"Ich finde solche Kampagnen sehr, sehr sinnvoll"

Nalan Kilic im Gespräch mit Nana Brink |
Nalan Kilic, Lehrerin an der Carl-von-Ossietzky-Gesamtschule in Berlin-Kreuzberg, hat die neue Kampagne "Raus mit der Sprache. Rein ins Leben" der Deutschlandstiftung gelobt. Es sei wichtig, "dass die Message an die Schüler mitgegeben wird", sagte Kilic.
Nana Brink: Es ist eine Binsenweisheit und trotzdem schwer umzusetzen: Nur wer Deutsch spricht, kann sich hier als Neubürger integrieren und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Schon lange versuchen Bildungseinrichtungen, Sozialämter und private Bildungsinitiativen darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig es ist, Deutsch zu lernen, und genau das will auch die Deutschlandstiftung und startet deshalb heute die Kampagne "Raus mit der Sprache. Rein ins Leben", und sie wird getragen von der Deutschlandstiftung wie gesagt.

Dahinter verbergen sich unter anderem die Integrationsbeauftragte des Bundes, Maria Böhmer, die "Bild"-Zeitung und der Verband der deutschen Zeitungsverleger. Wir wollen aber nun in die Praxis gucken. Wie sieht es zum Beispiel in den Schulen aus mit vielen Schülern, die einen Migrationshintergrund haben?

Ich spreche jetzt mit Nalan Kilic, sie ist Lehrerin an der Carl-von-Ossietzky-Gesamtschule in Berlin-Kreuzberg, unterrichtet dort Deutsch und Geschichte. Schönen guten Morgen, Frau Kilic.

Nalan Kilic: Guten Morgen!

Brink: Sie unterrichten viele Schüler mit Migrationshintergrund. Wie gut sprechen Ihre Schüler Deutsch?

Kilic: Das ist unterschiedlich. Sagen wir mal so: Die Schüler sprechen eigentlich relativ gut Deutsch. Es ist eher das Schriftsprachliche, wo sie Schwierigkeiten haben.

Brink: Worauf führen Sie das zurück?

Kilic: Worauf führe ich das zurück? Ich denke mal, überwiegend die muttersprachlichen Kompetenzen, die sie mitbringen, das Umfeld, in dem sie sich bewegen, wenig Lesen, das ist eher so unser Eindruck. Deutsche Texte lesen sie wenig, die Schüler, und daher kommen dann diese Schwierigkeiten.

Brink: Wird denn in den Familien dann hauptsächlich die Muttersprache, also Türkisch oder Russisch gesprochen, oder Arabisch?

Kilic: Nach meiner Erfahrung schon eher, und zwar in den Familien, in denen die Eltern - ich möchte dieses unschöne Wort "bildungsfern" jetzt nicht benutzen - selber der Sprache nicht so mächtig sind. Die greifen doch eher zurück auf die Muttersprache oder auf die Herkunftssprache und kommunizieren natürlich in dieser Sprache mit den Kindern.

Eltern, die selber doch hier schon groß geworden sind, auch die Schule hier durchlaufen haben, die sprechen eher beide Sprachen zu Hause.

Brink: Aber das ist ja genau das Problem, was man ja auch in der Vergangenheit schon erkannt hat: Man muss an die Eltern ran.

Kilic: Ja, richtig.

Brink: Wie machen Sie das? Wie kann man das tun, denen zu vermitteln, hey, es ist wichtig, dass euere Kinder Deutsch sprechen? Sie ja auch im Übrigen.

Kilic: Ja, natürlich. Wir versuchen an unserer Schule, gezielt Elternarbeit zu fördern, indem wir die Eltern zu den unterschiedlichsten Projekten, die wir durchführen, einladen, natürlich intensive Elternabende gestalten, Elterngespräche führen, auf Problematiken hinweisen, gezielt Hilfestellungen geben, indem wir sagen, hier, bitte da lesen, oder hier das und das vielleicht mit den Kindern unternehmen, damit die sprachlichen Kompetenzen gefördert werden.

Brink: Kommen die Eltern dann auch in die Schule?

Kilic: Teils teils, sage ich mal ganz vorsichtig. Es gibt sehr, sehr interessierte Eltern, die kommen, und Eltern, die selber zum Beispiel der Sprache nicht mächtig sind, bringen dann einfach entweder die Schüler, die Kinder mit, oder bringen noch jemand anderen mit, der dann dolmetscht. Oder in unseren Fällen: Wir sind mittlerweile etwa acht bis zehn Kollegen, die selber einen Migrationshintergrund haben. Dann übersetzen wir, und wir fungieren dann als sprachliche Brücke, und das funktioniert schon.

Brink: Das heißt, kann es auch sein, dass Sie schon mal in eine Familie gehen und versuchen, die Eltern zu überzeugen?

Kilic: Das haben wir auch gemacht, ja. Als ich noch in der Sek. 1 unterrichtet habe, habe ich das gemacht. Ich bin jetzt überwiegend in der Oberstufe tätig, also von der 11. bis zur 13. Klasse, und da ist es doch ein bisschen anders.

Da geht man nicht mehr so sehr jetzt in die Familie nach Hause, sondern versucht dann, die Eltern in die Schule einzuladen, und diskutiert dann die Problematiken in den Schulen. Aber in der Sek. 1, in den Klassen 7 bis 10, das wird dann verstärkt doch von den Kollegen gemacht.

Brink: Sie haben nun auch von dieser Kampagne gehört, "Raus mit der Sprache. Rein ins Leben", die gerade von der Integrationsbeauftragten und der "Bild"-Zeitung, um nur einige Unterstützer zu nennen, ins Leben gerufen wurde. Ist das aus Ihrer Sicht hilfreich?

Kilic: Ja, ich habe davon gehört und habe mich da so ein bisschen firm gemacht. Ich finde solche Kampagnen sehr, sehr sinnvoll. Ich denke, was auch in den Broschüren oder beziehungsweise in diesen Papieren da geschrieben stand, Vorbildfunktion, das ist ganz wichtig, dass die Message an die Schüler mitgegeben wird, wenn ihr gut sprechen könnt, dann könnt ihr hier etwas erreichen, ihr könnt teilhaben, und das ist ja eigentlich so das Wichtige in dieser Gesellschaft.

Wenn man eine Sprache nicht beherrscht, dann kann man auch nicht teilhaben, denke ich. Es werden viele Entscheidungen über die Köpfe des Einzelnen hinweg entschieden und dass man sich da beteiligen kann und selber für Entscheidungen sorgen kann, das, denke ich, geht nur über die Sprache. Und ich denke schon, dass das eine Vorbildfunktion haben kann und die Schüler positiv anleiten kann, auch in der Sprache mehr zu machen.

Brink: Nalan Kilic, Lehrerin an der Carl-von-Ossietzky-Gesamtschule in Berlin-Kreuzberg. Vielen Dank für das Gespräch!

Kilic: Bitte, bitte. Nichts zu danken.

Brink: Und wir sprachen mit ihr, und der Anlass ist die Vorstellung der Kampagne heute "Raus mit der Sprache. Rein ins Leben." der Deutschlandstiftung.