"Ich sehe dem Referendum mit Zuversicht entgegen"

Moderation: Leonie March |
Vor dem Referendum in Irland hat sich der Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, Günter Gloser (SPD), optimistisch gezeigt, dass die irische Bevölkerung dem EU-Reformvertrag zustimmt. In den letzten Jahren hätten sich die Regierungen, Repräsentanten und viele Parteien Irlands als überzeugte Europäer gezeigt, sagte Gloser.
Leonie March: Für die EU hängt viel von dieser Entscheidung ab, denn der Vertrag von Lissabon muss von allen Mitgliedslängern ratifiziert werden. Wie er die Lage einschätzt, darüber habe ich mit dem SPD-Politiker Günter Gloser gesprochen. Er ist Staatsminister im Auswärtigen Amt, und ich habe ihn zuerst gefragt, ob er dem Referendum mit Zuversicht oder mit Sorge entgegensieht.

Günter Gloser: Ich sehe dem Referendum mit Zuversicht entgegen, weil ich weiß, wie ja verschiedene Repräsentanten Irlands und Parteien der Regierung sich in den letzten Jahren und nicht nur jetzt in den letzten Wochen, Monaten sich doch als überzeugte Europäer gezeigt haben, dass sie mitgewirkt haben auch an verschiedenen Projekten der Europäischen Union bis hin natürlich auch zu dem Reformvertrag.

March: Aber in der Bevölkerung ist die Stimmung ja gespalten und viele sind auch noch unentschieden?

Gloser: Ja, das ist sicherlich ein Punkt. Und sowie es bei uns auch gilt, halt weniger darüber zu spekulieren, auch auf Umfragen. Natürlich ist das immer ein kleiner Seismograf, aber wichtig sind ja auch die Abstimmungen heute. Und ich glaube eben auch, dass viele der noch Unentschiedenen und der Unentschlossenen sicherlich auch in den letzten Tagen erreicht worden sind, zu einer Abstimmung zu gehen und dann auch positiv abzustimmen.

March: Nun ist es aber ja nicht auszuschließen, dass die Iren den Vertrag ablehnen. Welche Möglichkeiten hätte die EU denn dann?

Gloser: Bei allen vielen anderen Dingen auch, das kennen wir jetzt über die letzten Jahre auch: Es gibt wichtige Entscheidungen, es wird gefragt, wenn es denn negativ ausgeht. Bitte haben Sie einfach dafür Verständnis, dass man jetzt, wo eben heute eine wichtige Abstimmung stattfindet, nicht spekuliert, was wäre dann, wenn Fall A, Fall B oder Fall C ist. Sondern jetzt haben die irischen Bürgerinnen und Bürger das Wort. Sie können abstimmen über den Reformvertrag, und dann werden wir das Ergebnis abwarten.

March: Aber trotzdem müsste man sich ja im Vorfeld Gedanken darüber machen, was man in diesem Fall zu tun hat?

Gloser: Ich glaube, es ist wie bei anderen Fällen. Es war bei unserer EU-Präsidentschaft genauso. Schaffen wir es, in unserer Präsidentschaft doch aus dieser Verfassungskrise herauszukommen? Haben sie denn für den Fall des Scheiterns einen Plan B oder Plan C? Ich glaube, es war wichtig, dass wir damals auch gesagt haben, jetzt arbeiten wir auf das Ziel hin, wir wollen das erreichen. Und dann ist auch ein Plan B oder Plan C obsolet.

March: Nun hat ja Irland wie kaum ein anderes Land wirtschaftlich von der EU stark profitiert. Trotzdem ist es den Gegnern des neuen Vertrages relativ leicht gefallen, die Skepsis in der Bevölkerung zu schüren. Ist das ein grundsätzlicheres Problem der EU?

Gloser: Wir haben sicherlich in vielen Bereichen die Schwierigkeit, europapolitische Themen und das Positive, was erreicht worden ist, auch richtig zu kommunizieren. Und gelegentlich ist das, und das ist ja auch bei uns der Fall, dass vieles, was sich plötzlich ereignet, oft sehr einfach, sehr bequem auf Europa geschoben wird. Wenn es bestimmte Dinge gibt, die sich nicht so entwickeln, wie man es vielleicht gerne hätte. Und dann sucht man gerne den Schwarzen Peter bei Brüsseler Entscheidungen. Und das ist gelegentlich bei manchen Diskussionen in Deutschland zu sehen, aber auch in benachbarten Ländern.

March: Aber wo liegt denn die Schwierigkeit, Europas Vorteile in den Vordergrund zu stellen, auch für die Bürger?

Gloser: Eigentlich gibt es keine Schwierigkeit, sondern wir haben es vielleicht auch in den vielen letzten Jahren versäumt, auch so etwas wie eine europäische Öffentlichkeit zu schaffen. Wenn Sie teilweise unsere Diskussion sehen, wir haben eine breite Öffentlichkeit, was Debatten im Bundestag angeht. Wir haben aber noch nicht die Öffentlichkeit für europapolitische Entscheidungen, die im Europäischen Parlament beispielsweise auch getroffen werden. Das ist ein wichtiger Punkt.

Und ein Punkt ist ja genau zielführend in diesem Reformvertrag, dass nämlich die Europäische Union auch transparenter, durchsichtiger wird, dass die Parlamentarier auch viel früher die Möglichkeit haben, auf Gesetzesvorhaben Einfluss zu nehmen, Einwirkung zu haben, um es dann mit auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen, was kann man auch verändern. Und ich glaube, das muss auch als Instrument genutzt werden. Deshalb ist ja auch dieser Reformvertrag von Lissabon so wichtig.

March: Das heißt, mit diesem neuen Vertrag kommt dann ganz automatisch auch eine bessere Kommunikation?

Gloser: Das heißt, man kann nicht per Knopfdruck sagen, und ab 01.01. läuft es besser. Dazu sind wir aufgerufen, wir, die in der Politik in Parlamenten, in Regierungen Verantwortung tragen. Aber ich sage auch ganz bewusst, wie in anderen Fällen auch etwas über Medien kommuniziert wird, wir brauchen auch die Medien, die beispielsweise eben ein Gesetzesvorhaben letztendlich auch erklären, welche Möglichkeiten auch vorhanden sind, in einem nationalen Parlament, in einem Europaparlament Einfluss zu nehmen. Der Vertrag bietet aber weitaus mehr Möglichkeiten, dies zu tun, als es heute der Fall ist.

March: Sie haben das eben schon angesprochen, Herr Gloser. In vielen Ländern gibt es ja die Angst, die nationale Identität zu verlieren. Müssen die Regierungen dieser Angst noch entschiedener entgegentreten?

Gloser: Die erste Aufgabe, eine Pflicht für Politik, für Politiker ist sozusagen, dies nicht selbst zu bekräftigen, dass ein Verlust der nationalen Identität in Gefahr steht. Sondern wir haben die Aufgabe zu sagen, was können wir als Mitgliedsstaat? Was bleibt auch? Was aber auch wichtig ist, nicht allein im Mitgliedsstaat zu lösen. Nehmen Sie die Fälle Klima, Umwelt, Energiepartnerschaften, Energiesicherheit. Das sind doch Themen, die heute ein Mitgliedsstaat allein nicht mehr lösen kann. Viele der ganz herausragenden Themen können wir nur im Verbund machen, können die 27 Mitgliedsstaaten machen.

Dieser europäische Mehrwert muss den Bürgerinnen und Bürgern deutlich gemacht werden. Und dann gibt es Bereiche, wo ich klar sage, das sind Aufgaben, die sollen auch am besten in einem Mitgliedsstaat selbst erledigt werden oder in einer Kommune oder wie bei uns in Deutschland in einem Bundesland. Deshalb haben wir ja auch Wert darauf gelegt, rechtzeitig Einfluss zu nehmen, zu sagen, diese Regelung wäre besser, wenn es von dem nationalen Gesetzgeber gemacht würde, als es unbedingt auf der europäischen Ebene ist. Ich glaube, das ist eine ganz wichtige Aufgabe für uns auch in den nächsten Wochen und Monaten.

March: Und da sehen Sie auch Handlungsbedarf in Deutschland?

Gloser: Wir haben es beispielsweise bei uns geschafft, während unserer Präsidentschaft doch deutlich herauszuarbeiten, was der Mehrwert der Europäischen Union ist, Klimapolitik, internationale Außen- und Sicherheitspolitik. Es nützt nix, die Sehnsucht zu haben in den ganz kleinen eigenen Schrebergarten, wenn ganz große Herausforderungen vor uns stehen, die wir nur gemeinsam lösen können. Und das muss man halt mehrfach täglich immer wiederholen. Und ich glaube, deshalb ist es auch wichtig, dass die Stimme Irlands weiterhin in der europäischen Union auch Gewicht hat, dass deren Möglichkeiten vorhanden sind, auf diese europäische Politik auch weiterhin Einfluss zu nehmen.

March: Und wäre ein positives Votum jetzt beim Referendum deshalb vielleicht auch ein Schub für die gesamte EU?

Gloser: Ja sicherlich. Der Schub kommt ja auch daher, dass in 15 Mitgliedsstaaten bereits eine Zustimmung vorliegt zu diesem europäischen Reformvertrag, dass andere ihn noch in den nächsten Monaten abstimmen. Und insofern haben wir alle, alle 27, unsere Hausaufgaben in den Mitgliedsstaaten zu machen, weil wir uns noch am 25. März letzen Jahres in Berlin sozusagen versprochen haben, die Wahlen zum Europäischen Parlament 2009 sollen auf einer anderen vertraglichen Grundlage stattfinden, nämlich auch als Zeichen der Stärkung für das Europäische Parlament.