Idil Baydar über Kultur-Lockdown

"Unfassbar irritierende Situation"

07:11 Minuten
Idil Baydar bei der Aufzeichnung der WDR Kabarett- und Comedyshow 'Ladies Night' im Gloria-Theater. Köln, 12.02.2019 | Verwendung weltweit
Warum bekommt die Lufthansa sofort finanzielle Hilfe, die Kulturszene aber nicht? Das fragt die Kabarettistin Idil Baydar. © picture alliance / Geisler-Fotopress / Christoph Hardt
Moderation: Max Oppel · 29.10.2020
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"Ich stehe kurz vor Hartz IV", bekennt die Kabarettistin Idil Baydar. Vor Corona füllte sie große Säle, jetzt wird es knapp. Die Kulturszene brauche sofort finanzielle Hilfe, fordert sie: Die erneuten Beschränkungen seien eine Katastrophe.
Normalerweise bringt die Kabarettistin Idil Baydar als Kreuzberger Göre Jilet Ayşe ganze Säle zum Grölen. Ihr selbst vergeht allerdings gerade das Lachen. Denn Theater und sonstige Bühnen müssen bis vorerst Ende November schließen.
Dieser Quasi-Lockdown kultureller Einrichtungen sei für die Comedian-Szene "eine Katastrophe", sagt sie. Denn: "Man kann nicht alles ins Internet verlagern." Auch sie persönlich treffe es hart: "Ich stehe kurz vor Hartz IV", sagt Baydar.
"Veranstalter gehen kaputt. Und das sind genau die, die sich an alle Maßnahmen und Hygienekonzepte halten, Luftfilter ausgetauscht haben – und jetzt sozusagen doppelt verlieren. Und wenn Veranstalter weg sind, dann sind wir auch weg." Die Kultureinrichtungen bräuchten deshalb sofort finanzielle Hilfe.

Auch Künstler zahlen Steuern

Mit Blick auf Hilfen für Großunternehmen wie die Lufthansa sagt die Kabarettistin: "Man kann die Lufthansa mit neun Milliarden alimentieren. Aber da sitzt du dann wie eine Sardine in so einem Ding – eng an eng. Im Theater habe ich fünf Meter Platz."
Baydar fragt sich nun, warum das Geld für große Unternehmen schnell zur Verfügung stehe, für systemrelevante Krankenpflegerinnen und –pfleger und für die Kultur aber nicht. Das zeige: Die Kulturszene habe in Deutschland keine Lobby. Obwohl alle ihre Steuern zahlten, die der Staat brauche.

Kunst bringt sozialen Frieden

Insgesamt sei die Situation in Deutschland "unfassbar irritierend", niemand könne genau sagen, welche Hygienekonzepte griffen und welche nicht. Die Unsicherheit sei groß: "Wir sind alle ein bisschen irre."
"Künstler sind Balsam für die Seele", sagt Baydar. "Und dass man mal irgendwo hingehen kann und sich was anschauen kann, ist ja quasi sozialer Frieden." Denn nach der Vorstellung "gehst du vielleicht ein bisschen leichter nach Hause und flippst nicht aus".
(mkn)
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