"Ich habe überhaupt kein Mitleid mit der deutschen Elf"
"Zauberfußball" sei das Endspiel zwischen Spanien und Italien gewesen, sagt der österreichische Kabarettist Werner Schneyder. Er habe zwar kein Mitleid mit der deutschen Elf, halte die harsche Kritik wegen der Niederlage gegen Italien aber für ungerecht. In den Urteilen der Presse seien Top-Mannschaften immer "entweder Genies oder Stümper".
Jan-Christoph Kitzler: Jetzt ist es so langsam aber auch mal gut mit Fußball. Die Fans der deutschen Mannschaft hatten ja schon seit dem vergangenen Donnerstag nichts mehr zu lachen, seit dem Ausscheiden gegen Italien im Halbfinale. Trotzdem war das ein Turnier, das viele Menschen begeistert hat. Es gab zum Beispiel wieder Rekordeinschaltquoten im deutschen Fernsehen und die Fanmeile in Berlin, die war schon in der Vorrunde überfüllt, musste geschlossen werden. Bevor wir gleich Bilanz ziehen, des Turniers der Euro 2012, noch mal ein paar der schönsten Momente dieses Riesenspektakels.
It's all over" - große Emotionen bei der Fußball-EM in Polen und der Ukraine. - Jetzt wollen wir noch mal die ultimative Bilanz ziehen mit dem Kabarettisten, früheren Sportkommentatoren und Kolumnisten des Fachmagazins "Kicker", Werner Schneyder. Schönen guten Morgen!
Werner Schneyder: Schönen guten Morgen!
Kitzler: Herr Schneyder, Sie als Österreicher haben sich das ganze ja ganz entspannt ansehen können. Ihre Mannschaft war nicht qualifiziert. Aber wenn Sie jetzt noch mal diese Stimmung hören, haben Sie dann auch ein wenig Gänsehaut?
Schneyder: Nein, Gänsehaut habe ich nicht. Aber ich habe einen angenehmen Nachgeschmack nach dem gestrigen Abend. Das war ein Zauberfußball.
Kitzler: Ich meine, der letzte Abend hat vielleicht die Kritiker ein bisschen versöhnt, aber es gab ja insgesamt doch die Kritik, dass viele Spiele zu langweilig waren. Es gab zu wenige Tore, zu viel taktisches Geschiebe. Wie fällt denn Ihre Bilanz der Spiele aus?
Schneyder: Das finde ich überhaupt nicht. Ich fand das einen der besten Wettbewerbe in den letzten Jahrzehnten.
Kitzler: Die Spanier sind offenbar ja nicht zu schlagen zurzeit, die haben vier Tore gestern geschossen. Sind Sie restlos begeistert von denen, oder wünschen Sie sich mal einen Gegner, der da mithalten kann?
Schneyder: Ja, der wird ganz sicherlich kommen, denn jede Mannschaft hat ihre Leistungskurven und die Spanier sind jetzt relativ lange oben, also irgendwann einmal kommt der Rückfall. Das ist automatisch so.
Kitzler: Gestern haben die Spanier ja vier Tore geschossen. Das war ungewöhnlich für die Spanier?
Schneyder: Ja. Der Spielverlauf rechtfertigt diesen Abstand nicht. Die Italiener haben eine Zeit lang sehr, sehr gut mitgehalten, hatten auch Chancen, und dass sie dann den dritten Austauschspieler nach drei Minuten durch Verletzung verloren haben, das war natürlich eine Tragödie. Das hat dem Spiel natürlich den letzten Kick genommen. Aber es war dennoch ein hinreißendes Finale.
Kitzler: Was für ein Fußball-Gucktyp sind Sie denn eigentlich? Es gibt ja Leute, die müssen die Spiele alleine gucken, um sich zu konzentrieren, es gibt Leute, die wollen die ganz große Gesellschaft. Wie halten Sie es?
Schneyder: Ich sitze ganz gerne allein, ich sitze aber auch gerne in Gesellschaft, aber ich fordere absolutes Schweigen rund um mich.
Kitzler: Also es darf nicht geredet werden, der Sachverstand muss still walten?
Schneyder: So ist es, ja.
Kitzler: Kommen wir mal zu den Gastgebern, Polen und der Ukraine. Da wurde ja ein bisschen mit zweierlei Maß gemessen. Hier gab es die Musterschüler, die Polen, dort die böse, böse Politik in der Ukraine. Ist diese Einschätzung in Ordnung so, oder war Ihnen da zu viel Schwarz-Weiß-Malerei dabei?
Schneyder: Na ja, es ist ganz einfach so, dass die Ukrainer ein Regime haben, das so in höchstem Maße anfechtbar ist. Es stellt sich jetzt auch heraus, dass der ganze Stadionbau in den Händen eines Gangster-Syndikats war, wie nicht anders zu erwarten. Also ich finde, dass mit der Vergabe dieser großen Sportveranstaltungen schon Schindluder getrieben wird. Dort sind weiß der Teufel was für Beweggründe im Spiel. Aber ich kann das nicht untersuchen. Die Polen, die haben mir ein bisschen leid getan, dass sie ausgeschieden sind, zumal sie ja ihre Spitzen von Borussia Dortmund beziehen. Aber wenn dann ein polnischer Journalist geschrieben hat, "Könnt ihr eurem Volk noch in die Augen sehen?", dann ist der Irrsinn wirklich nicht mehr tolerierbar.
Kitzler: Noch mal die Frage an den Österreicher. Die Fußballfeindschaft zwischen Deutschland und Österreich ist ja eine lange Geschichte. Wie groß ist denn Ihr Mitleid mit der deutschen Elf?
Schneyder: Ich habe überhaupt kein Mitleid mit der deutschen Elf, ...
Kitzler: Ich habe es befürchtet.
Schneyder: ... weil, das war natürlich eine hausgemachte Niederlage. Aber auch die wird natürlich falsch eingeschätzt, denn vergessen Sie nicht: nach wenigen Minuten hätte Deutschland mit ein bisschen Glück 2:0 führen können. Hätte der Lahm diesen Ball hineingetroffen, der eine schöne Chance war, und der Özil hätte dann mit dem Elfmeter ausgeglichen, dann hätten die Italiener vielleicht ihre Nerven weggeschmissen. also es ist ein Spiel, "it's only a game", haben die Engländer immer gesagt - mittlerweile haben sie das auch vergessen. Aber ich meine, diese Tragödie jetzt, dass man auf den Seiten eins eine Mannschaft hinrichtet, die 15mal hintereinander gewonnen hat, das ist natürlich hochgradig albern.
Kitzler: Das ist wieder dieser deutsche Reflex: es wird hochgeschrieben und niedergeschrieben, wenn es gerade passt.
Schneyder: Ja, sicherlich! Es sind entweder Genies oder Stümper. Die Wahrheit ist, dass der Mittelfeld-Regisseur - wie heißt der da von Bayern München? -, der Schweinsteiger, ein langsamer, ein langsam denkender und lethargischer Fußballer ist. Die Wahrheit ist, dass der Gomez den Ball auf den Fuß, auf den Kopf kriegen muss, oder genau in den Lauf, dann schießt er schöne Tore, wenn das nicht der Fall ist, hat er die Explosivität einer Trauerweide. Also man muss die Kirche immer ein bisschen im Dorf lassen.
Kitzler: Auf der anderen Seite, wenn man sich die politische Lage anschaut, dann muss man ja gucken: was wäre gewesen, wenn Deutschland mitten in der Euro-Krise erst Griechenland, dann Italien und auch noch Spanien besiegt hätte? Das wäre ja auch eine politische Katastrophe gewesen.
Schneyder: Das glaube ich nicht. Ich sehe diesen Zusammenhang ja nicht so, oder ich wehre mich dagegen, diesen Zusammenhang herzustellen. Allerdings sind "was wäre wenn"-Überlegungen müßig. Deutschland hat gegen Italien verloren.
Kitzler: Also ein entspannter Blick auf diese Euro 2012?
Schneyder: Ja.
Kitzler: Das war Werner Schneyder, der Kabarettist und frühere Sportkommentator. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch, schönen Tag.
Schneyder: Schönen Tag auch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Spanien ist Fußball-Europameister - Triumphaler 4:0-Sieg im Finalspiel gegen Italien
It's all over" - große Emotionen bei der Fußball-EM in Polen und der Ukraine. - Jetzt wollen wir noch mal die ultimative Bilanz ziehen mit dem Kabarettisten, früheren Sportkommentatoren und Kolumnisten des Fachmagazins "Kicker", Werner Schneyder. Schönen guten Morgen!
Werner Schneyder: Schönen guten Morgen!
Kitzler: Herr Schneyder, Sie als Österreicher haben sich das ganze ja ganz entspannt ansehen können. Ihre Mannschaft war nicht qualifiziert. Aber wenn Sie jetzt noch mal diese Stimmung hören, haben Sie dann auch ein wenig Gänsehaut?
Schneyder: Nein, Gänsehaut habe ich nicht. Aber ich habe einen angenehmen Nachgeschmack nach dem gestrigen Abend. Das war ein Zauberfußball.
Kitzler: Ich meine, der letzte Abend hat vielleicht die Kritiker ein bisschen versöhnt, aber es gab ja insgesamt doch die Kritik, dass viele Spiele zu langweilig waren. Es gab zu wenige Tore, zu viel taktisches Geschiebe. Wie fällt denn Ihre Bilanz der Spiele aus?
Schneyder: Das finde ich überhaupt nicht. Ich fand das einen der besten Wettbewerbe in den letzten Jahrzehnten.
Kitzler: Die Spanier sind offenbar ja nicht zu schlagen zurzeit, die haben vier Tore gestern geschossen. Sind Sie restlos begeistert von denen, oder wünschen Sie sich mal einen Gegner, der da mithalten kann?
Schneyder: Ja, der wird ganz sicherlich kommen, denn jede Mannschaft hat ihre Leistungskurven und die Spanier sind jetzt relativ lange oben, also irgendwann einmal kommt der Rückfall. Das ist automatisch so.
Kitzler: Gestern haben die Spanier ja vier Tore geschossen. Das war ungewöhnlich für die Spanier?
Schneyder: Ja. Der Spielverlauf rechtfertigt diesen Abstand nicht. Die Italiener haben eine Zeit lang sehr, sehr gut mitgehalten, hatten auch Chancen, und dass sie dann den dritten Austauschspieler nach drei Minuten durch Verletzung verloren haben, das war natürlich eine Tragödie. Das hat dem Spiel natürlich den letzten Kick genommen. Aber es war dennoch ein hinreißendes Finale.
Kitzler: Was für ein Fußball-Gucktyp sind Sie denn eigentlich? Es gibt ja Leute, die müssen die Spiele alleine gucken, um sich zu konzentrieren, es gibt Leute, die wollen die ganz große Gesellschaft. Wie halten Sie es?
Schneyder: Ich sitze ganz gerne allein, ich sitze aber auch gerne in Gesellschaft, aber ich fordere absolutes Schweigen rund um mich.
Kitzler: Also es darf nicht geredet werden, der Sachverstand muss still walten?
Schneyder: So ist es, ja.
Kitzler: Kommen wir mal zu den Gastgebern, Polen und der Ukraine. Da wurde ja ein bisschen mit zweierlei Maß gemessen. Hier gab es die Musterschüler, die Polen, dort die böse, böse Politik in der Ukraine. Ist diese Einschätzung in Ordnung so, oder war Ihnen da zu viel Schwarz-Weiß-Malerei dabei?
Schneyder: Na ja, es ist ganz einfach so, dass die Ukrainer ein Regime haben, das so in höchstem Maße anfechtbar ist. Es stellt sich jetzt auch heraus, dass der ganze Stadionbau in den Händen eines Gangster-Syndikats war, wie nicht anders zu erwarten. Also ich finde, dass mit der Vergabe dieser großen Sportveranstaltungen schon Schindluder getrieben wird. Dort sind weiß der Teufel was für Beweggründe im Spiel. Aber ich kann das nicht untersuchen. Die Polen, die haben mir ein bisschen leid getan, dass sie ausgeschieden sind, zumal sie ja ihre Spitzen von Borussia Dortmund beziehen. Aber wenn dann ein polnischer Journalist geschrieben hat, "Könnt ihr eurem Volk noch in die Augen sehen?", dann ist der Irrsinn wirklich nicht mehr tolerierbar.
Kitzler: Noch mal die Frage an den Österreicher. Die Fußballfeindschaft zwischen Deutschland und Österreich ist ja eine lange Geschichte. Wie groß ist denn Ihr Mitleid mit der deutschen Elf?
Schneyder: Ich habe überhaupt kein Mitleid mit der deutschen Elf, ...
Kitzler: Ich habe es befürchtet.
Schneyder: ... weil, das war natürlich eine hausgemachte Niederlage. Aber auch die wird natürlich falsch eingeschätzt, denn vergessen Sie nicht: nach wenigen Minuten hätte Deutschland mit ein bisschen Glück 2:0 führen können. Hätte der Lahm diesen Ball hineingetroffen, der eine schöne Chance war, und der Özil hätte dann mit dem Elfmeter ausgeglichen, dann hätten die Italiener vielleicht ihre Nerven weggeschmissen. also es ist ein Spiel, "it's only a game", haben die Engländer immer gesagt - mittlerweile haben sie das auch vergessen. Aber ich meine, diese Tragödie jetzt, dass man auf den Seiten eins eine Mannschaft hinrichtet, die 15mal hintereinander gewonnen hat, das ist natürlich hochgradig albern.
Kitzler: Das ist wieder dieser deutsche Reflex: es wird hochgeschrieben und niedergeschrieben, wenn es gerade passt.
Schneyder: Ja, sicherlich! Es sind entweder Genies oder Stümper. Die Wahrheit ist, dass der Mittelfeld-Regisseur - wie heißt der da von Bayern München? -, der Schweinsteiger, ein langsamer, ein langsam denkender und lethargischer Fußballer ist. Die Wahrheit ist, dass der Gomez den Ball auf den Fuß, auf den Kopf kriegen muss, oder genau in den Lauf, dann schießt er schöne Tore, wenn das nicht der Fall ist, hat er die Explosivität einer Trauerweide. Also man muss die Kirche immer ein bisschen im Dorf lassen.
Kitzler: Auf der anderen Seite, wenn man sich die politische Lage anschaut, dann muss man ja gucken: was wäre gewesen, wenn Deutschland mitten in der Euro-Krise erst Griechenland, dann Italien und auch noch Spanien besiegt hätte? Das wäre ja auch eine politische Katastrophe gewesen.
Schneyder: Das glaube ich nicht. Ich sehe diesen Zusammenhang ja nicht so, oder ich wehre mich dagegen, diesen Zusammenhang herzustellen. Allerdings sind "was wäre wenn"-Überlegungen müßig. Deutschland hat gegen Italien verloren.
Kitzler: Also ein entspannter Blick auf diese Euro 2012?
Schneyder: Ja.
Kitzler: Das war Werner Schneyder, der Kabarettist und frühere Sportkommentator. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch, schönen Tag.
Schneyder: Schönen Tag auch.
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