"Ich möchte nicht, dass diese Koalition scheitert"
Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Wolfgang Bosbach geht davon aus, dass die Großen Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode bestehen bleibt. Ein Scheitern sei nicht wünschenswert. Die Ankündigung der SPD-Vizevorsitzenden Andrea Nahles, die "Schonfrist" für Bundeskanzlerin Merkel sei vorbei, bezeichnete der CDU-Politiker im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur als Drohung.
Wiese: Wir kommen noch einmal auf unser heutiges Top-Thema in der "Ortszeit" zurück, auf den gestrigen Rücktritt Franz Münteferings. Am Telefon ist jetzt der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Wolfgang Bosbach. Schönen guten Morgen!
Bosbach: Guten Morgen!
Wiese: Herr Bosbach, Müntefering hat gestern harte Kritik an der Kanzlerin geübt. In Sachen Postmindestlohn zeigte er sich sogar sehr enttäuscht und immer wieder war bei ihm zumindest zwischen den Zeilen von Wortbruch die Rede. Steht die Koalition vor schweren Zeiten?
Bosbach: Das kommt darauf an. Wenn die SPD glaubt, dass sie die Strategie der letzten Monate fortfahren könnte, ja, denn die Strategie bedeutet gleichzeitig Regieren und Opponieren. Also, wir sind in der Koalition. Wir stellen die Hälfte der Bundesminister, aber wir erledigen gleichzeitig das Geschäft der Opposition mit. Das geht natürlich nicht! Da muss sich die SPD entscheiden, ob sie regieren oder opponieren will. In der Sache selber sind die Vorwürfe beim Thema Postmindestlohn völlig ungerechtfertigt, denn wir bleiben ja bei dem, was verabredet worden ist. Wenn allerdings der Postmindestlohn auf dem Wege der Einbeziehung in das Entsendegesetz geltendes Recht werden soll, dann müssen auch die Voraussetzungen des Entsendegesetzes vorliegen. Hier spielt das Thema Allgemeinverbindlichkeitserklärung des Tarifvertrages eine große Rolle. Dann müssen die Voraussetzungen vorliegen. Die Voraussetzungen lagen und liegen nicht vor. Deswegen kann der Postmindestlohn so wie sich das die SPD vorgestellt hat nicht kommen.
Wiese: Aber genau da, Herr Bosbach, setzen doch die Vorwürfe an. Die SPD sagt, das mit den Mindestvoraussetzungen sei zum Beispiel bei der Klausur in Meseberg, auch beim Koalitionsausschuss vor gut einer Woche überhaupt nicht besprochen worden. Das sei jetzt eine Hilfskonstruktion der Union, um das ganze zum Kippen zu bringen.
Bosbach: Das ist schlicht falsch. Es ging immer um das Entsendegesetz, um die Einbeziehung bestimmter Berufsgruppen nach Maßgabe des Entsendegesetzes. Das ist verabredet worden. Dann müssen aber auch die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, und die gesetzlichen Voraussetzungen haben nicht vorgelegen, was Sie schon daran erkennen mögen, dass es am Ende um eine so genannte Protokollnotiz geht, aus der ja gerade hervorging, dass der Tarifvertrag offensichtlich doch nicht die Bindungswirkung hat wie behauptet. Man kann aber Protokollnotizen zu Tarifverträgen nicht für allgemein verbindlich erklären. Gerade die Tatsache, dass diese Urkunde als Beweismittel vorgelegt wurde, beweist ja, dass die Voraussetzungen tatsächlich weder am Sonntag vorgelegen haben noch zurzeit vorliegen.
Wiese: Das hört sich gerade so an, als ob sie in der Großen Koalition einen Prozess gegeneinander führten.
Bosbach: Es geht um die Frage, wer sagt hier die Unwahrheit, wer betreibt Wortbruch. Wir werfen doch der SPD keinen Wortbruch vor. Die SPD wirft uns doch Wortbruch vor. Dann muss man natürlich die Gelegenheit haben, auch diesen Vorwurf zu widerlegen, und er ist in der Sache falsch. Die SPD hat eine Haltung eingenommen, die mit der Gesetzeslage nicht in Übereinklang steht.
Wiese: Aber wieso ist Ihnen das klar und die SPD bestreitet das?
Bosbach: Da muss man natürlich einmal die Kolleginnen und Kollegen von der SPD fragen. Wenn Sie sich einmal die Lage ansehen, dann geht es hier offensichtlich um ein Versprechen, was abgegeben worden ist, dass noch in dieser Woche der Postmindestlohn käme. Dann darf man ein solches Versprechen auf einem Parteitag oder an anderer Stelle nicht abgeben.
Im Kern geht es doch gar nicht um den Postmindestlohn. Im Kern geht es den Befürwortern darum, dass das Postmonopol für die exklusive Beförderung von Briefen bis 50 Gramm am 31. Dezember ausläuft. Daran wird nicht mehr gerüttelt. Und jetzt wird versucht, mit Hilfe des Postmindestlohnes dieses Monopol der Deutschen Bundespost über den 1. Januar 2008 hinaus zu verlängern. Im Übrigen wird dies - das ist meine feste Überzeugung -, wenn es so käme mit dem Mindestlohn in Deutschland, viele tausend Arbeitsplätze kosten.
Wiese: Herr Bosbach, wir hatten vorhin hier bei uns in der "Ortszeit" die stellvertretende SPD-Vorsitzende Andrea Nahles im Interview. Die zeigte sich sehr unzufrieden mit der aktuellen Politik der Großen Koalition und sagte, das Ende der Schonzeit für Frau Merkel sei gekommen. Das ist ja nun eine glatte Drohung?
Bosbach: Ja das ist eine Drohung, so wie die Politik, die Frau Nahles vertritt, eher für das Land Drohung als Verheißung ist. Das schließt nahtlos an dem an, was ich gerade gesagt habe. Man kann nicht gleichzeitig regieren und opponieren. Da muss man sich entscheiden. Und welchen Grund hätte denn Frau Nahles, auf die Bundeskanzlerin Angela Merkel loszugehen? Mit welcher Begründung? Sie ist nicht nur eine beliebte, sie ist auch eine erfolgreiche Bundeskanzlerin. Frau Nahles sollte mal daran denken, dass ihr Vorgänger Gerhard Schröder mit seiner Basta-Politik krachend gescheitert ist. Es wird ja heute kaum noch darüber gesprochen, dass wir vorgezogene Neuwahlen hatten, dass Rot-Grün politisch kapituliert hat, dass unser Land in einer ganz, ganz schweren Lage war. Insofern ist die Union und ist Angela Merkel die Feuerwehr und auf die Feuerwehr schießt man nicht.
Wiese: Vielleicht ist da auch ein wenig Psychologie vonnöten, um mit der SPD umzugehen. Man hat manchmal so den Eindruck, die Union führt die SPD am Nasenring.
Bosbach: Zunächst ist immer etwas anderes behauptet worden. In der ersten Zeit der Großen Koalition ist ständig behauptet worden, es gäbe die Sozialdemokratisierung der Union und die Koalition würde deutlich die Handschrift der SPD tragen. In der nächsten Zeit war es dann genau anders herum. Die Union würde auf einmal die SPD beherrschen und die Koalition würde von der Union dominiert. Kann es nicht einfach so sein, dass die sachpolitischen Entscheidungen, die in den letzten Jahren getroffen wurden richtig waren, vernünftig waren, notwendig, nicht immer populär, das gebe ich gerne zu , aber in der Sache richtig und dass dies eher der Union zugute kommt als der SPD. Das liegt allerdings daran, dass die SPD nicht der Versuchung widerstehen kann, auch Opposition zu sein, und das kommt bei der Bevölkerung nicht gut an. Man kann nicht gleichzeitig Regierung und Opposition sein.
Wiese: Auch an Sie die Frage, Herr Bosbach. Wird diese Koalition das reguläre Ende der Legislaturperiode noch erleben?
Bosbach: Davon gehe ich aus. Ich möchte auch gar nicht, dass diese Koalition scheitert. Ich habe sie nicht angestrebt. Die Sozialdemokraten wollten nicht mit uns koalieren und wir nicht mit der SPD. Es kam so wie es kommen musste angesichts des Wahlergebnisses. Jetzt müssen wir aus einer schwierigen Lage das Beste machen. Es wäre auch nicht gut für das Land, wenn die Große Koalition jetzt scheitern würde, denn ich ahne was dann käme, nämlich eine Art Dauerwahlkampf. Wir müssen auch der Versuchung widerstehen, jetzt zwei Jahre lang Wahlkampf zu machen, denn in Wahlkampfzeiten ist es immer so, dass die Differenzen zwischen den Parteien stärker betont werden als die Gemeinsamkeiten. Mit dem Dauerwahlkampf würden wir den Leuten auf die Nerven gehen und wir würden kein einziges Problem lösen und davon haben wir noch eine ganze Reihe, auch wenn es in Deutschland aufwärts geht.
Wiese: Danke schön, Herr Bosbach. Auf Wiederhören!
Bosbach: Ich danke Ihnen.
Bosbach: Guten Morgen!
Wiese: Herr Bosbach, Müntefering hat gestern harte Kritik an der Kanzlerin geübt. In Sachen Postmindestlohn zeigte er sich sogar sehr enttäuscht und immer wieder war bei ihm zumindest zwischen den Zeilen von Wortbruch die Rede. Steht die Koalition vor schweren Zeiten?
Bosbach: Das kommt darauf an. Wenn die SPD glaubt, dass sie die Strategie der letzten Monate fortfahren könnte, ja, denn die Strategie bedeutet gleichzeitig Regieren und Opponieren. Also, wir sind in der Koalition. Wir stellen die Hälfte der Bundesminister, aber wir erledigen gleichzeitig das Geschäft der Opposition mit. Das geht natürlich nicht! Da muss sich die SPD entscheiden, ob sie regieren oder opponieren will. In der Sache selber sind die Vorwürfe beim Thema Postmindestlohn völlig ungerechtfertigt, denn wir bleiben ja bei dem, was verabredet worden ist. Wenn allerdings der Postmindestlohn auf dem Wege der Einbeziehung in das Entsendegesetz geltendes Recht werden soll, dann müssen auch die Voraussetzungen des Entsendegesetzes vorliegen. Hier spielt das Thema Allgemeinverbindlichkeitserklärung des Tarifvertrages eine große Rolle. Dann müssen die Voraussetzungen vorliegen. Die Voraussetzungen lagen und liegen nicht vor. Deswegen kann der Postmindestlohn so wie sich das die SPD vorgestellt hat nicht kommen.
Wiese: Aber genau da, Herr Bosbach, setzen doch die Vorwürfe an. Die SPD sagt, das mit den Mindestvoraussetzungen sei zum Beispiel bei der Klausur in Meseberg, auch beim Koalitionsausschuss vor gut einer Woche überhaupt nicht besprochen worden. Das sei jetzt eine Hilfskonstruktion der Union, um das ganze zum Kippen zu bringen.
Bosbach: Das ist schlicht falsch. Es ging immer um das Entsendegesetz, um die Einbeziehung bestimmter Berufsgruppen nach Maßgabe des Entsendegesetzes. Das ist verabredet worden. Dann müssen aber auch die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, und die gesetzlichen Voraussetzungen haben nicht vorgelegen, was Sie schon daran erkennen mögen, dass es am Ende um eine so genannte Protokollnotiz geht, aus der ja gerade hervorging, dass der Tarifvertrag offensichtlich doch nicht die Bindungswirkung hat wie behauptet. Man kann aber Protokollnotizen zu Tarifverträgen nicht für allgemein verbindlich erklären. Gerade die Tatsache, dass diese Urkunde als Beweismittel vorgelegt wurde, beweist ja, dass die Voraussetzungen tatsächlich weder am Sonntag vorgelegen haben noch zurzeit vorliegen.
Wiese: Das hört sich gerade so an, als ob sie in der Großen Koalition einen Prozess gegeneinander führten.
Bosbach: Es geht um die Frage, wer sagt hier die Unwahrheit, wer betreibt Wortbruch. Wir werfen doch der SPD keinen Wortbruch vor. Die SPD wirft uns doch Wortbruch vor. Dann muss man natürlich die Gelegenheit haben, auch diesen Vorwurf zu widerlegen, und er ist in der Sache falsch. Die SPD hat eine Haltung eingenommen, die mit der Gesetzeslage nicht in Übereinklang steht.
Wiese: Aber wieso ist Ihnen das klar und die SPD bestreitet das?
Bosbach: Da muss man natürlich einmal die Kolleginnen und Kollegen von der SPD fragen. Wenn Sie sich einmal die Lage ansehen, dann geht es hier offensichtlich um ein Versprechen, was abgegeben worden ist, dass noch in dieser Woche der Postmindestlohn käme. Dann darf man ein solches Versprechen auf einem Parteitag oder an anderer Stelle nicht abgeben.
Im Kern geht es doch gar nicht um den Postmindestlohn. Im Kern geht es den Befürwortern darum, dass das Postmonopol für die exklusive Beförderung von Briefen bis 50 Gramm am 31. Dezember ausläuft. Daran wird nicht mehr gerüttelt. Und jetzt wird versucht, mit Hilfe des Postmindestlohnes dieses Monopol der Deutschen Bundespost über den 1. Januar 2008 hinaus zu verlängern. Im Übrigen wird dies - das ist meine feste Überzeugung -, wenn es so käme mit dem Mindestlohn in Deutschland, viele tausend Arbeitsplätze kosten.
Wiese: Herr Bosbach, wir hatten vorhin hier bei uns in der "Ortszeit" die stellvertretende SPD-Vorsitzende Andrea Nahles im Interview. Die zeigte sich sehr unzufrieden mit der aktuellen Politik der Großen Koalition und sagte, das Ende der Schonzeit für Frau Merkel sei gekommen. Das ist ja nun eine glatte Drohung?
Bosbach: Ja das ist eine Drohung, so wie die Politik, die Frau Nahles vertritt, eher für das Land Drohung als Verheißung ist. Das schließt nahtlos an dem an, was ich gerade gesagt habe. Man kann nicht gleichzeitig regieren und opponieren. Da muss man sich entscheiden. Und welchen Grund hätte denn Frau Nahles, auf die Bundeskanzlerin Angela Merkel loszugehen? Mit welcher Begründung? Sie ist nicht nur eine beliebte, sie ist auch eine erfolgreiche Bundeskanzlerin. Frau Nahles sollte mal daran denken, dass ihr Vorgänger Gerhard Schröder mit seiner Basta-Politik krachend gescheitert ist. Es wird ja heute kaum noch darüber gesprochen, dass wir vorgezogene Neuwahlen hatten, dass Rot-Grün politisch kapituliert hat, dass unser Land in einer ganz, ganz schweren Lage war. Insofern ist die Union und ist Angela Merkel die Feuerwehr und auf die Feuerwehr schießt man nicht.
Wiese: Vielleicht ist da auch ein wenig Psychologie vonnöten, um mit der SPD umzugehen. Man hat manchmal so den Eindruck, die Union führt die SPD am Nasenring.
Bosbach: Zunächst ist immer etwas anderes behauptet worden. In der ersten Zeit der Großen Koalition ist ständig behauptet worden, es gäbe die Sozialdemokratisierung der Union und die Koalition würde deutlich die Handschrift der SPD tragen. In der nächsten Zeit war es dann genau anders herum. Die Union würde auf einmal die SPD beherrschen und die Koalition würde von der Union dominiert. Kann es nicht einfach so sein, dass die sachpolitischen Entscheidungen, die in den letzten Jahren getroffen wurden richtig waren, vernünftig waren, notwendig, nicht immer populär, das gebe ich gerne zu , aber in der Sache richtig und dass dies eher der Union zugute kommt als der SPD. Das liegt allerdings daran, dass die SPD nicht der Versuchung widerstehen kann, auch Opposition zu sein, und das kommt bei der Bevölkerung nicht gut an. Man kann nicht gleichzeitig Regierung und Opposition sein.
Wiese: Auch an Sie die Frage, Herr Bosbach. Wird diese Koalition das reguläre Ende der Legislaturperiode noch erleben?
Bosbach: Davon gehe ich aus. Ich möchte auch gar nicht, dass diese Koalition scheitert. Ich habe sie nicht angestrebt. Die Sozialdemokraten wollten nicht mit uns koalieren und wir nicht mit der SPD. Es kam so wie es kommen musste angesichts des Wahlergebnisses. Jetzt müssen wir aus einer schwierigen Lage das Beste machen. Es wäre auch nicht gut für das Land, wenn die Große Koalition jetzt scheitern würde, denn ich ahne was dann käme, nämlich eine Art Dauerwahlkampf. Wir müssen auch der Versuchung widerstehen, jetzt zwei Jahre lang Wahlkampf zu machen, denn in Wahlkampfzeiten ist es immer so, dass die Differenzen zwischen den Parteien stärker betont werden als die Gemeinsamkeiten. Mit dem Dauerwahlkampf würden wir den Leuten auf die Nerven gehen und wir würden kein einziges Problem lösen und davon haben wir noch eine ganze Reihe, auch wenn es in Deutschland aufwärts geht.
Wiese: Danke schön, Herr Bosbach. Auf Wiederhören!
Bosbach: Ich danke Ihnen.