"Ich spiele, bis ich vom Hocker falle"

Martin Risel im Gespräch mit Sigrid Brinkmann · 23.12.2012
Der Wille zur Perfektion sei bei Oscar Peterson bis zum Schluss ungebrochen gewesen, sagt Musikredakteur Martin Risel zum fünften Todestag des Jazzpianisten. Revolutioniert habe Peterson den Jazz zwar nicht, sein Spielen sei aber über die Jahrzehnte zu einem eigenen Genre geworden.
Sigrid Brinkmann: Errols Garners unsterbliche Melodie "Misty”, hier gespielt von Itzhak Perlman und Oscar Peterson, an diesem Sonntag ist es fünf Jahre her,
dass einer der größten Jazzpianisten aller Zeiten gestorben ist. Unser Musikredakteur Martin Risel ist jetzt bei mir im Studio, um an Oscar Peterson zu erinnern, auch ganz persönlich. Guten Abend, Herr Riesel!

Martin Risel: Guten Abend!

Brinkmann: Sie hatten das Glück, ihn noch kurz vor seinem Tod zu sehen?

Risel: Ja, das war etwa zwei Jahre vor Petersons Tod im Rahmen seiner allerletzten Welttournee. Er hatte ja die Anzahl seiner Live-Auftritte seit seinem Schlaganfall 1993 wirklich stark reduziert und trotzdem damals gleich verkündet: "Ich spiele, bis ich vom Hocker falle". Hat er ja dann auch praktisch getan. Ich bin dann zu einem Konzert in die Hamburger Laeiszhalle gefahren und hab damals auch in "Fazit" darüber berichtet. Das war der Auftakt zu einer kleinen Tournee durch Deutschland, schließlich dann auch die letzten Konzerte, die er hier überhaupt gegeben hat. Und obwohl ich wirklich ein paar Größen in meinem Leben schon gesehen hab – an dieses Konzert erinnere ich mich irgendwie, als wär’s gestern gewesen.

Brinkmann: Hat das an der Musik gelegen oder an Oscar Petersons Erscheinung, seinem Auftritt?

Risel: Ja natürlich, zunächst mal auch seine Erscheinung. Er hatte gerade seinen 80. Geburtstag gefeiert und wollte auf seine alten Tage noch mal auf "Birthday Celebration Tour" gehen. Und als er auf die Bühne kommt, da wird er rechts und links gestützt von zwei Begleitern und an seinen Flügel gebracht. Also Oscar Peterson - diese wirklich riesige rundliche freundliche Erscheinung – und da gibt’s natürlich sofort stehende Ovationen im ganzen Konzertsaal. Man hat gleich dieses Gefühl, bei einem ganz besonderen Event dabei zu sein und vielleicht auch die letzte Gelegenheit zu haben, ihn zu erleben. So war es dann ja auch.

Brinkmann: Sie haben, Martin Risel, seinen Schlaganfall schon angesprochen, wie sehr hat der gesundheitliche Spuren hinterlassen?

Risel: Zunächst mal auffällig war diese Gebrechlichkeit beim Gehen, sicher auch Folge seiner 125 Kilo Körpermasse, die er rumgetragen hat. Dazu kam ja auch schon lange so eine schleichende Arthritis, die Hemdknöpfe konnte er schon lange nicht mehr alleine zumachen. Und beim Klavierspielen merkt man dann so ein bisschen, seine linke Hand lahmt seit dem Schlaganfall etwas hinterher hinter der rechten. Die ist noch ganz agil und die war ja immer bekannt für diese perlenden Pianoläufe, und die bringt er eben auch wirklich mit 80 noch, und diesen ganz sanften Anschlag, für den er auch bekannt war. Er spielt wirklich noch technisch brillant und vom Ausdruck her so Klänge malend, natürlich nicht mehr ganz dieses Tempo wie früher. Und trotzdem, "Der Wille zur Perfektion", so heißt ja eines der Kapitel in seiner umfangreichen Autobiografie "A jazz odyssee", die 2003 erschienen ist – und dieser Wille zur Perfektion, der war bis zum Schluss ungebrochen.

Das vollständige Gespräch mit Thomas Kuban können Sie bis zum 23.5.2013 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Angebot hören.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.