"Ich wünsche mir ein Strafverfahren von exemplarischer Bedeutung"

Christoph Bergner im Gespräch mit Gabi Wuttke · 14.05.2009
Nach Ansicht von Christoph Bergner, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, sind strafrechtliche Konsequenzen im Doping-Skandal am Institut für Sportmedizin der Universität Freiburg dringlich und unverzichtbar. Das sportliche wie das ärztliche Ethos seien schwerwiegend verletzt worden, sagte der CDU-Politiker. Außerdem sei zu untersuchen, wie in einer Universitätseinrichtung kriminelle Handlungen möglich waren.
Gabi Wuttke: Die Sportmediziner Andreas Schmid und Lothar Heinrich hatten keine Mitwisser beim systematischen Doping in der Telekom-Radmannschaft. Das steht jetzt schwarz auf weiß im Abschlussbericht einer dreiköpfigen Untersuchungskommission, die untersucht hat, was die beiden Ärzte zwischen 1995 und 2007 so trieben.

Am Telefon ist jetzt Christoph Bergner, Parlamentarischer Staatssekretär im zuständigen Bundesinnenministerium. Guten Morgen, Herr Bergner.

Christoph Bergner: Guten Morgen, Frau Wuttke.

Wuttke: Nach allem, was auch Journalisten über das Radsport-Doping, das Freiburger Institut und Joseph Keul herausgefunden haben, wundert mich der Persilschein für das sportmedizinische Institut. Sie auch?

Bergner: Ich weiß nicht, ob wir wirklich von einem Persilschein für das sportmedizinische Institut sprechen können. Wir haben hier den Versuch des Universitätsklinikums, Klarheit in die Strukturen zu bringen, auch um zukünftig in dieser Universitätseinrichtung ähnliche Entwicklungen zu verhindern. Die Frage, wie sich die Schuldfrage konkret stellt, wer mit einbezogen ist, ist eine Frage, die letztlich dann doch durch die Ermittlungsbehörden und durch die Staatsanwaltschaft geklärt werden muss.

Mir scheint wichtiger zu sein, dass wir mit Betroffenheit zur Kenntnis nehmen, dass in einer Einrichtung, die wirklich als Kompetenzzentrum der Sportmedizin in Deutschland galt, vorsätzlich strafrechtlich zu verfolgende Taten getan wurden und vorsätzlich das Ethos des Sports und das ärztliche Ethos verletzt worden ist.

Wuttke: Aber, Herr Bergner, genau deshalb ist es doch so interessant, dass jetzt zwei unbemerkt auf eigene Rechnung gearbeitet haben sollen, wo ja in Freiburg eben in Sachen Doping großräumig geforscht wurde?

Bergner: Dies ist in der Tat ein Aspekt dieses Berichtes, der sicher vor allen Dingen auch innerhalb der Universität selbst aufmerksam wahrgenommen werden muss. Wie sind zum Beispiel die Drittmittel verwaltet worden? Wie konnte es sein, dass Mittel, die in die Universität fließen, gewissermaßen an der Kontrolle vorbei, an der auch öffentlichen Kontrolle innerhalb der Universität vorbei laufen konnten? Nur - ich sage noch einmal: Ich bin relativ zuversichtlich, dass dieser Punkt aufgearbeitet wird. Worauf es mir jetzt ankommt ist die strafrechtliche Verfolgung derjenigen, die hier im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. Wir haben es hier mit Ärzten zu tun, nur um die Dringlichkeit zu sagen, die noch immer über ihre Approbation verfügen, und dies ist ein Punkt, wo ich nun in der Tat im Lichte dieses Berichtes große Dringlichkeit sehe.

Wuttke: Nun blicken wir mal über die beiden Ärzte, die ihre Approbation verlieren könnten und auch vielleicht noch weitere staatsanwaltschaftliche Konsequenzen fürchten müssen, über diesen Tellerrand hinaus, und bleiben wir noch mal bei Joseph Keul. Hans-Joachim Schäfer hat keine Beweise gefunden für das Mitwirken von Keul an diesem Doping-System, aber er hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass man von außen versucht hat, Einfluss auf die Arbeit der Kommission zu nehmen. Wie kann das denn sein?

Bergner: Auch das ist eine Frage, die ich jedenfalls von der Ferne aus Berlin nicht bewerten kann und nicht beurteilen kann.

Wuttke: Das müssten Sie schon, denn angesprochen wurde ganz konkret Rudolf Scharping als Chef des BDR.

Bergner: Dies sind Dinge, die man gründlicher prüfen und die man gründlicher diskutieren muss. Ich sage noch einmal: Für mich ist bei einer ersten, zugegeben noch flüchtigen Lektüre dieses Berichtes etwas ganz entscheidend, denn mir geht es um die Doping-Bekämpfung, dass wir hier - da hat der Bericht eine exemplarische Bedeutung. Er zeigt, dass Doping nicht allein dadurch zustande kommt, dass ein Sportler irgendeine Pille schluckt, sondern Doping im modernen Sport kommt dadurch zustande, dass es im Hintergrund Ärzte, Fachleute gibt, die mit sehr viel Fachwissen versuchen, die Leistungsfähigkeit zu manipulieren. Und wir müssen an dem Beispiel zeigen, dass diese Fachleute auch mit den Mitteln des Strafrechtes verfolgt werden. Das ist für mich die zentrale Botschaft.

Wuttke: Aber, Herr Bergner, es ist doch jetzt sehr einfach zu sagen, da waren jetzt zwei Mediziner, jetzt haben wir sie endlich gefunden, besser spät als nie, und Sie haben ja selbst schon das Stichwort geliefert. Wie steht es denn um die öffentliche Kontrolle? Warum konnten da auch Gelder hinfließen, von denen keiner mehr weiß, warum eigentlich in diesen Betrieb?

Bergner: Zunächst einmal: sofern es die Förderung des Bundes betrifft, ist in dem Moment, wo die Verdachtsmomente aufkamen, die Förderung und die Zusammenarbeit mit dem Freiburger Institut eingestellt worden. Die Frage, wie konnte es passieren, dass gewissermaßen kriminelles Handeln innerhalb eines Universitätsklinikums möglich wurde, ist eine Frage, die gewissermaßen vor Ort geklärt werden muss und die auch, was die Universitätsverwaltung, was das Finanzmanagement betrifft und anderes, sicher zu Konsequenzen führen wird. So weit ich den Bericht bei erster Durchsicht bewerten kann, werden hier ja auch konkrete Vorschläge gemacht. Ich bitte um Verständnis, dass für mich der allgemeinere sportpolitische Aspekt, der Aspekt der Doping-Bekämpfung, hier im Vordergrund steht, wenn ich diesen Bericht lese.

Wuttke: Haben Sie sich eigentlich auch gewundert, dass der Bericht eigentlich schon vor zwei Wochen im "Spiegel" zu lesen war? Hatte da jemand Furcht, wichtige Details könnten im Untersuchungsbericht fehlen?

Bergner: Ich bin es fast gewohnt, dass Berichte dieser Art vorher veröffentlicht werden oder Veröffentlichung finden.

Wuttke: In dem Fall kann man sich ja ungefähr vorstellen, wer daran Interesse haben könnte.

Bergner: Sie meinen an der Unterdrückung der Daten?

Wuttke: Nein, nein, an der sozusagen inneren Notwendigkeit, an die Öffentlichkeit zu bringen, was denn da tatsächlich alles festgestellt wurde.

Bergner: Ich habe zunächst einmal festzustellen, dass im Rahmen der Doping-Bekämpfung Journalisten zum Teil wichtige Recherchearbeit leisten und dass manche Veröffentlichung und manches Problem nicht zu Tage gekommen wäre und in seiner Brisanz jedenfalls nicht rechtzeitig oder zu dem entscheidenden Zeitpunkt erkannt worden wäre, wenn es nicht auch die journalistischen Recherchen gibt. Insoweit habe ich jetzt kein Problem mit der Vorabveröffentlichung.

Für mich ist wie gesagt wichtig, dass hier die angemessenen Konsequenzen gezogen werden, und ich muss jetzt wirklich sagen, ich wünsche mir ein Strafverfahren von exemplarischer Bedeutung, das deutlich macht, dass wir nicht hinnehmen und dass wir im Übrigen auch die rechtlichen Voraussetzungen dafür haben ...