Idealbild von Natur
Der deutsche Wald ist eine Projektionsfläche für Mythen, Träume und Ängste sowie Rohstofflieferant und Jagdrevier. Nun - zum Ende des Internationalen Jahres der Wälder - widmet das Deutsche Historische Museum dem Wald eine große Ausstellung.
Es sind nur ein paar Schneisen, die die Ausstellung "Unter Bäumen" in das komplexe und zuweilen undurchdringliche Beziehungsgeflecht der Deutschen zum Wald schlagen kann. Zu groß das Thema, zu klein die 1000 Quadratmeter Ausstellungsfläche des Pei-Baus.
Dort wird in neun Themenräumen der Versuch unternommen, deutsche Geschichte anhand des Waldes zu erzählen. Die Anfänge liegen zweitausend Jahre zurück, in der römischen Geschichtsschreibung des Tacitus’: in "Germania" und in den "Annalen". Es sind nur wenige Sätze, aber aus ihnen leitet sich der deutsche Waldmythos ab, sagt Ursula Breymayer, eine der Kuratorinnen der Ausstellung.
Wald: "Unser Anspruch ist, eine ganz bestimmte Seite zu präsentieren, und zwar wollen wir den Wald als Vorstellung, als Symbol zeigen, weniger den Wald als Naturraum, den realen Wald, sondern den Wald in den Köpfen."
Aber zuerst röhrt, ganz real, ein brünstiger Plüschhirsch: Hubert, auch Ausstellungsleitfaden für Kinder. Als begehrte Jagdtrophäe, als Kitschobjekt auf Wohnzimmerwänden oder als Sympathieträger in der Werbung taucht er immer wieder auf. In seiner Nähe schmückt eines der wertvollsten Objekte der Ausstellung die Regale: die zweihundert Jahre alte Hohenheimer Xylothek, eine Baumbibliothek. Angehende Förster lernten mit ihrer Hilfe die Charakteristika der Bäume kennen.
Xylo: "Für jeden Baum ist ein eigenes Buch angelegt, eine Buchattrappe, in Form eines Holzkastens, der aus dem jeweiligen Holz besteht. Diesen Kasten kann man aufklappen. Innen drin befinden sich Samen bis hin zu Blütenstaub dieses Baumes. Es sind, man kann sagen, ne Form von Samenbänken der Bäume."
Zu sehen sind Alltagsgegenstände aus Holz: Spielzeug, Musikinstrumente, ein Sarg. Dann Filme über untergegangene Waldberufe und Dokumente aus der frühen Forstwissenschaft. Die ist, so Kurator Bernd Ulrich, einer der drei Stränge der Ausstellung.
"Ja, drei große Ereignisse, die parallel fast laufen: einerseits die literarische Beschäftigung mit dem Wald, die einsetzt in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Zum Zweiten diese große Entwicklung, verkörpert durch die forstwissenschaftlichen Klassiker, wo man in den deutschen Ländern damit beginnt, den Wald zu vermessen zu kartieren, wissenschaftlich zu erforschen. Und als dritter Punkt die Bedeutung des Waldes als Naturraum, als Ort deutscher Freiheit, Symbol der deutschen Einheit, der dann noch mal ne starke Verstärkung bekommt durch die Befreiungskriege."
Das Herzstück von "Unter Bäumen" aber bildet die Galerie der deutschen Waldmalerei von der Romantik bis zur Gegenwart. Knorrige Eichen, verschneite Tannen, geradezu mythisch verklärt. Wichtigster Vertreter dieser Waldmalerei ist Caspar David Friedrich, dessen Gemälde im Zusammenhang mit den napoleonischen Befreiungskriegen politisch-patriotisch aufgeladen sind: der Wald als Inbegriff deutscher Identität.
Er ist auch eine Bühne für die Tiere - und die Jagd auf sie. Die erlebte ihren Höhepunkt unter Kaiser Wilhelm II., dessen grüner Jagdrock ausgestellt ist. 46.000 Tiere erlegte der jagdbegeisterte Kaiser im Lauf seines Lebens. Die Jagd diente der Machtinszenierung und der Pflege politischer Beziehungen: das zeigen Photos von Nazigrößen vor opulenten Jagdtrophäen und auch von Erich Honecker, dessen Gewehr in einer Vitrine zu sehen ist. Deutsche Teilung, Holocaust, zweiter Weltkrieg – auch sie spiegeln sich, so Kurator Bernd Ulrich, im Holz wider.
Holz: "Das den zweiten Weltkrieg anbelangt, so haben wir vor allem Dingen aus einem kleinen Museum im Oderbruch zwei wunderbare Exponate bekommen, die Einschüsse im Bauminneren zeigen, aus der Schlacht bei den Selower Höhen, der letzten großen Schlacht vor Berlin 1945.
Und wir haben aus dem KZ Sachsenhausen, die ihre Häftlinge 1945 wie in vielen anderen Lagern auf sogenannte Todesmärsche geschickt haben, Häftlingseinritzungen in Bäumen, Wachsabdrücke davon, die diese Häftlinge im Belower Wald, einem ersten Rastpunkt, vorgenommen haben, jedenfalls die, die bis dahin überlebt haben."
Der Wald - ideologisch pervertiert unter den Nazis, verkitscht im Heimatfilm der 50er-Jahre, gruselig als Tatort von Verbrechen, bedroht vom Waldsterben und beliebt als Erholungsraum – die vielseitige und informative Ausstellung über die Deutschen und den Wald spannt einen weiten Bogen. Nur schade, dass sie erst jetzt, zum Ende des Internationalen Jahres der Wälder, kommt. Denn "Unter Bäumen" wäre auch ein starker Auftakt gewesen.
Dort wird in neun Themenräumen der Versuch unternommen, deutsche Geschichte anhand des Waldes zu erzählen. Die Anfänge liegen zweitausend Jahre zurück, in der römischen Geschichtsschreibung des Tacitus’: in "Germania" und in den "Annalen". Es sind nur wenige Sätze, aber aus ihnen leitet sich der deutsche Waldmythos ab, sagt Ursula Breymayer, eine der Kuratorinnen der Ausstellung.
Wald: "Unser Anspruch ist, eine ganz bestimmte Seite zu präsentieren, und zwar wollen wir den Wald als Vorstellung, als Symbol zeigen, weniger den Wald als Naturraum, den realen Wald, sondern den Wald in den Köpfen."
Aber zuerst röhrt, ganz real, ein brünstiger Plüschhirsch: Hubert, auch Ausstellungsleitfaden für Kinder. Als begehrte Jagdtrophäe, als Kitschobjekt auf Wohnzimmerwänden oder als Sympathieträger in der Werbung taucht er immer wieder auf. In seiner Nähe schmückt eines der wertvollsten Objekte der Ausstellung die Regale: die zweihundert Jahre alte Hohenheimer Xylothek, eine Baumbibliothek. Angehende Förster lernten mit ihrer Hilfe die Charakteristika der Bäume kennen.
Xylo: "Für jeden Baum ist ein eigenes Buch angelegt, eine Buchattrappe, in Form eines Holzkastens, der aus dem jeweiligen Holz besteht. Diesen Kasten kann man aufklappen. Innen drin befinden sich Samen bis hin zu Blütenstaub dieses Baumes. Es sind, man kann sagen, ne Form von Samenbänken der Bäume."
Zu sehen sind Alltagsgegenstände aus Holz: Spielzeug, Musikinstrumente, ein Sarg. Dann Filme über untergegangene Waldberufe und Dokumente aus der frühen Forstwissenschaft. Die ist, so Kurator Bernd Ulrich, einer der drei Stränge der Ausstellung.
"Ja, drei große Ereignisse, die parallel fast laufen: einerseits die literarische Beschäftigung mit dem Wald, die einsetzt in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Zum Zweiten diese große Entwicklung, verkörpert durch die forstwissenschaftlichen Klassiker, wo man in den deutschen Ländern damit beginnt, den Wald zu vermessen zu kartieren, wissenschaftlich zu erforschen. Und als dritter Punkt die Bedeutung des Waldes als Naturraum, als Ort deutscher Freiheit, Symbol der deutschen Einheit, der dann noch mal ne starke Verstärkung bekommt durch die Befreiungskriege."
Das Herzstück von "Unter Bäumen" aber bildet die Galerie der deutschen Waldmalerei von der Romantik bis zur Gegenwart. Knorrige Eichen, verschneite Tannen, geradezu mythisch verklärt. Wichtigster Vertreter dieser Waldmalerei ist Caspar David Friedrich, dessen Gemälde im Zusammenhang mit den napoleonischen Befreiungskriegen politisch-patriotisch aufgeladen sind: der Wald als Inbegriff deutscher Identität.
Er ist auch eine Bühne für die Tiere - und die Jagd auf sie. Die erlebte ihren Höhepunkt unter Kaiser Wilhelm II., dessen grüner Jagdrock ausgestellt ist. 46.000 Tiere erlegte der jagdbegeisterte Kaiser im Lauf seines Lebens. Die Jagd diente der Machtinszenierung und der Pflege politischer Beziehungen: das zeigen Photos von Nazigrößen vor opulenten Jagdtrophäen und auch von Erich Honecker, dessen Gewehr in einer Vitrine zu sehen ist. Deutsche Teilung, Holocaust, zweiter Weltkrieg – auch sie spiegeln sich, so Kurator Bernd Ulrich, im Holz wider.
Holz: "Das den zweiten Weltkrieg anbelangt, so haben wir vor allem Dingen aus einem kleinen Museum im Oderbruch zwei wunderbare Exponate bekommen, die Einschüsse im Bauminneren zeigen, aus der Schlacht bei den Selower Höhen, der letzten großen Schlacht vor Berlin 1945.
Und wir haben aus dem KZ Sachsenhausen, die ihre Häftlinge 1945 wie in vielen anderen Lagern auf sogenannte Todesmärsche geschickt haben, Häftlingseinritzungen in Bäumen, Wachsabdrücke davon, die diese Häftlinge im Belower Wald, einem ersten Rastpunkt, vorgenommen haben, jedenfalls die, die bis dahin überlebt haben."
Der Wald - ideologisch pervertiert unter den Nazis, verkitscht im Heimatfilm der 50er-Jahre, gruselig als Tatort von Verbrechen, bedroht vom Waldsterben und beliebt als Erholungsraum – die vielseitige und informative Ausstellung über die Deutschen und den Wald spannt einen weiten Bogen. Nur schade, dass sie erst jetzt, zum Ende des Internationalen Jahres der Wälder, kommt. Denn "Unter Bäumen" wäre auch ein starker Auftakt gewesen.