Identitätssuche in Island
Mit sprachlicher Eleganz und witzigem Tonfall erzählt Kristof Magnusson von einer Jugend in Island auf der Suche, ohne in die gängigen Island-Klischees zu verfallen. Seine Story verknüpft er dabei geschickt mit den Sagen und Mythen seiner Heimat.
Mit opulenten Bildern von schäumenden Geysiren und wilden Pferdestärken sowie fragilen Wolken am endlosen Polarkreishorizont, in denen die letzten Akkorde eines Songs des Popidols Björk verklingen, wird Island gern romantisch mystifiziert. Diesem Schauspiel versucht der 30-jährige Autor Kristof Magnusson - bislang als Stückeschreiber bekannt - mit seinem Romandebüt Zuhause in wohltuender Weise zu begegnen.
Obwohl eine Entmystifizierung nicht das thematische Anliegen seines Romans ist, erledigt er dies mit sprachlicher Eleganz und witziger Tonlage scheinbar nebenbei mit. Denn die Geschichte des in Reykjavik geborenen Lárus Lúðvígsson ist mit Islands Geschichte und Gegenwart aufs engste verknüpft.
Lárus, der seit längerem in Hamburg wohnt, will wie gewohnt zusammen mit Matilda und Svend sowie Milan das Weihnachtsfest in Islands Hauptstadt verbringen. Dort angekommen, muss er erkennen, dass in diesem Jahr alles anders ist. Matilda und Svend haben sich getrennt und auch sein Freund Milan landet mit dem Flugzeug nicht in Reykjavík.
Als sich Lárus ein Video ausleihen will, zeigt das isländische Melderegister sein Ableben an, alle persönlichen Daten sind gelöscht. Magnussons Figuren geraten nun in einen Sog, der ihnen den Boden unter den Füßen wegreißt und in dem sie wie Marionetten hilflos herumzappeln. Bei dem Versuch, sich neu zu orientieren, gerät Lárus in den mächtigsten und reichsten Familienclan Islands und erfährt, dass er selbst Teil dieses Netzwerks von Intrigen ist.
Obwohl der Roman spätestens an diesem Punkt eine gewisse kriminalistische Grundidee nicht verleugnet, verliert sich Kristof Magnusson nicht in kriminalistischen Details, um das Schicksal seines Protagonisten aufzuwerten. Ihm geht es vielmehr darum, das Psychogramm einer Generation zu skizzieren, die ihre Sehnsüchte und Träume verloren hat und nicht weiß, wo sie hingehört.
Dieser inneren Fremdheit stellt Magnusson symbolisch die "Saga von Egill Skallagrímsson" als literarisches Zeugnis entgegen, das auf den Gründungsmythos Islands verweist. Die Saga enthält den mehr oder weniger erfundenen Bericht vom Leben des Dichters und Kriegers Egill Skallagrímsson. Ähnlich dem mittelhochdeutschen "Nibelungenlied" verweist die Saga auf Islands Genealogien sowie seine Jahrtausende alten Machthierarchien.
Da kein Dokument der isländischen Sagas überliefert ist, begleitet der Streit um die Autorschaft ihre Rezeptionsgeschichte bis in die Gegenwart hinein. Im Falle der "Saga von Egill Skallagrímsson" wird der isländische Chronist Snorri Sturluson vermutet. Magnusson gibt seinem Protagonisten Lárus nun ein solches nichtexistentes Schriftstück in die Hand und versetzt ihn damit in gefährliche Situationen.
"Wer weiß, wo er herkommt, weiß, wer er ist", heißt es in Kristof Magnussons Roman. Eine zutiefst philosophische Frage, die der Autor unakademisch, mit sprachlichem Humor und viel Spannung zu beantworten versucht.
Kristof Magnusson: Zuhause
Roman, Verlag Antje Kunstmann 2005.
315 Seiten. 19,90 Euro.
Obwohl eine Entmystifizierung nicht das thematische Anliegen seines Romans ist, erledigt er dies mit sprachlicher Eleganz und witziger Tonlage scheinbar nebenbei mit. Denn die Geschichte des in Reykjavik geborenen Lárus Lúðvígsson ist mit Islands Geschichte und Gegenwart aufs engste verknüpft.
Lárus, der seit längerem in Hamburg wohnt, will wie gewohnt zusammen mit Matilda und Svend sowie Milan das Weihnachtsfest in Islands Hauptstadt verbringen. Dort angekommen, muss er erkennen, dass in diesem Jahr alles anders ist. Matilda und Svend haben sich getrennt und auch sein Freund Milan landet mit dem Flugzeug nicht in Reykjavík.
Als sich Lárus ein Video ausleihen will, zeigt das isländische Melderegister sein Ableben an, alle persönlichen Daten sind gelöscht. Magnussons Figuren geraten nun in einen Sog, der ihnen den Boden unter den Füßen wegreißt und in dem sie wie Marionetten hilflos herumzappeln. Bei dem Versuch, sich neu zu orientieren, gerät Lárus in den mächtigsten und reichsten Familienclan Islands und erfährt, dass er selbst Teil dieses Netzwerks von Intrigen ist.
Obwohl der Roman spätestens an diesem Punkt eine gewisse kriminalistische Grundidee nicht verleugnet, verliert sich Kristof Magnusson nicht in kriminalistischen Details, um das Schicksal seines Protagonisten aufzuwerten. Ihm geht es vielmehr darum, das Psychogramm einer Generation zu skizzieren, die ihre Sehnsüchte und Träume verloren hat und nicht weiß, wo sie hingehört.
Dieser inneren Fremdheit stellt Magnusson symbolisch die "Saga von Egill Skallagrímsson" als literarisches Zeugnis entgegen, das auf den Gründungsmythos Islands verweist. Die Saga enthält den mehr oder weniger erfundenen Bericht vom Leben des Dichters und Kriegers Egill Skallagrímsson. Ähnlich dem mittelhochdeutschen "Nibelungenlied" verweist die Saga auf Islands Genealogien sowie seine Jahrtausende alten Machthierarchien.
Da kein Dokument der isländischen Sagas überliefert ist, begleitet der Streit um die Autorschaft ihre Rezeptionsgeschichte bis in die Gegenwart hinein. Im Falle der "Saga von Egill Skallagrímsson" wird der isländische Chronist Snorri Sturluson vermutet. Magnusson gibt seinem Protagonisten Lárus nun ein solches nichtexistentes Schriftstück in die Hand und versetzt ihn damit in gefährliche Situationen.
"Wer weiß, wo er herkommt, weiß, wer er ist", heißt es in Kristof Magnussons Roman. Eine zutiefst philosophische Frage, die der Autor unakademisch, mit sprachlichem Humor und viel Spannung zu beantworten versucht.
Kristof Magnusson: Zuhause
Roman, Verlag Antje Kunstmann 2005.
315 Seiten. 19,90 Euro.