"Ich sehe keine Notwendigkeit einer Grundgesetzänderung"
Für die von der CDU geforderte Grundgesetzänderung zur Bekämpfung von Piraten besteht nach Ansicht von Vizeadmiral a.D. Hans Frank keine Notwendigkeit . Bei dringendem Handlungsbedarf könne die Erlaubnis des Bundestags nachträglich eingeholt werden, sagte Frank. Zudem müsse die Geiselbefreiung auf hoher See erst einmal trainiert werden.
Marcus Pindur: Die Piraten lachen sich ins Fäustchen: Statt gegen sie führen die deutschen Ministerien untereinander Krieg. Die Kanzlerin und der Innenminister wollen eine Grundgesetzänderung, und zwar wollen sie die Bundeswehr auch zur gewaltsamen Geiselbefreiung ermächtigen, so, wie es die aktuelle Lage vor der Küste von Somalia auch regelmäßig erfordert. Alles Unsinn, sagt die SPD, die Bundeswehr könne dies bereits jetzt im Rahmen der Nothilfe, sie habe aber gar keine Spezialtruppe zur Geiselbefreiung wie zum Beispiel die GSG9, die wiederum dem Innenministerium untersteht. Wer hat recht, was wäre sachgerecht? Das fragen wir jetzt den Vize-Admiral a.D. und ehemaligen Präsidenten der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Hans Frank. Guten Morgen, Herr Frank!
Hans Frank: Guten Morgen!
Pindur: Lassen Sie uns eins nach dem anderen sortieren. Zunächst einmal die Frage: Brauchen wir eine Grundgesetzänderung zur Befreiung entführter Schiffe durch Piraten?
Frank: Aus meiner Sicht nicht. Natürlich handelt es sich um einen Einsatz bewaffneter Kräfte. Diese unterliegen dann der Richtlinie des Bundesverfassungsgerichtes von 1994 und danach gibt es zwei Möglichkeiten: Zum einen kann der Einsatz der Spezialkräfte der Bundeswehr bereits in das Mandat eingebunden werden, so wie es seinerzeit auch in Afghanistan gewesen ist. Zum Zweiten gibt es aber den Fall des dringenden Handlungsbedarfes, der ja bei solcher Geiselbefreiung dann vorliegt. In diesem Falle kann die Regierung entscheiden und holt dafür die Genehmigung des Parlamentes nachträglich ein. Gerade diese Situation wird noch unterstützt durch das Parlamentsbeteiligungsgesetz von 2005, in dem speziell zu diesem Fall der nachträglichen Einholung der Genehmigung des Parlamentes gesagt wird: Es geht immer dann darum, wenn die Notwendigkeit besteht, Menschen aus besonderer Gefahrenlage zu retten, wenn durch die öffentliche Befassung des Bundestages das Leben der zu rettenden Menschen gefährdet werde, und das ist doch genau der Fall, der bei einer Geiselbefreiung eintreten würde. Ich sehe also keine Notwendigkeit einer Grundgesetzänderung.
Pindur: Sie sagen also, die Bundeswehr kann das machen. Aber sie müsste ja erst eine Truppe aufbauen, die das eben kann? Oder könnte das Kommando Spezialkräfte das zum Beispiel tun?
Frank: Bisher ist eine Geiselbefreiung auf See nicht unbedingt im Lastenheft des Kommando Spezialkräfte enthalten, aber soweit wir wissen, ist dieses auch bei der GSG9 nicht an der Tagesordnung, so etwas zu üben. Und wenn man sich vorstellt, worum es geht - es geht ja nicht um irgendwelche kleinen Boote, sondern es geht um große Fracht- oder Passagierdampfer, die unterschiedliche Größen haben, die unterschiedliche Konfigurationen haben -, das muss sehr langfristig trainiert werden, und von daher glaube ich, dass im Moment weder die GSG9 noch das Kommando Spezialkräfte dafür ausreichend vorbereitet wären.
Pindur: Es gibt ja auch einige Absurditäten bei der Piratenbekämpfung. Da wurden vor zwei Wochen Piraten von dem deutschen Kommandeur eines Kriegsschiffes festgesetzt, und dann wurden deren Waffen über Bord geworfen, weil man - nach einer Vorschrift angeblich - diese Waffen dort nicht aufheben darf. Die fehlen jetzt aber bei der Klage gegen diese Piraten. Die lachen sich eins ins Fäustchen und der Anwalt sagt, sie werden wahrscheinlich freikommen aufgrund dieser Situation. Kommt Ihnen diese Situation bekannt vor oder halten Sie das für eine Ausnahme?
Frank: Das ist sicherlich eine Ausnahme gewesen in dem Fall, wo es zum ersten Mal passiert ist und die Besatzung oder der Kommandant natürlich noch nicht eingehend genug hingewiesen war auf das, was zur Beweissicherung, wie es wohl polizeilich heißt, notwendig ist. Da sind solche Dinge natürlich passiert, aber inzwischen hat die Marine und hat die Bundeswehr natürlich auch gelernt und hat den Kommandanten klare Handlungsanweisungen gegeben, wie in solchen Fällen zu verfahren ist.
Pindur: Insgesamt stellt sich aber dennoch die Frage: Ist die Bundeswehr auf solche neuen Situationen ausreichend vorbereitet?
Frank: Ich denke schon, denn der ganze Transformationsprozess, wie es heißt, läuft ja schon seit einigen Jahren. Aber es ist natürlich ein langwieriger Prozess. Eine Armee, die eingestellt war auf einen Krieg im eigenen Lande mit einem konventionell überlegenen Gegner, die ganze Logistik, die ganzen Waffensysteme - alles war auf die Auseinandersetzung in Mitteleuropa eingestellt, und das musste sich alles in wenigen Jahren ändern. Man muss ja auch berücksichtigen, dass dafür auch das nötige Geld nicht nur Verfügung stand, denn wenn Sie bestimmte Waffen brauchen, wenn Sie bestimmte Übungsszenarien brauchen wie beispielsweise bei einer Geiselbefreiung, dann geht das nicht von heute auf morgen, dann müssen Sie investieren, Sie müssen trainieren, Sie brauchen Zeit dafür. Nein, ich glaube, die Bundeswehr ist auf einem richtigen Wege, auf einem guten Wege, aber in diesem speziellen Falle wie bei der Geiselbefreiung braucht sie sicherlich noch etwas Zeit.
Pindur: Zurück noch mal zum Ausgangspunkt. Wenn also die Frage weniger die einer neuen grundgesetzlichen Grundlage ist, sondern eher, wie man das Problem praktisch löst und vor allem welche Sicherheitskräfte dann diese Aufgabe übernehmen und dann ausreichend auch trainiert werden müssen - was vermuten Sie denn hinter dem Vorstoß von Bundesinnenminister Schäuble? Warum wird diese Debatte gerade jetzt geführt?
Frank: Wir kennen ja die Frage der Grundgesetzänderung schon seit längerer Zeit. Sogar die große Koalition hatte ja in ihrem Weißbuch von 2004 diese Grundgesetzänderung eigentlich schon fest auf ihrem Fahrplan, und wir erinnern uns auch, dass es auch eine Absprache gab im Koalitionsausschuss, diese Grundgesetzänderung vorzunehmen. Da ging es aber darum, die Befugnisse der Streitkräfte für den Fall von terroristischen Angriffen im eigenen Lande und in den eigenen Küstengewässern noch präziser zu beschreiben und festzulegen und damit auch der Bundeswehr die Möglichkeit zu geben, präventiv tätig zu werden, was sie zurzeit gemäß Artikel 35 des Grundgesetzes nicht kann. Sie kann nur nach Eintreten eines Falles angefordert werden. Aber die Frage geht ja um die Verhinderung von Angriffen von Terroristen und dieses soll gemacht werden, da hat nun in der letzten Zeit die SPD zurückgezuckt und dies scheint mir möglicherweise ein neuer Versuch zu sein, die Grundgesetzänderung noch einmal in die Tagesordnung zu bringen.
Hans Frank: Guten Morgen!
Pindur: Lassen Sie uns eins nach dem anderen sortieren. Zunächst einmal die Frage: Brauchen wir eine Grundgesetzänderung zur Befreiung entführter Schiffe durch Piraten?
Frank: Aus meiner Sicht nicht. Natürlich handelt es sich um einen Einsatz bewaffneter Kräfte. Diese unterliegen dann der Richtlinie des Bundesverfassungsgerichtes von 1994 und danach gibt es zwei Möglichkeiten: Zum einen kann der Einsatz der Spezialkräfte der Bundeswehr bereits in das Mandat eingebunden werden, so wie es seinerzeit auch in Afghanistan gewesen ist. Zum Zweiten gibt es aber den Fall des dringenden Handlungsbedarfes, der ja bei solcher Geiselbefreiung dann vorliegt. In diesem Falle kann die Regierung entscheiden und holt dafür die Genehmigung des Parlamentes nachträglich ein. Gerade diese Situation wird noch unterstützt durch das Parlamentsbeteiligungsgesetz von 2005, in dem speziell zu diesem Fall der nachträglichen Einholung der Genehmigung des Parlamentes gesagt wird: Es geht immer dann darum, wenn die Notwendigkeit besteht, Menschen aus besonderer Gefahrenlage zu retten, wenn durch die öffentliche Befassung des Bundestages das Leben der zu rettenden Menschen gefährdet werde, und das ist doch genau der Fall, der bei einer Geiselbefreiung eintreten würde. Ich sehe also keine Notwendigkeit einer Grundgesetzänderung.
Pindur: Sie sagen also, die Bundeswehr kann das machen. Aber sie müsste ja erst eine Truppe aufbauen, die das eben kann? Oder könnte das Kommando Spezialkräfte das zum Beispiel tun?
Frank: Bisher ist eine Geiselbefreiung auf See nicht unbedingt im Lastenheft des Kommando Spezialkräfte enthalten, aber soweit wir wissen, ist dieses auch bei der GSG9 nicht an der Tagesordnung, so etwas zu üben. Und wenn man sich vorstellt, worum es geht - es geht ja nicht um irgendwelche kleinen Boote, sondern es geht um große Fracht- oder Passagierdampfer, die unterschiedliche Größen haben, die unterschiedliche Konfigurationen haben -, das muss sehr langfristig trainiert werden, und von daher glaube ich, dass im Moment weder die GSG9 noch das Kommando Spezialkräfte dafür ausreichend vorbereitet wären.
Pindur: Es gibt ja auch einige Absurditäten bei der Piratenbekämpfung. Da wurden vor zwei Wochen Piraten von dem deutschen Kommandeur eines Kriegsschiffes festgesetzt, und dann wurden deren Waffen über Bord geworfen, weil man - nach einer Vorschrift angeblich - diese Waffen dort nicht aufheben darf. Die fehlen jetzt aber bei der Klage gegen diese Piraten. Die lachen sich eins ins Fäustchen und der Anwalt sagt, sie werden wahrscheinlich freikommen aufgrund dieser Situation. Kommt Ihnen diese Situation bekannt vor oder halten Sie das für eine Ausnahme?
Frank: Das ist sicherlich eine Ausnahme gewesen in dem Fall, wo es zum ersten Mal passiert ist und die Besatzung oder der Kommandant natürlich noch nicht eingehend genug hingewiesen war auf das, was zur Beweissicherung, wie es wohl polizeilich heißt, notwendig ist. Da sind solche Dinge natürlich passiert, aber inzwischen hat die Marine und hat die Bundeswehr natürlich auch gelernt und hat den Kommandanten klare Handlungsanweisungen gegeben, wie in solchen Fällen zu verfahren ist.
Pindur: Insgesamt stellt sich aber dennoch die Frage: Ist die Bundeswehr auf solche neuen Situationen ausreichend vorbereitet?
Frank: Ich denke schon, denn der ganze Transformationsprozess, wie es heißt, läuft ja schon seit einigen Jahren. Aber es ist natürlich ein langwieriger Prozess. Eine Armee, die eingestellt war auf einen Krieg im eigenen Lande mit einem konventionell überlegenen Gegner, die ganze Logistik, die ganzen Waffensysteme - alles war auf die Auseinandersetzung in Mitteleuropa eingestellt, und das musste sich alles in wenigen Jahren ändern. Man muss ja auch berücksichtigen, dass dafür auch das nötige Geld nicht nur Verfügung stand, denn wenn Sie bestimmte Waffen brauchen, wenn Sie bestimmte Übungsszenarien brauchen wie beispielsweise bei einer Geiselbefreiung, dann geht das nicht von heute auf morgen, dann müssen Sie investieren, Sie müssen trainieren, Sie brauchen Zeit dafür. Nein, ich glaube, die Bundeswehr ist auf einem richtigen Wege, auf einem guten Wege, aber in diesem speziellen Falle wie bei der Geiselbefreiung braucht sie sicherlich noch etwas Zeit.
Pindur: Zurück noch mal zum Ausgangspunkt. Wenn also die Frage weniger die einer neuen grundgesetzlichen Grundlage ist, sondern eher, wie man das Problem praktisch löst und vor allem welche Sicherheitskräfte dann diese Aufgabe übernehmen und dann ausreichend auch trainiert werden müssen - was vermuten Sie denn hinter dem Vorstoß von Bundesinnenminister Schäuble? Warum wird diese Debatte gerade jetzt geführt?
Frank: Wir kennen ja die Frage der Grundgesetzänderung schon seit längerer Zeit. Sogar die große Koalition hatte ja in ihrem Weißbuch von 2004 diese Grundgesetzänderung eigentlich schon fest auf ihrem Fahrplan, und wir erinnern uns auch, dass es auch eine Absprache gab im Koalitionsausschuss, diese Grundgesetzänderung vorzunehmen. Da ging es aber darum, die Befugnisse der Streitkräfte für den Fall von terroristischen Angriffen im eigenen Lande und in den eigenen Küstengewässern noch präziser zu beschreiben und festzulegen und damit auch der Bundeswehr die Möglichkeit zu geben, präventiv tätig zu werden, was sie zurzeit gemäß Artikel 35 des Grundgesetzes nicht kann. Sie kann nur nach Eintreten eines Falles angefordert werden. Aber die Frage geht ja um die Verhinderung von Angriffen von Terroristen und dieses soll gemacht werden, da hat nun in der letzten Zeit die SPD zurückgezuckt und dies scheint mir möglicherweise ein neuer Versuch zu sein, die Grundgesetzänderung noch einmal in die Tagesordnung zu bringen.