"Ich will keine Kugel im Flipper sein"
Ihre ganze Familie ist aus New York, der Geburtsstadt und dem Wohnsitz von Nicole Krauss nach Berlin gekommen, als Gast der <em>American Academy</em>. Die Autorin wollte einfach mal dem New Yorker Alltag entkommen, um in Ruhe an ihrem dritten Roman zu arbeiten. Nach dem Studium der Literatur und Kunstgeschichte veröffentlichte Nicole Krauss allerdings erst einmal Gedichte.
Nicole Krauss: "Mir gefällt die Vorstellung, dass es im Leben eine gewisse Willenskraft gibt. Dagegen wäre es für mich ein deprimierende Vorstellung, dass ich nur eine Spielkugel im Flipper bin, die nach den Regeln des Glücks hin- und hergeschleudert wird."
Nicole Krauss denkt über eine der großen philosophischen Fragen nach: Ist der Mensch wirklich frei? Die US-amerikanische Schriftstellerin sitzt in der Bibliothek der American Academy in Berlin. Die 1974 geborene Krauss wirkt elegant mit den zurückgesteckten schwarzen Haaren und dem ebenso schwarzen Oberteil mit dezenten Rüschen auf der Schulter. Sie blickt ein wenig verträumt durch das Fenster. Auf dem Wannsee zieht ein Boot in weiter Entfernung seine Bahn.
Weit weg erscheint Nicole Krauss auch ihr erster Roman aus dem Jahr 2002, "Kommt ein Mann ins Zimmer". Erst jetzt liegt das Buch in deutscher Übersetzung vor. Darin verliert der Englischprofessor Samson Greene auf Grund eines Tumors den Großteil seines Gedächtnisses:
"Als ich Kommt ein Mann ins Zimmer geschrieben hatte, fragte ich mich, warum ich gerade diese Geschichte erzähle, über jemanden, der seine Vergangenheit verloren hat und ein neues Leben beginnen muss. Vielleicht, weil das die Geschichte meiner Großeltern ist. Sie waren alle Juden, außerdem in Europa geboren und mussten ihr altes Leben und ihre Familien zurücklassen und ein zweites Leben beginnen. Und das ohne Zugang zu ihrer Vergangenheit."
Ihre Großeltern überlebten den Holocaust, andere jüdische Verwandte nicht. So unbewusst diese Hommage an ihre jüdischen Großeltern in "Kommt ein Mann ins Zimmer" anfangs war, so eindeutig zeigte sie sich in ihrem zweiten Roman "Die Geschichte der Liebe".
Darin erzählt Krauss auf tragikomische Weise die Lebensgeschichte des polnischen Juden Leo Gursky. Gursky überlebt den Holocaust, doch das Manuskript zu seinem Roman "Die Geschichte der Liebe" scheint verschwunden zu sein. Letztendlich taucht es aber wieder auf, genauso wie die Kindheitsaufzeichnungen von Nicole Krauss:
"Ich war ein sehr phantasievolles Kind, das allein spielen wollte, obwohl ich einen fast gleichaltrigen Bruder hatte. Als Kind bediente ich imaginäre Kunden und besorgte ihnen im Geiste, was sie wollten. Ich habe noch immer meine Notizen zu diesem Spiel. Auf einem Zettel steht: ‚Werte Kundin, Ihr Tornado wird hiermit geliefert.’ Die Wörter ‚Tornado’ und ‚geliefert’ falsch geschrieben. Alles voller Rechtschreibfehler. Aber die Bedeutung ist klar: Sie hat einen Tornado bestellt."
Nicole Krauss muss unweigerlich lächeln, um dann wieder mit ihren braunen Augen nachdenklich ihr Gegenüber anzugucken. Vielleicht hätte sie diese Geschichte ihrer Kindheit gar nicht preisgeben sollen? Es komme ihr so vor, als ob sie diese Episode ihrer Kindheit wie ein Kleidungsstück an eine Wäscheleine aufgehängt hätte, für alle Menschen sichtbar. Und das, obwohl es doch eigentlich privat ist.
Genauso privat wie ihre Eltern, über die sie nur eines erzählt: dass sie mit ihnen in einem hochmodernen Haus in Long Island aufgewachsen ist, in dem alles, besonders die zu kleinen Bettnischen, unfunktionell war. Genauso wie ihre Eltern sind auch ihr Mann, der Schriftsteller Jonathan Safran Foer, und ihr einjährigen Sohn Sasha, Tabu in Interviews. Nur indirekt tauchen beide auf:
"Man kann Liebe nicht einfach so aus dem Nichts erschaffen. Leider. Aber wenn man sich dann in einer Beziehung befindet oder eine Familie hat oder schwere Zeiten mit jemandem durchmacht, den man liebt, dann wird der Wille wichtig. Es reicht einfach nicht, sich dem Gefühl hinzugeben. Am Anfang ja, aber dann muss man ein Leben daraus machen."
Die ganze Familie ist für drei Monate aus New York, der Geburtsstadt und dem Wohnsitz der heute 32-Jährigen, nach Berlin gekommen, als Gast der American Academy. Sie wollte einfach mal dem New Yorker Alltag entkommen, um in Ruhe an ihrem dritten Roman zu arbeiten. Nach dem Studium der Literatur und Kunstgeschichte veröffentlichte Nicole Krauss allerdings erst einmal Gedichte. Schon mit 13 Jahren entdeckte sie die Poesie für sich. Sie himmelte damals einen Jungen an:
"Ich hatte einen Freund, der Gedichte schrieb. Ich glaube, er hat mich damit sehr beeindruckt. Ein junger Mensch fängt doch oft dann mit dem Schreiben an, wenn er sich, meist von den Eltern, unverstanden fühlt. Und dann sucht man Zuflucht in dieser kleinen privaten Sache. Durch ein Stück Papier kommt man mit sich selbst ins Reine."
Erneut blickt sie verträumt auf den Wannsee. Das Schreiben von Romanen werde bei ihr wohl auf eine lebenslange Sucht hinauslaufen:
""So it looks like a kind of lifelong addiction.”"
Nicole Krauss denkt über eine der großen philosophischen Fragen nach: Ist der Mensch wirklich frei? Die US-amerikanische Schriftstellerin sitzt in der Bibliothek der American Academy in Berlin. Die 1974 geborene Krauss wirkt elegant mit den zurückgesteckten schwarzen Haaren und dem ebenso schwarzen Oberteil mit dezenten Rüschen auf der Schulter. Sie blickt ein wenig verträumt durch das Fenster. Auf dem Wannsee zieht ein Boot in weiter Entfernung seine Bahn.
Weit weg erscheint Nicole Krauss auch ihr erster Roman aus dem Jahr 2002, "Kommt ein Mann ins Zimmer". Erst jetzt liegt das Buch in deutscher Übersetzung vor. Darin verliert der Englischprofessor Samson Greene auf Grund eines Tumors den Großteil seines Gedächtnisses:
"Als ich Kommt ein Mann ins Zimmer geschrieben hatte, fragte ich mich, warum ich gerade diese Geschichte erzähle, über jemanden, der seine Vergangenheit verloren hat und ein neues Leben beginnen muss. Vielleicht, weil das die Geschichte meiner Großeltern ist. Sie waren alle Juden, außerdem in Europa geboren und mussten ihr altes Leben und ihre Familien zurücklassen und ein zweites Leben beginnen. Und das ohne Zugang zu ihrer Vergangenheit."
Ihre Großeltern überlebten den Holocaust, andere jüdische Verwandte nicht. So unbewusst diese Hommage an ihre jüdischen Großeltern in "Kommt ein Mann ins Zimmer" anfangs war, so eindeutig zeigte sie sich in ihrem zweiten Roman "Die Geschichte der Liebe".
Darin erzählt Krauss auf tragikomische Weise die Lebensgeschichte des polnischen Juden Leo Gursky. Gursky überlebt den Holocaust, doch das Manuskript zu seinem Roman "Die Geschichte der Liebe" scheint verschwunden zu sein. Letztendlich taucht es aber wieder auf, genauso wie die Kindheitsaufzeichnungen von Nicole Krauss:
"Ich war ein sehr phantasievolles Kind, das allein spielen wollte, obwohl ich einen fast gleichaltrigen Bruder hatte. Als Kind bediente ich imaginäre Kunden und besorgte ihnen im Geiste, was sie wollten. Ich habe noch immer meine Notizen zu diesem Spiel. Auf einem Zettel steht: ‚Werte Kundin, Ihr Tornado wird hiermit geliefert.’ Die Wörter ‚Tornado’ und ‚geliefert’ falsch geschrieben. Alles voller Rechtschreibfehler. Aber die Bedeutung ist klar: Sie hat einen Tornado bestellt."
Nicole Krauss muss unweigerlich lächeln, um dann wieder mit ihren braunen Augen nachdenklich ihr Gegenüber anzugucken. Vielleicht hätte sie diese Geschichte ihrer Kindheit gar nicht preisgeben sollen? Es komme ihr so vor, als ob sie diese Episode ihrer Kindheit wie ein Kleidungsstück an eine Wäscheleine aufgehängt hätte, für alle Menschen sichtbar. Und das, obwohl es doch eigentlich privat ist.
Genauso privat wie ihre Eltern, über die sie nur eines erzählt: dass sie mit ihnen in einem hochmodernen Haus in Long Island aufgewachsen ist, in dem alles, besonders die zu kleinen Bettnischen, unfunktionell war. Genauso wie ihre Eltern sind auch ihr Mann, der Schriftsteller Jonathan Safran Foer, und ihr einjährigen Sohn Sasha, Tabu in Interviews. Nur indirekt tauchen beide auf:
"Man kann Liebe nicht einfach so aus dem Nichts erschaffen. Leider. Aber wenn man sich dann in einer Beziehung befindet oder eine Familie hat oder schwere Zeiten mit jemandem durchmacht, den man liebt, dann wird der Wille wichtig. Es reicht einfach nicht, sich dem Gefühl hinzugeben. Am Anfang ja, aber dann muss man ein Leben daraus machen."
Die ganze Familie ist für drei Monate aus New York, der Geburtsstadt und dem Wohnsitz der heute 32-Jährigen, nach Berlin gekommen, als Gast der American Academy. Sie wollte einfach mal dem New Yorker Alltag entkommen, um in Ruhe an ihrem dritten Roman zu arbeiten. Nach dem Studium der Literatur und Kunstgeschichte veröffentlichte Nicole Krauss allerdings erst einmal Gedichte. Schon mit 13 Jahren entdeckte sie die Poesie für sich. Sie himmelte damals einen Jungen an:
"Ich hatte einen Freund, der Gedichte schrieb. Ich glaube, er hat mich damit sehr beeindruckt. Ein junger Mensch fängt doch oft dann mit dem Schreiben an, wenn er sich, meist von den Eltern, unverstanden fühlt. Und dann sucht man Zuflucht in dieser kleinen privaten Sache. Durch ein Stück Papier kommt man mit sich selbst ins Reine."
Erneut blickt sie verträumt auf den Wannsee. Das Schreiben von Romanen werde bei ihr wohl auf eine lebenslange Sucht hinauslaufen:
""So it looks like a kind of lifelong addiction.”"