Jüdischer Friedhof in Arizona

Neuer Glanz für alte Gräber

07:50 Minuten
Abendliche Ansicht der alten Bergbaustadt Bisbee in Arizona, eingebettet von karg bewachsenen Hügeln.
Bisbee ist eine alte Minenstadt nahe der Grenze zu Mexiko, gegründet 1880, nachdem dort zahlreiche Kupfer-, Gold- und Silbervorkommen entdeckt wurden. © imago images / Walter Bibikow / Walter Bibikow via www.imago-ima
Von Rebecca Hillauer · 11.11.2022
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Im Südosten des US-Staates Arizona, nahe der mexikanischen Grenze, liegt ein alter jüdischer Friedhof. Vor wenigen Jahren war er vermüllt und verfallen. Dank bürgerlichen Engagements erstrahlt er mittlerweile in neuem Glanz.
Arizona, 300 Meter von der mexikanischen Grenze entfernt. Auf dem jüdischen Friedhof von Bisbee-Douglas. Eine Gruppe von Studenten ist damit beschäftigt, mit Spitzhacke und Rechen Steine, Gestrüpp und Unkraut zusammenzutragen.
Abe Villarreal ist der Initiator der Aufräumaktion. Als die Stadt Douglas 1904 gegründet wurde, gab es hier auch einen jüdischen Friedhof“, sagt der Dekan der Universität der Grenzstadt Douglas.

Restauration notwendig

Er erklärt, was es mit dem jüdischen Friedhof auf sich hat: Der letzte Tote wurde hier 1963 beerdigt. Seitdem war der Ort ziemlich verlassen und sah sehr schäbig aus. Aber in den letzten paar Jahren haben wir dank der Zusammenarbeit verschiedener Partner einen schönen Zaun bekommen, ein Tor, eine Sicherheitskamera und ein Wassersystem. Gräber und Grabsteine wurden renoviert, damit sie der Nachwelt erhalten bleiben können. Wir sind euch wirklich sehr dankbar, dass ihr uns heute helft.“
Offiziell ist der Friedhof im Besitz der "Landon Rosen-Stiftung". Der jüdische Anwalt und Philanthrop Richard Rosen hat sie zu Ehren seines Sohnes Landon gegründet, der im Alter von 20 Jahren ertrank. Die beiden hatten den Friedhof einst gemeinsam besucht.
Rosen und der Rancher Jorge Ilitzky aus Mexiko, der drei Verwandte auf dem Friedhof liegen hat, legten den finanziellen Grundstein für dessen Renovierung.

21 Tote auf dem jüdischen Friedhof

Die Jüdische Vereinigung von Südarizona und das Museum für Jüdische Geschichte in der 100 Kilometer entfernten Stadt Tucson sammelten Spenden.
Abe Villarreal hat alles von Anfang an miterlebt. „Nach der letzten Beerdigung 1963 nutzten mit der Zeit Jugendliche den Friedhof als Treffpunkt für Partys. Wenn man hierher kam, fand man Bierflaschen und andere Anzeichen dafür, dass Jugendliche hier herumhingen", erinnert er sich. "Leider bedeutete das auch, dass es Vandalismus gab: Grabsteine standen nicht immer an ihrem richtigen Platz, manche waren umgeworfen. Man fand sogar Grabsteine in den Vorgärten von Leuten. Sie haben sie dann zurückgebracht.“
Insgesamt 21 Menschen sind auf dem Friedhof begraben. Sie lebten entweder in der nahen Grenzstadt Douglas oder im 30 Kilometer entfernten Bisbee. Das Doppelgrab der Familie Ilitzky ist das größte und liegt in der Mitte.

Ehrenamtliche helfen bei der Pflege

Die Studentinnen und Studenten, die an diesem Tag den Friedhof säubern, tun dies alle ehrenamtlich. Niemand von ihnen ist jüdisch.
Das sei ja auch egal, solange es für einen guten Zweck sei, meint Humberto. Er ist 15 und schon das zweite Mal dabei. Wenn ich einmal sterbe, möchte ich, dass sich jemand um mein Grab kümmert", sagt er. "Deshalb mache ich das für andere Menschen, auch wenn ich keine Beziehung zu ihnen habe – ich hoffe einfach, dass später jemand mein Grab pflegen wird.“
Yvette ist dagegen zum ersten Mal bei der Aufräumaktion dabei. „Ich wusste bis vor Kurzem überhaupt nicht, dass es in Douglas einen jüdischen Friedhof gibt. Ich habe gelesen, dass er einer von zwei jüdischen Friedhöfen in Arizona ist.“
Der jüdische Friedhof von Bisbee-Douglas gilt auch als einer der ältesten Friedhöfe des Bundesstaates.
Abe Villarreal lässt sich bei den Aufräumaktionen nicht nehmen, den Studenten Nachhilfeunterricht in jüdischer Geschichte zu geben.
Offenbar sieht auch die Landesregierung eine Notwendigkeit dafür: „Sie haben in diesem Jahr ein Gesetz verabschiedet, wonach öffentliche Schulen verpflichtet sind, einen Abschnitt über die Geschichte des Holocaust zu unterrichten. Antisemitismus hat in letzter Zeit im ganzen Land und in der Welt zugenommen und unsere Gesetzgeber wollen dem auf diese Weise wohl entgegenwirken.“

Geschichten der jüdischen Pioniersfamilien

Neben dem Eingangstor zum Friedhof steht ein Stein mit einer Gedenktafel. Hier stehen die Namen der Menschen, die auf dem Friedhof bestattet sind. Auch diejenigen Namen, die auf den Grabsteinen schon verwittert sind.
Abe Villarreal und die Historikerin Cindy Hayostek haben die Familiengeschichten erforscht im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Mitarbeit bei der Historischen Gesellschaft von Douglas. Sie unterhält in einem 150 Jahre alten Haus ein Heimatmuseum.
Cindy Hayostek sitzt dort neben einer Vitrine. Sie deutet auf die Schwarz-Weiß-Fotos hinter dem Glas – von Frauen und Männern: die jüdischen Pioniere von Douglas.

Einige Hundert Juden um 1920 in Douglas

So hat die Historikerin auch ihre Broschüre betitelt, in der sie deren Geschichten aufschrieb. Kaufleute, Anwälte, Geschäftsleute, Psychiater oder Künstler seien sie gewesen, sagt Hayostek.
Sie schätzt die Zahl der Juden in der Stadt zur Zeit des Ersten Weltkriegs auf einige Hundert: Die meisten waren Kaufleute. In den frühen 1920er-Jahren wurden 65 Prozent der Geschäfte im Einkaufsviertel von Juden geführt oder waren in ihrem Besitz."
"Das Kaufhaus der Gebrüder Levy war einer der Orte zum Einkaufen", fährt sie fort. Ein weiterer Bruder sei nach Hollywood gegangen und der Agent von Frank Sinatra und Doris Day geworden. "Er stieg auch ins frühe Fernsehen ein und machte eine der ersten Nachrichtensendungen. Ich wohnte neben ihnen und kannte sie sehr gut.“

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Cindy Hayostek blättert in ihrer Broschüre. „Faszinierend“, sagt sie immer wieder, wenn sie über die Verstorbenen erzählt.
Einer sei Senator und später Botschafter in Großbritannien geworden; ein anderer habe als Militärpolizist einen Kriegsverbrecher in Japan bewacht; einer kämpfte demnach in einer berühmten Schlacht in der Türkei; zwei Familien seien, wie heute viele Migranten, über Mexiko in die Vereinigten Staaten gekommen, erzählt die Historikerin.
Und dann sind da noch die Blumenthals. Maurice Blumenthal wurde ebenfalls Anwalt, aber sein Hobby war das Komponieren und Liedtexten. Von ihm stammt die Musik für die Staatshymne von Arizona.“

Nach dem Monsun geht es weiter

In Douglas leben heute keine Juden mehr, eine Synagoge hat es in der Stadt nie gegeben. Die meisten Familien haben sich in alle Winde verstreut, einige Nachfahren leben noch in der Nähe, diesseits oder jenseits der Grenze.
Auf dem Friedhof packen die Studenten ihre Hacken und Rechen zusammen.
Abe Villarreal will über die Historische Gesellschaft von Douglas Gelder für den Unterhalt des Friedhofs sichern. Bis dahin soll es weitere ehrenamtliche Aufräumaktionen geben. Die nächste, meint er, nach der Regenzeit im Oktober.
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