"Ich halte Wasserhövel für den besseren Kandidaten"
Ludwig Stiegler, Mitglied des SPD-Partei-Vorstandes, hat vor einer Demontage des Parteivorsitzenden Franz Müntefering durch eine Kampfabstimmung über den neuen Generalsekretär gewarnt. Es gelte das unausgesprochene Gesetz, dass der Generalsekretär das Vertrauen des Vorsitzenden haben müsse, sagte Stiegler.
Sagenschneider: [...] Geschäftsführer Kajo Wasserhövel oder die Parteilinke Andrea Nahles. Darüber soll heute im Vorstand der SPD abgestimmt werden, damit im Bundesparteitag Mitte November in Karlsruhe nur ein Kandidat beziehungsweise eine Kandidatin präsentiert werden muss. Was aber, wenn Münteferings Favorit durchfällt? Auch darüber wollen wir nun hier im Deutschlandradio Kultur mit Ludwig Stiegler sprechen, er ist Stellvertretender Fraktionschef der SPD im Bundestag. Guten Morgen, Herr Stiegler!
Stiegler: Guten Morgen! Aber hier bin ich nicht als Fraktionsvize gefragt, sondern als Landesvorsitzender und als Parteivorstandsmitglied.
Sagenschneider: Das natürlich auch. Sie hatten schon gesagt, Herr Stiegler, von einer Kampfkandidatur halten sie nicht viel. Warum eigentlich?
Stiegler: Weil man die Delegierten nicht in die Situation bringen soll, dass sie quasi im ersten Wahlgang den Vorsitzenden wählen und dann im zweiten Wahlgang praktisch noch mal herausgefordert sind mit der Frage, ob man jetzt dem Vorsitzenden jemand wählt, den er will, weil man ja ungeschrieben... das ungeschriebene Gesetz hat, der Generalsekretär muss das Vertrauen des Vorsitzenden haben, oder ob man ihn gleich wieder demontiert. Also das wäre eine unangenehme Situation, was auch die Delegierten wirklich in erheblich Schwierigkeiten bringen würde.
Sagenschneider: Aber jetzt wird den Delegierten ja dann quasi nur ein Kandidat beziehungsweise eine Kandidatin präsentiert.
Stiegler: Ja. Wenn das hier bei... die Verabredung beim Parteivorstand hält, dann werden wir eine Situation haben, in der ja wieder die Normalität einkehrt, sagen wir mal, beim Generalsekretär, wir sind ja sonst... in vielen Gremien haben wir ja mehrere zur Auswahl, aber beim Generalsekretär kommt es eben darauf an, dass er ja quasi als Alter ego des Vorsitzenden oder der Vorsitzenden gelten kann.
Sagenschneider: Würden Sie denn, Herr Stiegler, einen Tipp wagen, wie das Rennen heute ausgeht?
Stiegler: Ich kenne noch nicht die Präsenzen, ich gehe davon aus, dass der Parteivorstand dem Vorsitzenden nicht zumuten wird, mit jemand als General zusammenzuarbeiten, den er nun ausdrücklich nicht will, das kann ich mir kaum vorstellen. Gerade jetzt in schwierigen Koalitionsverhandlungen muss man den Vorsitzenden stützen und stärken und nicht hier ihm Schwierigkeiten macht.
Sagenschneider: Aber es könnte schon knapp werden, oder? Im Vorfeld dieses Jahr von den 45 Stimmen im Vorstand hätte Frau Nahles schon 20 auf ihrer Seite.
Stiegler: Ja, aber es wird bei solchen Dingen so viel gezählt und erzählt, wie dann eine geheime Wahl ausschaut ist meistens etwas anderes. Also: Hier muss man sehr, sehr vorsichtig sein. Es wird ja auch eine Diskussionsrunde, eine Argumentationsrunde geben, und ich denke, die Vorstandmitglieder werden schon sehen, was sie da tun.
Sagenschneider: Halten Sie denn Herrn Wasserhövel für den besseren Kandidaten?
Stiegler: Ich halte ihn in der jetzigen Situation für den besseren Kandidaten, weil er eine ganz seltene Kombination von politischen mit administrativen Fähigkeiten darstellt, die wirklich in der SPD so häufig nicht ist. Er wird ja, weil er nicht in der Öffentlichkeit stand, als weniger politisch beschrieben in den Zeitungen. Die Leute haben, die das tun, haben keine Ahnung, was der in dem Willensbildungsprozess und in der Konzeption von Politik alles geleistet hat. Und ich erlebe ihn als Landesvorsitzender in den Gremien bei Partei... bei Konzepten für Parteientwicklung, für die Mitgliederwerbung genauso wie für die Programmdiskussion. Also das ist schon ein seltenes Talent, was wir da bei uns haben und das hätte ich ganz gerne und ich gehöre zu denen, die sagen, wir brauchen einen General, der sich ganz überwiegend mit der Partei befasst und nur zu einem Bruchteil mit den Dingen, die ein General eben auch machen muss, die ganzen Diskussionsrunden oder ähnliches. Aber die SPD braucht in dieser wirklich schwierigen Phase, wo sie in einer großen Koalition die Alltagsarbeit, die anstrengende Alltagsarbeit machen muss und dabei ihre weiterreichenden Perspektiven nicht vergessen kann, schon eine wirkliche Zuwendung und Betreuung durch einen General, der sich eben ausschließlich um die Partei kümmert.
Sagenschneider: Nun klingt aber die Argumentation derjenigen, die Frau Nahles unterstützen, ja auch nicht ganz verkehrt, denn die sagen: sie als Generalsekretärin könnte den linken Flügel der Partei sicher besser integrieren, was ja vor allem in Zeiten einer großen Koalition nicht unwichtig wäre und Frau Nahles gilt ja schon als Integrationsfigur.
Stiegler: Die... das ist unbestritten! Nur sage ich, der linke Flügel hat gerade die letzten sieben Jahre bewiesen, dass er verantwortungsfähig ist und dass er Verantwortung tragen kann. Und ich denke, wir können uns es nicht so einfach machen zu sagen, der Vorsitzende ist für den rechten Flügel oder für die Mitte und irgendjemand anders für den linken Flügel. Diese Integrationsaufgabe ist Aufgabe des gesamten Vorstandes und des Präsidiums. Wir wissen, dass wir zwei starke Flügel haben, aber in der Mitte muss eben dann auch ein Zentrum stehen, das die Dinge eben koordiniert und das uns die Orientierung auch erarbeitet. Und deswegen sollte man gerade in einer großen Koalition weniger mit Flügelein aufwarten, sondern mit der Aufgabe der normalen Regierungsarbeiten und mit einer gemeinsamen Perspektivenaufgabe, was die programmatische Erneuerung und was die Orientierung an den veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen darstellt.
Sagenschneider: Was ist, Herr Stiegler, wenn Sie sich mit Ihrem Tipp irren und Münteferings Kandidat unterliegt?
Stiegler: Was-wäre-wenn-Fragen beantworte ich nicht...
Sagenschneider: Aber das sind immer die schönsten Fragen, Herr Stiegler!
Stiegler: Eben! Aber in Bayern sagt man immer, wenn der Hund nicht hät, hät er den Hasen erwischt und so. Das mache ich nicht. Ich bin da einer, der geht auf ein Ziel los, und fragt nicht, was wäre wenn.
Sagenschneider: Aber man muss ja fragen, Herr Stiegler, worauf dieser Protest innerhalb der Partei hindeutet. Und dieser Protest war ja deutlich zu vernehmen. Ist es auch eine Kritik an Herrn Münteferings Führungsstil, an den einsamen Entscheidungen, die er so fällt?
Stiegler: Nein, ich glaube, wir haben ja eine latente Generationentragik, die hier eine Rolle spielt, wo man sagt, jetzt oder nie. Ich halte sie an dieser Stelle für falsch gestellt, Andrea Nahles hätte zum Beispiel in der Fraktion unglaublich viele Aufgaben, die sie übernehmen könnte, also es geht da gar nicht darum, dieses Multitalent der SPD irgendwo jetzt... oder von irgendwas fernzuhalten, sondern ich habe… wir sitzen ja nebeneinander in der großen Verhandlungsrunde, und ich sage, es gibt in der Fraktion Aufgaben genug, die jemanden aus dieser Generation unglaublich viel Möglichkeiten geben...
Sagenschneider: Schon klar, aber es war die Frage, ob Franz Müntefering selber mehr kommunizieren müsste!
Stiegler: Der kommuniziert schon und im Präsidium kommunizieren die auch. Er ist halt nicht so... ja redselig wie manche anderen auch. Aber ich glaube, er hat die letzten Wochen eine eben wirklich eine Leistung hingelegt, um die uns die CDU und andere beneiden. Man muss ja mal sehen, wie wir dastanden nach der Wahl, dann das Ringen um die Kanzlerschaft, die dann... das dann nicht gelungen ist, und dann mit der Kabinettsbildung und mit der Aufstellung für die große Koalition, schauen Sie sich mal an in welchem zerzausten Zustand CDU und CSU da stehen und in welcher Festlichkeit die SPD da steht. Das ist eine enorme Führungsleistung, die Franz Müntefering da hingelegt hat. Und ich denke da... die kann man bewundern, die muss man nicht kritisieren.
Sagenschneider: Herr Stiegler, ich danke Ihnen! Der SPD-Politiker im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur.
Stiegler: Guten Morgen! Aber hier bin ich nicht als Fraktionsvize gefragt, sondern als Landesvorsitzender und als Parteivorstandsmitglied.
Sagenschneider: Das natürlich auch. Sie hatten schon gesagt, Herr Stiegler, von einer Kampfkandidatur halten sie nicht viel. Warum eigentlich?
Stiegler: Weil man die Delegierten nicht in die Situation bringen soll, dass sie quasi im ersten Wahlgang den Vorsitzenden wählen und dann im zweiten Wahlgang praktisch noch mal herausgefordert sind mit der Frage, ob man jetzt dem Vorsitzenden jemand wählt, den er will, weil man ja ungeschrieben... das ungeschriebene Gesetz hat, der Generalsekretär muss das Vertrauen des Vorsitzenden haben, oder ob man ihn gleich wieder demontiert. Also das wäre eine unangenehme Situation, was auch die Delegierten wirklich in erheblich Schwierigkeiten bringen würde.
Sagenschneider: Aber jetzt wird den Delegierten ja dann quasi nur ein Kandidat beziehungsweise eine Kandidatin präsentiert.
Stiegler: Ja. Wenn das hier bei... die Verabredung beim Parteivorstand hält, dann werden wir eine Situation haben, in der ja wieder die Normalität einkehrt, sagen wir mal, beim Generalsekretär, wir sind ja sonst... in vielen Gremien haben wir ja mehrere zur Auswahl, aber beim Generalsekretär kommt es eben darauf an, dass er ja quasi als Alter ego des Vorsitzenden oder der Vorsitzenden gelten kann.
Sagenschneider: Würden Sie denn, Herr Stiegler, einen Tipp wagen, wie das Rennen heute ausgeht?
Stiegler: Ich kenne noch nicht die Präsenzen, ich gehe davon aus, dass der Parteivorstand dem Vorsitzenden nicht zumuten wird, mit jemand als General zusammenzuarbeiten, den er nun ausdrücklich nicht will, das kann ich mir kaum vorstellen. Gerade jetzt in schwierigen Koalitionsverhandlungen muss man den Vorsitzenden stützen und stärken und nicht hier ihm Schwierigkeiten macht.
Sagenschneider: Aber es könnte schon knapp werden, oder? Im Vorfeld dieses Jahr von den 45 Stimmen im Vorstand hätte Frau Nahles schon 20 auf ihrer Seite.
Stiegler: Ja, aber es wird bei solchen Dingen so viel gezählt und erzählt, wie dann eine geheime Wahl ausschaut ist meistens etwas anderes. Also: Hier muss man sehr, sehr vorsichtig sein. Es wird ja auch eine Diskussionsrunde, eine Argumentationsrunde geben, und ich denke, die Vorstandmitglieder werden schon sehen, was sie da tun.
Sagenschneider: Halten Sie denn Herrn Wasserhövel für den besseren Kandidaten?
Stiegler: Ich halte ihn in der jetzigen Situation für den besseren Kandidaten, weil er eine ganz seltene Kombination von politischen mit administrativen Fähigkeiten darstellt, die wirklich in der SPD so häufig nicht ist. Er wird ja, weil er nicht in der Öffentlichkeit stand, als weniger politisch beschrieben in den Zeitungen. Die Leute haben, die das tun, haben keine Ahnung, was der in dem Willensbildungsprozess und in der Konzeption von Politik alles geleistet hat. Und ich erlebe ihn als Landesvorsitzender in den Gremien bei Partei... bei Konzepten für Parteientwicklung, für die Mitgliederwerbung genauso wie für die Programmdiskussion. Also das ist schon ein seltenes Talent, was wir da bei uns haben und das hätte ich ganz gerne und ich gehöre zu denen, die sagen, wir brauchen einen General, der sich ganz überwiegend mit der Partei befasst und nur zu einem Bruchteil mit den Dingen, die ein General eben auch machen muss, die ganzen Diskussionsrunden oder ähnliches. Aber die SPD braucht in dieser wirklich schwierigen Phase, wo sie in einer großen Koalition die Alltagsarbeit, die anstrengende Alltagsarbeit machen muss und dabei ihre weiterreichenden Perspektiven nicht vergessen kann, schon eine wirkliche Zuwendung und Betreuung durch einen General, der sich eben ausschließlich um die Partei kümmert.
Sagenschneider: Nun klingt aber die Argumentation derjenigen, die Frau Nahles unterstützen, ja auch nicht ganz verkehrt, denn die sagen: sie als Generalsekretärin könnte den linken Flügel der Partei sicher besser integrieren, was ja vor allem in Zeiten einer großen Koalition nicht unwichtig wäre und Frau Nahles gilt ja schon als Integrationsfigur.
Stiegler: Die... das ist unbestritten! Nur sage ich, der linke Flügel hat gerade die letzten sieben Jahre bewiesen, dass er verantwortungsfähig ist und dass er Verantwortung tragen kann. Und ich denke, wir können uns es nicht so einfach machen zu sagen, der Vorsitzende ist für den rechten Flügel oder für die Mitte und irgendjemand anders für den linken Flügel. Diese Integrationsaufgabe ist Aufgabe des gesamten Vorstandes und des Präsidiums. Wir wissen, dass wir zwei starke Flügel haben, aber in der Mitte muss eben dann auch ein Zentrum stehen, das die Dinge eben koordiniert und das uns die Orientierung auch erarbeitet. Und deswegen sollte man gerade in einer großen Koalition weniger mit Flügelein aufwarten, sondern mit der Aufgabe der normalen Regierungsarbeiten und mit einer gemeinsamen Perspektivenaufgabe, was die programmatische Erneuerung und was die Orientierung an den veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen darstellt.
Sagenschneider: Was ist, Herr Stiegler, wenn Sie sich mit Ihrem Tipp irren und Münteferings Kandidat unterliegt?
Stiegler: Was-wäre-wenn-Fragen beantworte ich nicht...
Sagenschneider: Aber das sind immer die schönsten Fragen, Herr Stiegler!
Stiegler: Eben! Aber in Bayern sagt man immer, wenn der Hund nicht hät, hät er den Hasen erwischt und so. Das mache ich nicht. Ich bin da einer, der geht auf ein Ziel los, und fragt nicht, was wäre wenn.
Sagenschneider: Aber man muss ja fragen, Herr Stiegler, worauf dieser Protest innerhalb der Partei hindeutet. Und dieser Protest war ja deutlich zu vernehmen. Ist es auch eine Kritik an Herrn Münteferings Führungsstil, an den einsamen Entscheidungen, die er so fällt?
Stiegler: Nein, ich glaube, wir haben ja eine latente Generationentragik, die hier eine Rolle spielt, wo man sagt, jetzt oder nie. Ich halte sie an dieser Stelle für falsch gestellt, Andrea Nahles hätte zum Beispiel in der Fraktion unglaublich viele Aufgaben, die sie übernehmen könnte, also es geht da gar nicht darum, dieses Multitalent der SPD irgendwo jetzt... oder von irgendwas fernzuhalten, sondern ich habe… wir sitzen ja nebeneinander in der großen Verhandlungsrunde, und ich sage, es gibt in der Fraktion Aufgaben genug, die jemanden aus dieser Generation unglaublich viel Möglichkeiten geben...
Sagenschneider: Schon klar, aber es war die Frage, ob Franz Müntefering selber mehr kommunizieren müsste!
Stiegler: Der kommuniziert schon und im Präsidium kommunizieren die auch. Er ist halt nicht so... ja redselig wie manche anderen auch. Aber ich glaube, er hat die letzten Wochen eine eben wirklich eine Leistung hingelegt, um die uns die CDU und andere beneiden. Man muss ja mal sehen, wie wir dastanden nach der Wahl, dann das Ringen um die Kanzlerschaft, die dann... das dann nicht gelungen ist, und dann mit der Kabinettsbildung und mit der Aufstellung für die große Koalition, schauen Sie sich mal an in welchem zerzausten Zustand CDU und CSU da stehen und in welcher Festlichkeit die SPD da steht. Das ist eine enorme Führungsleistung, die Franz Müntefering da hingelegt hat. Und ich denke da... die kann man bewundern, die muss man nicht kritisieren.
Sagenschneider: Herr Stiegler, ich danke Ihnen! Der SPD-Politiker im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur.