"Ich vermute, er wäre noch im Amt"

01.03.2011
Der Geschäftsführer des Adolf-Grimme-Instituts, Uwe Kammann, glaubt, dass Karl-Theodor zu Guttenberg ohne den Druck aus dem Internet noch nicht zurückgetreten wäre.
"Ich vermute, er wäre noch im Amt", sagte Kammann. Die Aktionen im Netz hätten dazu beigetragen, dass das Thema nicht einfach wieder verschwunden sei. "Ich glaube tatsächlich, dass die Netzöffentlichkeit hier Wesentliches bewirkt hat. Sie hat ja erst ermöglicht, dass so schnell kontrolliert werden konnte, wie diese Doktorarbeit in ihren Grundzügen eigentlich entstanden ist." Kammann sprach von einer ´Schwarmkontrolle`: Für alle habe die gleichzeitige Möglichkeit bestanden, "diese Arbeit zu analysieren, zu zerlegen und damit die Belege zu liefern".

Der erste, wesentliche Schritt ist laut Kammann die Plattform ´GuttenPlag` gewesen. Wenn ein oder zwei Personen kraft ihrer wissenschaftlichen Erkenntnis auf plagiierte Stellen verwiesen hätten, hätte man dies vielleicht für ein gesteuertes Interesse oder eine Kampagne gehalten. "Da wäre sicherlich das Misstrauen sehr viel größer gewesen – während so der Prozess der Recherche nach den Plagiatsstellen transparent lief. Er war für alle einsichtig und alle konnten ja noch etwas dazu beitragen – und damit bekam es ein größeres Maß der Objektivierbarkeit." Hier sei ein Prozess vor aller Augen abgelaufen. Das habe ihm eine ganz besondere Qualität gegeben.

Eine besondere Rolle habe in den letzten Tagen aber auch der Massenprotest der akademischen Elite gespielt, sagte Kammann. Solche Stimmen besäßen in der öffentlichen Wahrnehmung ein anderes Gewicht – weshalb die Bedeutung des Vorgangs auch jenen Teilen der Öffentlichkeit, die vorher unentschieden gewesen seien, bewusst geworden sei. Damit sei auch die Position Angela Merkels, wonach man Charakterfehler bei fachlicher Kompetenz vernachlässigen könne, obsolet geworden. "Dass das eigentlich unhaltbar war, das ist durch diese Aktion der Wissenschaftler, glaube ich, dann sehr offenkundig geworden."

Sie können das vollständige Gespräch mindestens bis zum 2.8.2011 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören und die
schriftliche Fassung des ausführlichen Interviews nachlesen, das im Radiofeuilleton lief.
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