"Ich schreibe nie über mein Leben"
Sein Buch "Wenn es ein Paradies gibt" über das Ende des ersten Libanon-Kriegs stand in Israel ein Jahr lang auf der Bestsellerliste. Der 31-jährige Ron Leshem sagt von sich, er sei wohlbehütet in der Nähe von Tel Aviv in einer Blase aufgewachsen – bis ihn sein Chefredakteur in den Gazastreifen schickte.
Ron Leshem: "Ich habe nie gekämpft, nie eine Uniform getragen. Schreiben ist für mich ein Werkzeug, um das Leben anderer Menschen zu führen: Menschen, die sehr verschieden von mir sind. Ich schreibe nie über mein Leben, meinen Alltag als Journalist oder als Fernsehmacher, oder das Leben in Tel Aviv. Das finde ich zu langweilig."
Ron Leshem, ein schlanker Mann mit extrem kurzen, glatt anliegenden schwarzen Haaren, leichten Augenringen und vollen Lippen, gestikuliert stark, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Immer wieder spreizt der 31-jährige israelische Journalist und Schriftsteller die Finger seiner Hände stark ab. Schnell merkt man: "Wenn es ein Paradies gibt", sein Roman über das Ende des ersten Libanon-Kriegs, ist für ihn viel mehr als nur ein Buch. Es markiert geradezu den Beginn eines neuen Lebens:
"Ich stamme aus einer Wohngegend bei Tel Aviv, einer intakten Wohngegend. Meine Mutter ist Rechtsanwältin, mein Vater leitet ein Privatklinik-Unternehmen. Ich bin in einer Art Blase aufgewachsen. Geistig habe ich sie lange einfach nicht verlassen. Aber auch räumlich: Ich war damals nie im Gazastreifen. Meine Familie reiste nach Europa, aber den Schritt vor die eigene Haustür machten wir nicht. "
Weder als Soldat noch als Journalist hatte Ron Leshem den Nahostkonflikt erfahren bzw. an sich herangelassen. Und das, obwohl sein Onkel im 1. Israelischen Krieg gestorben war. Aber schließlich platzte die Blase, in der Ron Leshem wohl behütet, vor sich hingelebt hatte:
" "Als sich Israel im Jahr 2000 aus dem Libanon zurückzog, war ich ein Nachrichtenjournalist. Dann brach die 2. Intifada aus. Damals sagte mein Chefredakteur: 'Du bist ein Nachrichtenredakteur, verstehst aber nicht, wie Nachrichten entstehen', und schickte mich in den Gazastreifen. Dort sprach ich fünf Tage lang mit israelischen Soldaten über die dortigen Kämpfe. Sie aber sagten immer wieder: 'Du weißt überhaupt nicht, was uns im Libanon passiert ist.'"
"Sie waren so wütend auf mich, weil ich keine Ahnung hatte und nichts dagegen unternommen hatte, dass sie dort monatelang, abgeschnitten von der Welt, ihr Dasein fristeten. Sie erzählten mir ihre Geschichten und ich wurde immer wütender auf mich selbst. Aber es geht nicht nur um mich. Wir Israelis reden nicht wirklich miteinander, wir lieben uns nicht. Wenn wir die Armen und Schwachen aufs Schlachtfeld schicken, tun wir das, ohne das ausreichend in Frage zu stellen."
Die Gespräche mit den Soldaten, die Erzählungen von ihrer Stationierung in Beaufort im Süden Libanons, ließen den Journalisten nicht mehr los. Er wusste, er wollte, er musste diese Geschichte erzählen. Die Geschichte von 18-jährigen Soldaten, eigentlich noch Kindern, die im letzten israelischen Stützpunkt im Libanon ausharren und der Absurdität des Krieges ausgesetzt sind, die schließlich, traumatisiert, zurück nach Israel dürfen.
"Ich habe ein Problem: Ich möchte optimistisch schreiben, aber letztlich kommt etwas Trauriges dabei heraus. Ich dachte, ich hätte mit dem Roman eine optimistische Geschichte geschrieben: Zivile Personen, eine Gruppe von Müttern, die keine Ahnung von militärischer Strategie hatten, veranlassten durch ihr Engagement die Armee zum Rückzug. Das ist doch positiv. Aber mir haben Leute gesagt, das Buch sei sehr traurig und finster."
Regelrecht gehasst habe er seinen Lektor, erzählt der 1976 geborene Ron Leshem schmunzelnd, als der von ihm einen neuen, Hoffnung gebenden Schluss einforderte. Auch wenn er diesen optimistischen Schluss nun selbst sehr mag - Ron Leshems Grundhaltung bleibt pessimistisch. Auch bei der Frage, ob der Nahostkonflikt in absehbarer Zeit gelöst wird. Ron Leshem zupft am Ärmel seines schwarzen Rollkragenpullovers und blickt dann sein Gegenüber an:
"Ich bin mir ziemlich sicher: Es wird keine Lösung geben. Aber seit einigen Monaten bin ich auf den Seiten von Facebook, einem sozialen Netzwerk wie Myspace, registriert und chatte mit jungen Menschen aus Teheran und Damaskus. Wir tauschen Bilder aus, sprechen über den Alltag, aber nicht über Politik. Wenn jeder der 300.000 bei Facebook registrierten Israelis mit einem Menschen im Iran spräche, würde das viel verändern. Plötzlich stellt man fest, dass sie ganz anders sind, als man dachte, oder als man zu denken erzogen wurde."
Ron Leshem: Wenn es ein Paradies gibt. Roman.
Aus dem Hebräischen von Markus Lemke. 348 Seiten. 19,90 Euro.
Ron Leshem, ein schlanker Mann mit extrem kurzen, glatt anliegenden schwarzen Haaren, leichten Augenringen und vollen Lippen, gestikuliert stark, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Immer wieder spreizt der 31-jährige israelische Journalist und Schriftsteller die Finger seiner Hände stark ab. Schnell merkt man: "Wenn es ein Paradies gibt", sein Roman über das Ende des ersten Libanon-Kriegs, ist für ihn viel mehr als nur ein Buch. Es markiert geradezu den Beginn eines neuen Lebens:
"Ich stamme aus einer Wohngegend bei Tel Aviv, einer intakten Wohngegend. Meine Mutter ist Rechtsanwältin, mein Vater leitet ein Privatklinik-Unternehmen. Ich bin in einer Art Blase aufgewachsen. Geistig habe ich sie lange einfach nicht verlassen. Aber auch räumlich: Ich war damals nie im Gazastreifen. Meine Familie reiste nach Europa, aber den Schritt vor die eigene Haustür machten wir nicht. "
Weder als Soldat noch als Journalist hatte Ron Leshem den Nahostkonflikt erfahren bzw. an sich herangelassen. Und das, obwohl sein Onkel im 1. Israelischen Krieg gestorben war. Aber schließlich platzte die Blase, in der Ron Leshem wohl behütet, vor sich hingelebt hatte:
" "Als sich Israel im Jahr 2000 aus dem Libanon zurückzog, war ich ein Nachrichtenjournalist. Dann brach die 2. Intifada aus. Damals sagte mein Chefredakteur: 'Du bist ein Nachrichtenredakteur, verstehst aber nicht, wie Nachrichten entstehen', und schickte mich in den Gazastreifen. Dort sprach ich fünf Tage lang mit israelischen Soldaten über die dortigen Kämpfe. Sie aber sagten immer wieder: 'Du weißt überhaupt nicht, was uns im Libanon passiert ist.'"
"Sie waren so wütend auf mich, weil ich keine Ahnung hatte und nichts dagegen unternommen hatte, dass sie dort monatelang, abgeschnitten von der Welt, ihr Dasein fristeten. Sie erzählten mir ihre Geschichten und ich wurde immer wütender auf mich selbst. Aber es geht nicht nur um mich. Wir Israelis reden nicht wirklich miteinander, wir lieben uns nicht. Wenn wir die Armen und Schwachen aufs Schlachtfeld schicken, tun wir das, ohne das ausreichend in Frage zu stellen."
Die Gespräche mit den Soldaten, die Erzählungen von ihrer Stationierung in Beaufort im Süden Libanons, ließen den Journalisten nicht mehr los. Er wusste, er wollte, er musste diese Geschichte erzählen. Die Geschichte von 18-jährigen Soldaten, eigentlich noch Kindern, die im letzten israelischen Stützpunkt im Libanon ausharren und der Absurdität des Krieges ausgesetzt sind, die schließlich, traumatisiert, zurück nach Israel dürfen.
"Ich habe ein Problem: Ich möchte optimistisch schreiben, aber letztlich kommt etwas Trauriges dabei heraus. Ich dachte, ich hätte mit dem Roman eine optimistische Geschichte geschrieben: Zivile Personen, eine Gruppe von Müttern, die keine Ahnung von militärischer Strategie hatten, veranlassten durch ihr Engagement die Armee zum Rückzug. Das ist doch positiv. Aber mir haben Leute gesagt, das Buch sei sehr traurig und finster."
Regelrecht gehasst habe er seinen Lektor, erzählt der 1976 geborene Ron Leshem schmunzelnd, als der von ihm einen neuen, Hoffnung gebenden Schluss einforderte. Auch wenn er diesen optimistischen Schluss nun selbst sehr mag - Ron Leshems Grundhaltung bleibt pessimistisch. Auch bei der Frage, ob der Nahostkonflikt in absehbarer Zeit gelöst wird. Ron Leshem zupft am Ärmel seines schwarzen Rollkragenpullovers und blickt dann sein Gegenüber an:
"Ich bin mir ziemlich sicher: Es wird keine Lösung geben. Aber seit einigen Monaten bin ich auf den Seiten von Facebook, einem sozialen Netzwerk wie Myspace, registriert und chatte mit jungen Menschen aus Teheran und Damaskus. Wir tauschen Bilder aus, sprechen über den Alltag, aber nicht über Politik. Wenn jeder der 300.000 bei Facebook registrierten Israelis mit einem Menschen im Iran spräche, würde das viel verändern. Plötzlich stellt man fest, dass sie ganz anders sind, als man dachte, oder als man zu denken erzogen wurde."
Ron Leshem: Wenn es ein Paradies gibt. Roman.
Aus dem Hebräischen von Markus Lemke. 348 Seiten. 19,90 Euro.