"Ich hab ja einen pädagogischen Eros"

Von Klaus Pokatzky · 14.08.2010
Als Mäzen im klassischen Sinne möchte Peter Raue nicht gelten, nicht als unadeliger Großstifter der Republik mit weit geöffneter Geldbörse. Aber als ein untadeliger Stifter und anwaltlicher Berater von Vereinen und Initiativen, die sich den Schönen Künsten gewidmet haben.
"Ich bin ein leidenschaftlicher Backgammonspieler. Das ist ein Spiel, bei dem ich sozusagen aufblühe und mich schwarz ärgern kann, aber ansonsten bin ich kein Spieler."

Backgammon ist bekanntlich das Brettspiel, bei dem der gewinnt, der mit taktischem Geschick als Erster alle seine Spielsteine aus dem Spiel herausnehmen kann. Mit taktischem Geschick. Ansonsten spielt Peter Raue höchstens und selten vielleicht noch mal Skat. Als die Nationalgalerie das Bild "Die Skatspieler" von Otto Dix gern haben wollte, organisierte er auch ein Skat-Turnier. Mit taktischem Geschick.

"Ich bin richtig stolz darauf, und dafür habe ich dann wirklich sehr viel gesammelt, und wir haben ein Ballett besucht, das sich dem Thema widmet, und so. Das sind die Dinge, die mich eigentlich glücklich machen. Wenn ich so durch die Ausstellung gehe oder die ständige Sammlung sehe und sehe, wie viele Bilder wir gekauft haben, hoch bedeutende Bilder von Menzel und Carus bis in die aktuelle Zeit, bis Demand, bin ich ganz stolz."

31 Jahre lang – von 1977 bis 2008 – war Peter Raue als Vorsitzender des "Vereins der Freunde der Nationalgalerie" ein unermüdlicher Geldsammler. Der Dr. jur. Peter Raue, geboren 1941 in München, der das MoMa aus New York nach Berlin geholt hat, der Honorarprofessor für Urheberrecht an der Freien Universität Berlin, der Seniorpartner der internationalen Anwalts-Sozietät Hogan & Hartson Raue mit Stammsitz in Washington, D.C. – dessen Berliner Dependance am Potsdamer Platz mit 600 Gemälden auch schon ein kleines Museum ist. Die Namensgebung der Konferenzräume nicht zu vergessen.

"Ich hab ja einen pädagogischen Eros. Es gibt einen Lechner-Raum, es gibt einen Machold-Raum, und es gibt einen Neumann-Raum, den Rebecca-Horn-Raum, Vostell-Raum, aber auch in den Räumen, wo die Sekretärinnen und Mitarbeiter tätig sind, hängen Bilder, und die können sich diejenigen aussuchen. Ich hänge keinem ein Bild ins Zimmer, sondern sie sehen dann, was da rumsteht, dann nehmen sich das, und das sind alles schwierige Bilder, das sind keine Hummel-Bilder und keine Daumier-Stiche."

Vernissagen besucht er nicht so gerne, weil da die Leute nur reden, und man keine Bilder sehen kann – lieber sieht er sich Ausstellungen am Wochenende an, wenn es ruhig ist. Theater und Oper stehen mindestens zwei Mal in der Woche auf dem Programm. Peter Raue ist aus dem Berliner Kulturleben seit Jahrzehnten nicht wegzudenken. Peter Raue ist für die Lokalpresse "ein genialer Strippenzieher", ist "einer der wichtigsten Kulturpolitiker der Stadt", ist der wohl einflussreichste Kultur-Lobbyist der Hauptstadt". Und was ist Peter Raue für Peter Raue?

"Das sind alles Gerüchte. Ich bin überhaupt nicht einflussreich. Es hängt vielleicht damit zusammen, dass ich, wie Brecht sagen würde, ein 'seltsam riechendes Tier' bin, denn ich bin ja jemand, der gar keine Funktion in der Stadt hat. Ansonsten bin ich Rechtsanwalt in dieser Stadt wie, ich weiß nicht, 12.000 andere Rechtsanwälte auch. Aber dass jemand, der eigentlich gar keine Funktion hat, dann doch sich artikulieren kann. Ich schreib ja auch in der Zeitung, und da krieg ich einen Platz, aber letztlich kann von einem einflussreichen Raue einfach nicht die Rede sein."

Der gar nicht einflussreiche Raue begann als junger Mann übrigens eine Ausbildung als Schauspieler, bis er dann auf die Juristerei umsattelte. Der gar nicht einflussreiche Raue ist auch mehrfach gefragt worden, ob er nicht Kultursenator in Berlin werden wolle.

"Ich habe Nein gesagt, ich werde auch in Zukunft, fragt mich auch keiner mehr, Nein sagen. Ich wollte immer die Unabhängigkeit bewahren; ich war anwaltlich tätig für Mandanten im Kulturbereich, denen ich plötzlich anders gegenübertreten müsste. Ich kann doch nichtplötzlich Senator sein und sagen, jetzt geht's nicht mehr. Also, ich hab mir diese Freiheit immer bewahrt, ich bin in keiner Partei, ich bin unabhängig, und das ist vielleicht auch einer der Gründe, warum man sagt, was ist eigentlich mit ihm los."

"Man" sagt auch, jedenfalls die Lokalpresse: "Bei Fontane wäre er wahrscheinlich der kunstsinnige Kommerzialrat mit Sinn für Höheres." Und was sagt Peter Raue zu einem gleichnamigen Kommerzial- oder Geheimen Justizrat in der Fontane-Zeit?

"Nein, dann vielleicht lieber im Barockzeitalter, in Venedig oder in Florenz. Ich hätte, glaub ich, Lust an dem Spiel, an den Verstellungen, an der Karnevalsituation gehabt. Also, in der Fontane-Gesellschaft wäre ich, glaube ich, allenfalls eine ziemlich schräge Figur gewesen, so wie sie uns dann später Thomas Mann in seinen Romanen zeigt. Ich seh' schon Figuren, wo ich fürchte, dass er mich so gesehen hätte."

Als Mäzen im klassischen Sinne möchte Peter Raue nicht gelten, nicht als unadeliger Großstifter der Republik mit weitgeöffneter Geldbörse. Aber als ein untadeliger Stifter und anwaltlicher Berater von Vereinen und Initiativen, die sich den Schönen Künsten gewidmet haben, als Inspirator und Notator der Kultur, und das in großem Stiftermaße: Bei solchen Formulierungen würde er einen wohl nicht vor den Kadi ziehen. Der Fachanwalt für Presserecht, der auch mal ein Strafverteidiger war. Mit taktischem Geschick.

"Ganz am Anfang, als ich ganz, ganz junger Anwalt war, da war ich ein, zwei Jahre lang im Strafrecht tätig und war spezialisiert auf Zuhälter und Prostituierte. Und das fand ich so als junger Mann wahnsinnig spannend, das Milieu, aber auf die Dauer ist das so entsetzlich langweilig. Man muss sich dann stundenlang auf dem Flur mit denen unterhalten, und da unterhalte ich mich dann doch lieber mit dem Solocellisten der Philharmoniker."