"Ich erwarte, dass die Bundesländer jetzt springen"

Albert Rupprecht im Gespräch mit Nana Brink · 08.07.2010
Der CSU-Bundestagsabgeordnete Albert Rupprecht appeliert an die von der Union geführten Bundesländer, das geplante Nationale Stipendienprogramm und die Bafög-Erhöhung nicht im Bundesrat scheitern zu lassen.
Nana Brink: Es sollte das Prestigeobjekt ihrer Kanzlerschaft sein: die Bildungsoffensive. Mit viel Verve haben die nicht gerade erfolgsverwöhnte Kanzlerin Merkel und ihre Bildungsministerin Annette Schavan ihre Ziele gesteckt, und zu denen gehören zwei Projekte: die Erhöhung des Bafögs und das Stipendienprogramm. Beide sind schon vom Bundestag verabschiedet und stehen morgen im Bundesrat, also der Länderkammer, zur Abstimmung. Und es sieht nicht gut aus für diese Prestigeobjekte der schwarz-gelben Regierung. Eine Mehrheit der unionsgeführten Länder will diese Bildungsoffensive stoppen, und genau darüber will ich jetzt sprechen mit dem CSU-Bundestagsabgeordneten Albert Rupprecht. Er ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Bildung und Forschung der Unionsfraktion. Einen schönen guten Morgen, Herr Rupprecht.

Albert Rupprecht: Guten Morgen!

Brink: Fangen wir doch bei der Bafög-Erhöhung an. Die Mehrheit der Länder will, dass der Bund die Kosten für die Erhöhung übernimmt. Der Bund sagt Nein. Also kippt die Bafög-Erhöhung im Bundesrat morgen?

Rupprecht: Ich glaube nicht, dass sie kippen wird. Wissen Sie, alle wissen, dass wir die Bildungsrepublik brauchen. Wir wissen, dass das Land der besten Ingenieure und der besten Handwerker der Welt topp ausgebildete junge Menschen braucht, und deswegen wissen die Ministerpräsidenten letztendlich um ihre Verantwortung. Die Finanzierung ist seit Jahrzehnten derart, dass der Bund zwei Drittel bei den Bafög-Kosten zahlt und die Länder ein Drittel, und dieser Finanzierungsschlüssel, glaube ich, soll aufrechterhalten werden. Wir von seiten der Bundesebene, von Seiten der christlich-liberalen Koalition in Berlin, wir stehen, unser Angebot steht. Wir stehen zur Bildungsrepublik Deutschland und ich erwarte, dass die Bundesländer jetzt auch springen.

Brink: Laut Grundgesetz ist ja für die Erhöhung des Bafög, also überhaupt für das Bafög, der Bund zuständig. Die Finanzierung ist zwei Drittel/ein Drittel, Sie haben es erklärt. Die Länder argumentieren nun, in dieser Finanzsituation können wir nicht zahlen.

Rupprecht: Na ja, dass Finanzminister von Ländern natürlich versuchen, zu verhandeln und zu feilschen, ich glaube, das ist nachvollziehbar, das ist auch okay. Aber letztendlich muss es zum Schwur kommen, letztendlich muss entschieden werden, und die Argumentation, die immer wieder geführt wird, dass die Bundesländer die finanzielle Kraft nicht aufbringen könnten, da muss ich ganz klar sagen, es ist nicht so. Wissen Sie, wenn Sie beispielsweise Baden-Württemberg betrachten, wenn Sie Bayern betrachten, zwei Bundesländer, die in diesem Jahr, 2010, ihre Bildungsausgaben in Bayern um 4 Prozent, das heißt absolut 300 Millionen, und in Baden-Württemberg sogar um 4,7 Prozent, das heißt um 380 Millionen, erhöhen, dann zeigt das ganz klar, dass, wenn man erstens klare Prioritäten setzt, und zum zweiten, wenn es eine vernünftige Wirtschaftspolitik im jeweiligen Land gibt, man durchaus die Kraft hat, die Verantwortung, die die Länder nach der Verfassung haben, Bildung zu betreiben, auch realisieren kann.

Brink: Es mag ja sein, dass die Länder ihre Bildungsausgaben erhöhen, aber nicht da, wo die Bundesregierung es will, zum Beispiel beim zweiten großen Projekt, was morgen im Bundesrat zur Abstimmung steht, nämlich das Nationale Stipendienprogramm. Da haben die Länder auch schon gesagt, "Njet!". Eine Ohrfeige für die Kanzlerin, angeführt auch zum Beispiel vom Bundesland Bayern.

Rupprecht: Na ja, auch da gilt natürlich, dass die Finanzminister auch da pokern. Das ist das übliche Verfahren, das bei vielen anderen Entscheidungen auch stattfindet. Aber man muss noch mal sagen: Worum geht es beim Stipendiengesetz? Wir sagen, dass es notwendig sein muss, dass junge Frauen, junge Männer ihr Studium auch realisieren können, wenn sie die Begabung und die Fähigkeiten dazu haben, und dann muss die Finanzierung der Lebenshaltungskosten letztendlich stehen, und wir wollen mit dem Stipendiengesetz, dass fleißige und leistungsfähige und begabte junge Studenten 300 Euro zusätzlich in Zukunft bekommen, und wir wollen darüber hinaus – und das ist das zweite wesentliche Element -, dass auch die Privatwirtschaft, Privatpersonen in Zukunft mehr beitragen zur Finanzierung des Studiums und der Hochschulen, und dazu ist das Stipendiengesetz ein richtiger Schritt, und das ist eine Grundsatzentscheidung, wo ich auch der Überzeugung bin, dass früher oder später die Länder da springen müssen.

Brink: Das Stipendienprogramm sieht vor – Sie haben es gesagt -, 300 Euro pro Student. Das Programm, die Idee ist ja gar nicht strittig, aber die Länder sagen, wir haben das Geld nicht. Warum ist das jetzt so unklar? Haben Sie das von Bundesseite einfach nicht ordentlich vermittelt?

Rupprecht: Die Gespräche gab es intensivst. Wissen Sie, wir hatten ja den großen Bildungsgipfel am 10. Juni, die dritte Runde des Bildungsgipfels, und es wurde ein Jahr lang mit den Ländern über eine Vielzahl von Maßnahmen diskutiert, wo jedes Land betrachtet wurde, wo mit jedem Land von Seiten der Bundesebene gesprochen wurde, was steht bei euch im Land an als nächster notwendiger Schritt, damit wir die Bildungskette von frühkindlicher Bildung bis zum lebenslangen Lernen optimieren und auf ein modernes, neues Niveau stellen. Die Gespräche wurden intensiv geführt …

Brink: Aber trotzdem – Pardon! – haben Sie ja nicht die Länder dazu gebracht, ihren Finanzbeitrag zu leisten. Die lehnen das ja ab.

Rupprecht: Na ja, zunächst haben wir natürlich auch beim Bildungsgipfel Entscheidungen getroffen, beispielsweise Qualitätspakt Lehre. Das wird ja auch finanziert und das wird ja auch vollzogen. Und wir rufen jetzt jede einzelne Maßnahme auf und unter anderem eben genau das Thema Bafög und Stipendiensystem jetzt, und die Entscheidung wird dann letztlich morgen stattfinden. Die Ministerin Schavan wird morgen im Bundesrat auch noch mal das erklären, wird dafür plädieren. Wissen Sie, wir können letztendlich weder Herrn Beck, noch irgendeinen anderen oder eine andere Ministerpräsidentin zwingen, aber wir können sagen, dass wir von Seiten der Bundesebene, christlich-liberale Koalition, die Regierung, stehen, wir sind der verlässliche Partner, wir sind stabil, unser Angebot steht.

Brink: Die Blockade der unionsgeführten Länder morgen im Bundesrat könnte ja noch viel heikler sein, weil Jürgen Rüttgers nämlich morgen zum letzten Mal als Regierungschef von Nordrhein-Westfalen auftritt. Dann ist die Mehrheit von Schwarz-Gelb dahin und die SPD hat schon signalisiert, dass sie diese Bildungsprojekte auf keinen Fall unterstützt. Also alles doch nur schöne Pläne?

Rupprecht: Wir werden weiter daran arbeiten und kämpfen, und es geht ja nicht nur um das Thema Stipendiengesetz und Bafög-Erhöhung. Das sind zwei Maßnahmen von einem gesamten Paket der Bildungsrepublik Deutschland, wie wir uns das vorstellen, wobei ich schon an dieser Stelle natürlich klar sagen muss: Wenn beim Bildungsgipfel am 10. Juni die SPD-Ministerpräsidenten Beck, Platzeck, Wowereit sich inhaltlich überhaupt in keinster Weise eingebracht haben und über Inhalte …

Brink: Aber bleiben wir doch bei Ihnen! Was passiert denn, wenn morgen die unionsgeführten Länder das blockieren? Was bleibt noch zur Rettung dieser Pläne?

Rupprecht: Na ja, dann wird das natürlich in den Vermittlungsausschuss gelangen. Beim Bafög gehe ich davon aus, dass die Länder den Vermittlungsausschuss anrufen werden, und beim Stipendiengesetz werden wir das von Seiten des Bundes machen. Und dann wird man da, wie es bei Vermittlungsverfahren üblich ist, noch mal verhandeln. Wir sind durchaus bereit, punktuell noch kleine Veränderungen vorzunehmen. Wir sind auch durchaus bereit, punktuell noch beispielsweise beim Thema Stipendiengesetz auch noch mal finanziell in Maßen auf die Länder einen kleinen Schritt zuzugehen. Aber letztendlich muss man klar sagen: Wer nach der Verfassung die Verantwortung hat und wer sie ständig auch haben will, wer sagt, der Bund soll sich aus der Bildung weitestgehend heraushalten, weil das Ländersache ist, muss letztendlich die Verantwortung auch leben.

Brink: Der CSU-Bundestagsabgeordnete Albert Rupprecht, und wir sprachen über das Stipendienprogramm, welches morgen durch den Bundesrat muss. Vielen Dank für das Gespräch.

Rupprecht: Danke schön!