Identität als Lebensthema

Von Christian Gampert · 07.02.2010
Installationen der aus Südafrika stammenden Video-Künstlerin Candice Breitz sind zurzeit im Kunsthaus Bregenz zu sehen. Im Mittelpunkt steht das Werk "New York, New York". Dabei geht es um vier eineiige Zwillingspaare, mit denen Breitz den Themen Gleichheit, Ungleichheit und Identität nachspürt.
"My name is Candice Breitz"

... sagt Candice Breitz, weil die Deutschen immer Candis Braitz sagen; da sie in Berlin lebt und in Braunschweig eine Professur ausübt, hat sie sich schon daran gewöhnt – aber die Aussprache des Namens hat natürlich mit Identität zu tun.

Und Identität ist das Lebensthema der in Südafrika aufgewachsenen Künstlerin. "The scripted life" heißt die Bregenzer Ausstellung, und es geht darum, nach welchen Drehbüchern wir unser Leben gestalten, zwischen den sozialen Wahlmöglichkeiten der Postmoderne und den Vorgaben, die unsere biologische Ausstattung uns macht.

Das künstlerische Forschungs-Objekt der Candice Breitz sind deshalb eineiige Zwillinge: Wie entwickelt sich Individualität bei Menschen mit identischem Genpool? Manchmal eher wenig. Bei manchen Zwillingspaaren geht die Verklammerung so weit, dass sie sogar die Liebhaberinnen miteinander teilen.

So war es zum Beispiel bei den beiden etwa 50-jährigen sportlichen Herren aus Toronto, die locker über ihre gemeinsame Vergangenheit plaudern. In der Ausstellung werden die Ergebnisse langer Aufnahme-Sessions nun in Diptychen präsentiert: auf zwei nebeneinander stehenden Plasma-Bildschirmen scheinen die Zwillinge miteinander zu kommunizieren – aber die Regie hat natürlich die Künstlerin.

Candice Breitz: "Mein Handwerkszeug ist der Schnitt, und jenseits des Schnittes interessieren mich Spezialeffekte oder Bildmanipulation nicht. Der Schnitt ist für mich eine Art Grammatik, ein Gliederung; und das Bearbeiten von Filmmaterial ist eine linguistische Tätigkeit. In dem Sinne, dass, wenn man einen Punkt, ein Komma oder ein Ausrufezeichen macht, man etwas betont und die Aufmerksamkeit darauf lenkt."

Candice Breitz hat in der Tat komplexe Personen ausgewählt, die aus ihrem Leben berichten: zwei über 70-jährige Oberschicht-Damen erzählen über ihre Schönheits-Operationen, mehrere Models gewähren Einblicke ins Geschäft, zwei androgyne Subkultur-Frauen zeigen uns, wie kompliziert das Leben in der Künstler-, Hipster und Lesbenszene sein kann und dass die eigene Unverwechselbarkeit – mit der und gegen die starke Schwester – erst errungen sein will.

Durch Breitz' subtile Schnittechnik entsteht tatsächlich so etwas wie ein Gespräch zwischen diesen Paaren; durch Wiederholungen und Loops bleibt aber eine quasi-musikalische Struktur erhalten, die uns immer wieder zeigt, dass dies inszeniert ist.

Die beiden Installationen "Him" and "Her" haben dann ein ganz anderes, ein gewalttätiges Kaliber. Zahlreiche Rollen der Schauspieler Jack Nicholson und Maryl Streep werden hier zu je einer persönlichen Rückblende zusammengeschnitten, um männliche und weibliche Rollenklischees aufzuzeigen, wie Hollywood sie produziert. Bei dem Macho Nicholson klingt das so.

Und Meryl Streep ist erwartungsgemäß die Verständnisvolle, Zurückhaltende, Verletzbare.

Auch die Zwillingspärchen mussten bei Breitz dann fiktive Rollen erarbeiten. Zunächst sieht man, wie eine fremde Identität angenommen und präsentiert wird - dann werden als Video-Installation jene beiden Performances gezeigt, die Breitz im November 2009 in New York veranstaltet hat: Vier Personen spielen eine teilweise vorgegebene Sitcom, dann sind die Zwillingsbrüder oder –schwestern jener vier Schauspieler dran. Der Zuschauer ist ob der Ähnlichkeit der Vorstellungen verwirrt, mit der Zeit aber auch ein wenig gelangweilt.

Der eindrücklichste Raum der Ausstellung ist der letzte, in dem 25 Menschen auf 25 Bildschirmen im Sinne einer Urschrei-Therapie das John-Lennon-Album "Working Class Hero" interpretieren. Der verzweifelte A-Capella-Chor der Verlassenen, der uns aus der Stille sein "Mama don't go, daddy come home" entgegenschreit, er hallt uns im Gedächtnis noch lange nach ... .

"Mama don't go, daddy come home ... "