hintergrund konkreter, branchenwirtschaftlicher Entwicklungen statt.
Kolkmann: Habe ich Sie da richtig verstanden, so im Hintergrund, dass, wer keine Lohnerhöhungen fordert, auch kein richtiger Gewerkschafter ist?
Schild: Nein, das ist sicherlich keine richtige Interpretation. Wichtig ist doch, dass Tarifforderungen, Tarifverhandlungen immer vor dem Hintergrund allgemeiner, gesamtwirtschaftlicher Entwicklungen stattfinden, aber auch vor dem Hintergrund konkreter branchenwirtschaftlicher Entwicklung. Und jetzt muss man einfach sehen: Deutschland ist Exportweltmeister und deshalb hauptbetroffenes europäisches Land von der Wirtschaftskrise. Die Metall- und Elektroindustrie ist die Exportbranche im Land des Exportweltmeisters und deshalb die hauptbetroffene Branche von der Weltwirtschaftskrise. Da geht es jetzt um andere Prioritäten als beispielsweise beim Gebäudereinigerhandwerk oder im öffentlichen Dienst oder im Einzelhandel, alles Branchen, die von der Weltwirtschaftskrise doch eher mittelbar, wenn überhaupt betroffen sind.
Kolkmann: Mit anderen Worten: Die Kuh ist im Augenblick nicht so richtig zu melken. Wie vermitteln Sie das Ihren Mitgliedern?
Schild: Na ja, unsere Mitglieder sind – das weiß jeder, der die IG Metall kennt –, was die Ergebnisse unserer Tarifpolitik angeht, recht anspruchsvoll, und das ist auch gut und richtig so, dafür sind sie ja auch gewerkschaftlich organisiert. Ich bin im Übrigen überzeugt davon, dass starke Gewerkschaften, gute Betriebsräte für Belegschaften in Krisenzeiten sowieso die einzige Garantie für Zukunft und Perspektive sind, am Beispiel Zeitarbeit kann man ja sehen, was mit Belegschaften geschieht, die nicht gut gewerkschaftlich organisiert sind. Aber Fakt ist: Wir werden eine Tarifforderung zu finden haben – im Übrigen im Frühjahr des nächsten Jahres, also, es ist eine Diskussion etwas zur Unzeit, wie ich finde –, eine Tarifforderung zu finden haben, die Beschäftigungssicherung und Entgeltentwicklung miteinander verbindet. Und ich will auch noch mal ganz ausdrücklich sagen: Wer glaubt, Beschäftigungssicherung sei zum Nulltarif zu haben, der irrt. Beschäftigungssicherung kostet, und sie kostet sowohl den Staat wie die Unternehmen wie natürlich auch die Arbeitnehmer, am Beispiel Kurzarbeit kann man das sehen.
Kolkmann: Wenn Sie sagen, Ihre Mitglieder sind anspruchsvoll, dann heißt das, die wollen auch Lohnerhöhungen?
Schild: Es gibt einen etwa bei einem Drittel, vielleicht etwas mehr anzusetzenden Anteil der Belegschaften, die haben von der Wirtschaftskrise auch in der Metall- und Elektroindustrie bislang nur im Radio gehört. Diese Kolleginnen und Kollegen haben berechtigte Ansprüche an ihre Entgeltentwicklung. Und es gibt andere, die sind seit einem Jahr ununterbrochen in Kurzarbeit, Leute, die sich früher täglich getroffen haben, haben sich aus den Augen verloren, weil sie sich gar nicht mehr am Arbeitsplatz antreffen, weil nur noch ein oder zwei Mal in der Woche gearbeitet wird. Das ist nun mal die sehr differenzierte Realität in dieser Branche, deshalb wird ein Tarifabschluss das Kunststück fertig bringen müssen, für die einen Lohnentwicklung zu bedeuten und für die anderen Beschäftigungssicherung. Wir können ja nicht an den Prioritäten vorbeiarbeiten, wir können aber auch nicht diejenigen Arbeitnehmer bestrafen für die Weltwirtschaftskrise, die nun gar nichts damit zu tun haben und zum Beispiel bei alternativen Energieerzeugungsunternehmen arbeiten, die – wie Sie gerade in Ihrem Vorbericht angesprochen haben – auch in Deutschland derzeit boomen.
Kolkmann: So erklärt sich natürlich, dass es durchaus unterschiedliche Positionen der Gewerkschaften gibt. Sie sprachen eben die Kurzarbeit an. Auch die hätten die Arbeitgeber zumindest gerne verlängert. Das kostet vor allem die Bundesagentur Geld, also den Steuerzahler. Da wundert es nicht, dass die Arbeitgeber das fordern, und das ist sicher auch für die Beschäftigten erst mal eine Erleichterung. Ist es aber langfristig gar nicht gut für uns?
Schild: Na ja, erst mal möchte ich Sie korrigieren. Diejenigen, die die Verlängerung der Kurzarbeitsregelung fordern, sind im Moment wir. Bei den Arbeitgebern gibt es ja eine sehr uneinheitliche Position, und auch das hat mit der unterschiedlichen Betroffenheit von der Wirtschaftskrise zu tun. Aber die große Frage, die sich für alle doch stellt – beim Terminus technicus Kurzarbeit kann man es nur symbolisch verdeutlichen, es wird sozusagen offensichtlich –, die große Frage ist: Wer zahlt am Ende die Zeche? Wir haben einen Einbruch der Produktion dauerhaft, Herr Brüderle hat es gerade gestern noch einmal bestätigt, unser neuer Wirtschaftsminister geht von einer drei bis vier Jahre andauernden Krise aus, das tue ich auch und ich füge hinzu: mindestens. In diesem Zeitraum werden wir zum Beispiel in der Metallindustrie 20 bis 30 Prozent weniger Produktion haben. Und wir müssen das Kunststück fertig bringen, diesen Verlust an Produktion, an Auslastung als faire Arbeitszeitverteilung den Menschen nicht als Arbeitslosigkeit entgegenkommen zu lassen, sonst haben wir nämlich 20 bis 30 Prozent weniger Beschäftigte. Das heißt, wir müssen Formen von fairer Arbeitszeitverteilung finden, die sicherstellen, dass nicht Menschen unfreiwillig in die Arbeitslosigkeit geschickt werden. Und diese Formen, da ist Kurzarbeit eine, aber möglicherweise gibt es auch noch andere, die wir tarifpolitisch erweitern müssen. Diese Formen fairer Arbeitszeitverteilung zeichnen sich eben immer dadurch aus, dass nicht die Arbeitnehmer alleine die Zeche für eine Party zahlen, zu der sie nie eingeladen waren.
Kolkmann: Und das sind die Aufgaben für die kommende Tarifrunde. Vielen Dank, Armin Schild, er ist IG Metall-Bezirksvorsitzender in Frankfurt. Danke schön für das Gespräch!
Schild: Danke, Frau Kolkmann!
Armin Schild: Guten Morgen, Frau Kolkmann!
Kolkmann: Herr Schild, teilen Sie die Meinung Ihres großen Vorsitzenden?
Schild: Natürlich teile ich die Auffassung von Berthold Huber, dass die Beschäftigungsfrage für die Belegschaften derzeit höchste Priorität hat, wer wollte das bestreiten. Die Menschen haben Angst um Arbeitsplätze, um Zukunft, um den Bestand ihrer Unternehmen, und das ist nun mal die Grundlage dafür, dass man auch wieder kräftige Lohnforderungen erheben kann. Ich würde aber bitte nicht einen allzu großen Unterschied zu anderen strategischen Ansätzen in anderen Gewerkschaften sehen. Das findet immer vor dem Hintergrund konkreter, branchenwirtschaftlicher Entwicklungen statt.
Kolkmann: Habe ich Sie da richtig verstanden, so im Hintergrund, dass, wer keine Lohnerhöhungen fordert, auch kein richtiger Gewerkschafter ist?
Schild: Nein, das ist sicherlich keine richtige Interpretation. Wichtig ist doch, dass Tarifforderungen, Tarifverhandlungen immer vor dem Hintergrund allgemeiner, gesamtwirtschaftlicher Entwicklungen stattfinden, aber auch vor dem Hintergrund konkreter branchenwirtschaftlicher Entwicklung. Und jetzt muss man einfach sehen: Deutschland ist Exportweltmeister und deshalb hauptbetroffenes europäisches Land von der Wirtschaftskrise. Die Metall- und Elektroindustrie ist die Exportbranche im Land des Exportweltmeisters und deshalb die hauptbetroffene Branche von der Weltwirtschaftskrise. Da geht es jetzt um andere Prioritäten als beispielsweise beim Gebäudereinigerhandwerk oder im öffentlichen Dienst oder im Einzelhandel, alles Branchen, die von der Weltwirtschaftskrise doch eher mittelbar, wenn überhaupt betroffen sind.
Kolkmann: Mit anderen Worten: Die Kuh ist im Augenblick nicht so richtig zu melken. Wie vermitteln Sie das Ihren Mitgliedern?
Schild: Na ja, unsere Mitglieder sind – das weiß jeder, der die IG Metall kennt –, was die Ergebnisse unserer Tarifpolitik angeht, recht anspruchsvoll, und das ist auch gut und richtig so, dafür sind sie ja auch gewerkschaftlich organisiert. Ich bin im Übrigen überzeugt davon, dass starke Gewerkschaften, gute Betriebsräte für Belegschaften in Krisenzeiten sowieso die einzige Garantie für Zukunft und Perspektive sind, am Beispiel Zeitarbeit kann man ja sehen, was mit Belegschaften geschieht, die nicht gut gewerkschaftlich organisiert sind. Aber Fakt ist: Wir werden eine Tarifforderung zu finden haben – im Übrigen im Frühjahr des nächsten Jahres, also, es ist eine Diskussion etwas zur Unzeit, wie ich finde –, eine Tarifforderung zu finden haben, die Beschäftigungssicherung und Entgeltentwicklung miteinander verbindet. Und ich will auch noch mal ganz ausdrücklich sagen: Wer glaubt, Beschäftigungssicherung sei zum Nulltarif zu haben, der irrt. Beschäftigungssicherung kostet, und sie kostet sowohl den Staat wie die Unternehmen wie natürlich auch die Arbeitnehmer, am Beispiel Kurzarbeit kann man das sehen.
Kolkmann: Wenn Sie sagen, Ihre Mitglieder sind anspruchsvoll, dann heißt das, die wollen auch Lohnerhöhungen?
Schild: Es gibt einen etwa bei einem Drittel, vielleicht etwas mehr anzusetzenden Anteil der Belegschaften, die haben von der Wirtschaftskrise auch in der Metall- und Elektroindustrie bislang nur im Radio gehört. Diese Kolleginnen und Kollegen haben berechtigte Ansprüche an ihre Entgeltentwicklung. Und es gibt andere, die sind seit einem Jahr ununterbrochen in Kurzarbeit, Leute, die sich früher täglich getroffen haben, haben sich aus den Augen verloren, weil sie sich gar nicht mehr am Arbeitsplatz antreffen, weil nur noch ein oder zwei Mal in der Woche gearbeitet wird. Das ist nun mal die sehr differenzierte Realität in dieser Branche, deshalb wird ein Tarifabschluss das Kunststück fertig bringen müssen, für die einen Lohnentwicklung zu bedeuten und für die anderen Beschäftigungssicherung. Wir können ja nicht an den Prioritäten vorbeiarbeiten, wir können aber auch nicht diejenigen Arbeitnehmer bestrafen für die Weltwirtschaftskrise, die nun gar nichts damit zu tun haben und zum Beispiel bei alternativen Energieerzeugungsunternehmen arbeiten, die – wie Sie gerade in Ihrem Vorbericht angesprochen haben – auch in Deutschland derzeit boomen.
Kolkmann: So erklärt sich natürlich, dass es durchaus unterschiedliche Positionen der Gewerkschaften gibt. Sie sprachen eben die Kurzarbeit an. Auch die hätten die Arbeitgeber zumindest gerne verlängert. Das kostet vor allem die Bundesagentur Geld, also den Steuerzahler. Da wundert es nicht, dass die Arbeitgeber das fordern, und das ist sicher auch für die Beschäftigten erst mal eine Erleichterung. Ist es aber langfristig gar nicht gut für uns?
Schild: Na ja, erst mal möchte ich Sie korrigieren. Diejenigen, die die Verlängerung der Kurzarbeitsregelung fordern, sind im Moment wir. Bei den Arbeitgebern gibt es ja eine sehr uneinheitliche Position, und auch das hat mit der unterschiedlichen Betroffenheit von der Wirtschaftskrise zu tun. Aber die große Frage, die sich für alle doch stellt – beim Terminus technicus Kurzarbeit kann man es nur symbolisch verdeutlichen, es wird sozusagen offensichtlich –, die große Frage ist: Wer zahlt am Ende die Zeche? Wir haben einen Einbruch der Produktion dauerhaft, Herr Brüderle hat es gerade gestern noch einmal bestätigt, unser neuer Wirtschaftsminister geht von einer drei bis vier Jahre andauernden Krise aus, das tue ich auch und ich füge hinzu: mindestens. In diesem Zeitraum werden wir zum Beispiel in der Metallindustrie 20 bis 30 Prozent weniger Produktion haben. Und wir müssen das Kunststück fertig bringen, diesen Verlust an Produktion, an Auslastung als faire Arbeitszeitverteilung den Menschen nicht als Arbeitslosigkeit entgegenkommen zu lassen, sonst haben wir nämlich 20 bis 30 Prozent weniger Beschäftigte. Das heißt, wir müssen Formen von fairer Arbeitszeitverteilung finden, die sicherstellen, dass nicht Menschen unfreiwillig in die Arbeitslosigkeit geschickt werden. Und diese Formen, da ist Kurzarbeit eine, aber möglicherweise gibt es auch noch andere, die wir tarifpolitisch erweitern müssen. Diese Formen fairer Arbeitszeitverteilung zeichnen sich eben immer dadurch aus, dass nicht die Arbeitnehmer alleine die Zeche für eine Party zahlen, zu der sie nie eingeladen waren.
Kolkmann: Und das sind die Aufgaben für die kommende Tarifrunde. Vielen Dank, Armin Schild, er ist IG Metall-Bezirksvorsitzender in Frankfurt. Danke schön für das Gespräch!
Schild: Danke, Frau Kolkmann!