"Ich wollte immer die Beste sein"

Von Dorothea Brummerloh |
Tanzen, Ballett tanzen ist eine richtig anstrengende Angelegenheit, ein Knochenjob und wenn schon kleine Mädchen die Mühen des Trainings auf sich nehmen, dann hoffen sie natürlich irgendwann mal groß raus zu kommen mit Sprüngen und Pirouetten. Für Polina Semjonowa ist dieser Traum wahr geworden.
Grazil, anmutig, fast wie eine Feder tanzt, nein schwebt Polina Semjonowa über das Parkett des Ballettsaals. Es ist heiß im Ballettsaal der Berliner Staatsoper, die Luft bewegt sich nicht, doch auf dem Gesicht der zierlichen Ballerina ist ein Lächeln. Auch bei den Proben muss alles perfekt sein – das Publikum verzeiht keine Fehler, ist unbarmherzig. Und die Ballettmeisterin ist es auch.

Das Tanzen liegt der 20-jährigen Polina im Blut. Schon früh erkannten ihre Eltern den Hang zur Bewegungslust. Wenn die kleine Polina Musik hörte, musste sie sich immer bewegen.

Polina: " Es hat mir schrecklich gefallen, mich zu bewegen, Musik zu hören, zu tanzen. Ich habe mich bewegt, um zu zeigen, dass ich diese Musik fühle. Dass ich Tänzerin werden möchte, habe ich geahnt … "

Zunächst schickten die Eltern Polina zum Eiskunstlaufen. Aber dafür ist sie zu groß und zu dünn. Deshalb wechselt sie mit sechs zum Ballett, besteht mit acht die Aufnahmeprüfung am berühmten Bolschoi Theater. Die Ausbildung dort gilt als eine der härtesten weltweit. Mit eiserner Disziplin, unnachgiebig und äußerst streng werden die Kinder von den Tanzpädagogen gedrillt.

Polina: "Es gibt eine große Konkurrenz unter den Kindern. Alle wollen gut sein. Ich bin nach dem Unterricht immer länger geblieben, um besser zu werden. Die Lehrer haben oft gesagt, dass ich nicht gut bin. Da ich eher ein gemütlicher Typ bin, musste ich angetrieben werden, Ich denke, dass kennen alle Ballettkinder. Das muss man machen, um erfolgreich zu sein. Doch das ist keine Kindheit… "

Aber gerade diese unglaubliche Selbstdisziplin und ihr eiserner Wille machte die kleine Elevin zu einer exzellenten Tänzerin. Und zwar so exzellent, dass sie den Chef des Berliner Staatsballetts überzeugt. Der sieht Polina tanzen und engagiert sie vom Fleck weg. Und zwar nicht als eine von vielen, sondern gleich als erste Solistin.

Polina: "Es ist nicht leicht mit 17 Jahren in ein fremdes Land zu gehen und das gleich als erste Solistin. Alle hatten Riesenerwartungen, die ich erfüllen musste. Aber ich wollte es schaffen. Natürlich hatte ich auch Angst zu versagen… "

Doch sie hat alle überzeugt. Das Publikum, die Kritiker und die Fachpresse liegen ihr zu Füßen. Ihr Tanzstil sei überirdisch, weich, weiblich. Zu Polinas Repertoire gehören fast alle großen Rollen: So stand die zierliche Russin schon als Giselle, als Aurora, als Dornröschen auf der Bühne und natürlich auch im berühmten Ballett Schwanensee.

Die gertenschlanke, dunkelhaarige Russin arbeitet hart für diesen Erfolg. Doch tanzen ist ihre Berufung, ihr Leben. Und so verbringt Polina fast den ganzen Tag im Theater: mit Ballettunterricht, Proben, Übungen.

Polina: "Ich wollte immer schon die Beste sein und dafür arbeite ich hart. Morgens stehe ich früh auf, esse nur ein wenig und dann gehe ich ins Theater. Nach der Erwärmung beginnen die Proben. Wenn ich ein bisschen freie Zeit habe, dann versuche ich auszuschlafen, zu essen und spazieren zu gehen. "

Und Berlin hat auch sonst für sie viel zu bieten.

Polina: "Hier ist das Leben anders. Die Menschen gehen anders miteinander um. Es nicht so gefährlich: Wenn Du am Abend durch Berlin gehst, musst Du keine Angst haben wie in Russland. Aber wenn ich lange nicht zu Hause gewesen bin, dann vermisse ich Russland und die russische Seele. "

Dieses Heimweh fängt Polina mit Tanzen auf oder sie trifft sich mit Freunden. Die Meisten von ihnen sind ebenfalls Tänzer aus Russland. Freunde sind sehr wichtig, um den Stress als Tänzerin zu verkraften, sagt die Semjonowa.

Polina: "Vor dem Auftritt bin ich oft sehr aufgeregt ist. Dann ist sehr wichtig, dass ich mit einem Freund sprechen kann, der mich beruhigt und der meinen Glauben stärkt, dass ich gut bin, dass ich es schaffe. Aber eigentlich hilft immer Schokolade. "

Schokolade für die Seele – nicht für die Figur. Polina wiegt kaum 50 Kilo, doch das liegt an den Genen wie sie mit einem schalkhaften Lächeln gesteht. Der Rest ist harte Arbeit, die sich lohnt.
Experten sagen der Ballerina eine Weltkarriere voraus. Mit der ihr eigenen Schüchternheit spricht Polina über ihre Zukunftsträume.

Polina: "Ich möchte "Romeo und Julia" tanzen. Dieses Ballett habe ich noch nie getanzt und ich würde es so gern tanzen. Irgendwann möchte ich an einem der berühmten Theater tanzen, vielleicht in Paris, London. Davon träumen doch alle Tänzer. Natürlich habe ich auch meine Träume, doch die bleiben erst einmal bei mir… "