Idealismus in der Regierungspolitik
Die Welt ist undankbar. Anstatt sich daran zu erfreuen, dass die Wirtschaftsmaschinerie wieder auf Touren kommt, dass Binnennachfrage und Steuereinnahmen steigen und die Arbeitslosenzahlen sinken, entzieht sie der großen Koalition immer deutlicher ihre Zustimmung. Man vermisst das eigene Profil der daran beteiligten Parteien, Konzeptionen und langfristige Pläne, die sich nicht auf Zahlen in Statistiken beschränken lassen. Mit einem Wort, man vermisst einen Schuss Idealismus in der Politik.
Dafür war in den letzten Jahren vor allem eine Partei zuständig: Bündnis 90/Die Grünen. Bevor wir uns nun der heimlichen Sehnsucht nach einer Wiederauffrischung des politischen Farbenspektrums durch etwas Grün hingeben, sei ein Blick darauf gestattet, was diese Partei bisher geleistet hat. Immerhin hatte sie schon einmal sechs Jahre Zeit, ihre Ideen durch zwei Minister und eine Ministerin der Verwirklichung näherzubringen.
Das Herzstück der grünen Vorstellungswelt ist die Umweltpolitik. Nun war es für Jürgen Trittin gewiss schwer, als Sachwalter der stummen Natur am Kabinettstisch zu sitzen, aber er hat sein möglichstes getan. Beispielsweise hat er es geschafft, dass in jedem Supermarkt jetzt grünrot blinkernde Automaten stehen, in die man, wenn sie nicht voll oder aus anderen Gründen unwillig sind, leere Flaschen stecken kann und dafür die Zunge in Form eines Papierbons herausgestreckt bekommt. Das aber ist eine Kleinigkeit gegenüber den Veränderungen, die er in der Energiepolitik bewirkt hat.
Hier stand er vor keiner geringeren Aufgabe, als aus dem rhetorischen "Atomkraft, nein danke!" ein reales Programm zu machen, Deutschland also weg von der Nutzung der Kernkraft hin zu alternativen Energien zu führen. Zwar konnte Trittin nicht verhindern, dass auch hier, wie in aller Welt, noch Atomkraftwerke arbeiten, aber gleichzeitig drehen sich die Flügel von tausenden Windmühlen, gegen die anzukämpfen selbst ein Don Quichote nicht wagen würde, da ihre Beseitigung einen ähnlich hohen Ausstoß von CO2 zur Folge haben würde wie ihre Herstellung. Ja, es gibt empfindsame Augen, die in diesen Windkraftanlagen eine Landschafts- und Naturzerzerstörung von unerträglichem Ausmaß sehen.
Ähnliches lässt sich Renate Künast nicht vorwerfen. Im Grunde lässt sich ihr gar nichts vorwerfen, denn gegen Rinderwahnsinn, Vogelgrippe und zu viel oder zu wenig Regen kann auch eine noch so eifrige Besucherin von Biomärkten nichts machen. Warum sie sich allerdings in das Landwirtschafts- und Verbraucherministerium verirrte, ist vor allem vielen Bauern verborgen geblieben.
Klar hingegen ist, warum es Joschka Fischer in das Amt des Außenministers trieb. Der Mann hat schon immer die größtmöglichen Bühnen für seine Auftritte gesucht und den Liebhabern des Politiktheaters denn auch eine durchaus respektable Darstellerleistung geboten. Ob diese jedoch außer für ihn, der seine internationale Bekanntheit nun bei Auftritten an Universitäten und auf Kongressen verwerten kann, auch für sein Land von Nutzen war, darf bezweifelt werden. Anlässlich seines Rückzugs aus der aktiven Politik sprach er davon, dass er nun wieder "die Macht mit der Freiheit vertauschen" wolle. Von Verantwortung, ohne die sowohl Macht als auch Freiheit recht fragwürdige Dinge sind, war dabei nicht die Rede, und dass sie für ihn von besonderer Bedeutung sei, lässt sich auch an seiner Außenpolitik nicht ablesen.
Oder wie sonst soll man das Schwanken zwischen Friedensappellen und Kriegseinsätzen, zwischen Menschenrechtsrhetorik und Wirtschaftsinteressen beurteilen, ein Schwanken, das potentielle Partner wie Gegner vor die gleichen Rätsel stellte. Oder war das nur Verwirrungstaktik, um den eigenen Prinzipien auf geheimen Wegen zum Durchbruch zu verhelfen? Aus der politischen Praxis geschlossen, besteht das wichtigste dieser Prinzipien darin, dass alle Menschen, bis auf die meisten Deutschen und einige Amerikaner, gut sind und man es demzufolge allen Recht machen und darüber hinaus so viele wie möglich mit einem Visum ins eigene Land holen muss. Wenn darunter, wie an der Botschaft in Kiew geschehen, einige Drogendealer, Zuhälter und Prostituierte sind, ist das zwar bedauerlich, kann aber nichts an der guten Absicht dieser Tat ändern.
Denn dass die Außen- wie jegliche von den Grünen verantwortete Politik mit der besten Absicht betrieben wurde, wird auch der noch so übelwollende Betrachter nicht bezweifeln. Aber die Welt ist nicht nur undankbar, sondern auch voller Tücken. Diese haben es bewirkt, dass sich die Grünen in der Bundesregierung als Teil jener Kraft erwiesen haben, die, anders als Mephisto, stets das Gute will und es dann doch nicht schafft. Angesichts dieser Erfahrung sollte man sie davor bewahren, ihre Fehler zu wiederholen.
Bernd Wagner, Schriftsteller, 1948 im sächsischen Wurzen geboren, war Lehrer in der DDR und bekam durch seine schriftstellerische Arbeit Kontakt zur Literaturszene in Ost-Berlin. 1976 erschien sein erster Band mit Erzählungen, wenig später schied er aus dem Lehrerberuf. Von Wagner, der sich dem Protest gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns anschloss, erschienen neben einem Gedichtband mehrere Prosabände und Kinderbücher. Als die Veröffentlichung kritischer Texte in der DDR immer schwieriger wurde, gründete Wagner gemeinsam mit anderen die Zeitschrift "Mikado". Wegen zunehmender Repression der Staatsorgane siedelte er 1985 nach West-Berlin über. Zu seinen wichtigsten Büchern zählen "Die Wut im Koffer. Kalamazonische Reden 1-11" (1993) sowie die Romane "Paradies" (1997) und "Club Oblomow" (1999). Zuletzt erschien "Wie ich nach Chihuahua kam".
Das Herzstück der grünen Vorstellungswelt ist die Umweltpolitik. Nun war es für Jürgen Trittin gewiss schwer, als Sachwalter der stummen Natur am Kabinettstisch zu sitzen, aber er hat sein möglichstes getan. Beispielsweise hat er es geschafft, dass in jedem Supermarkt jetzt grünrot blinkernde Automaten stehen, in die man, wenn sie nicht voll oder aus anderen Gründen unwillig sind, leere Flaschen stecken kann und dafür die Zunge in Form eines Papierbons herausgestreckt bekommt. Das aber ist eine Kleinigkeit gegenüber den Veränderungen, die er in der Energiepolitik bewirkt hat.
Hier stand er vor keiner geringeren Aufgabe, als aus dem rhetorischen "Atomkraft, nein danke!" ein reales Programm zu machen, Deutschland also weg von der Nutzung der Kernkraft hin zu alternativen Energien zu führen. Zwar konnte Trittin nicht verhindern, dass auch hier, wie in aller Welt, noch Atomkraftwerke arbeiten, aber gleichzeitig drehen sich die Flügel von tausenden Windmühlen, gegen die anzukämpfen selbst ein Don Quichote nicht wagen würde, da ihre Beseitigung einen ähnlich hohen Ausstoß von CO2 zur Folge haben würde wie ihre Herstellung. Ja, es gibt empfindsame Augen, die in diesen Windkraftanlagen eine Landschafts- und Naturzerzerstörung von unerträglichem Ausmaß sehen.
Ähnliches lässt sich Renate Künast nicht vorwerfen. Im Grunde lässt sich ihr gar nichts vorwerfen, denn gegen Rinderwahnsinn, Vogelgrippe und zu viel oder zu wenig Regen kann auch eine noch so eifrige Besucherin von Biomärkten nichts machen. Warum sie sich allerdings in das Landwirtschafts- und Verbraucherministerium verirrte, ist vor allem vielen Bauern verborgen geblieben.
Klar hingegen ist, warum es Joschka Fischer in das Amt des Außenministers trieb. Der Mann hat schon immer die größtmöglichen Bühnen für seine Auftritte gesucht und den Liebhabern des Politiktheaters denn auch eine durchaus respektable Darstellerleistung geboten. Ob diese jedoch außer für ihn, der seine internationale Bekanntheit nun bei Auftritten an Universitäten und auf Kongressen verwerten kann, auch für sein Land von Nutzen war, darf bezweifelt werden. Anlässlich seines Rückzugs aus der aktiven Politik sprach er davon, dass er nun wieder "die Macht mit der Freiheit vertauschen" wolle. Von Verantwortung, ohne die sowohl Macht als auch Freiheit recht fragwürdige Dinge sind, war dabei nicht die Rede, und dass sie für ihn von besonderer Bedeutung sei, lässt sich auch an seiner Außenpolitik nicht ablesen.
Oder wie sonst soll man das Schwanken zwischen Friedensappellen und Kriegseinsätzen, zwischen Menschenrechtsrhetorik und Wirtschaftsinteressen beurteilen, ein Schwanken, das potentielle Partner wie Gegner vor die gleichen Rätsel stellte. Oder war das nur Verwirrungstaktik, um den eigenen Prinzipien auf geheimen Wegen zum Durchbruch zu verhelfen? Aus der politischen Praxis geschlossen, besteht das wichtigste dieser Prinzipien darin, dass alle Menschen, bis auf die meisten Deutschen und einige Amerikaner, gut sind und man es demzufolge allen Recht machen und darüber hinaus so viele wie möglich mit einem Visum ins eigene Land holen muss. Wenn darunter, wie an der Botschaft in Kiew geschehen, einige Drogendealer, Zuhälter und Prostituierte sind, ist das zwar bedauerlich, kann aber nichts an der guten Absicht dieser Tat ändern.
Denn dass die Außen- wie jegliche von den Grünen verantwortete Politik mit der besten Absicht betrieben wurde, wird auch der noch so übelwollende Betrachter nicht bezweifeln. Aber die Welt ist nicht nur undankbar, sondern auch voller Tücken. Diese haben es bewirkt, dass sich die Grünen in der Bundesregierung als Teil jener Kraft erwiesen haben, die, anders als Mephisto, stets das Gute will und es dann doch nicht schafft. Angesichts dieser Erfahrung sollte man sie davor bewahren, ihre Fehler zu wiederholen.
Bernd Wagner, Schriftsteller, 1948 im sächsischen Wurzen geboren, war Lehrer in der DDR und bekam durch seine schriftstellerische Arbeit Kontakt zur Literaturszene in Ost-Berlin. 1976 erschien sein erster Band mit Erzählungen, wenig später schied er aus dem Lehrerberuf. Von Wagner, der sich dem Protest gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns anschloss, erschienen neben einem Gedichtband mehrere Prosabände und Kinderbücher. Als die Veröffentlichung kritischer Texte in der DDR immer schwieriger wurde, gründete Wagner gemeinsam mit anderen die Zeitschrift "Mikado". Wegen zunehmender Repression der Staatsorgane siedelte er 1985 nach West-Berlin über. Zu seinen wichtigsten Büchern zählen "Die Wut im Koffer. Kalamazonische Reden 1-11" (1993) sowie die Romane "Paradies" (1997) und "Club Oblomow" (1999). Zuletzt erschien "Wie ich nach Chihuahua kam".