"Ich denke vor allem und stets an meine Leser"

Nicholas Sparks im Gespräch mit Matthias Hanselmann · 27.04.2012
Seine Bücher heißen "Das Lächeln der Sterne", "Mein Weg zu dir" oder "Für immer der Deine". Der Amerikaner Nicholas Sparks schreibt rührig-tragische Liebesgeschichten und hat damit Riesenerfolg. Dabei wollte er am Anfang nur ausprobieren, ob er einen Roman zu Ende bringen könne.
Matthias Hanselmann: Ich war gespannt auf den Erfolgsautor Nicholas Sparks. Gestern habe ich mich mit ihm getroffen, und er wirkte auf mich, wie man sich den All-American-Guy vorstellt; sportlich, smarte Ausstrahlung, freundlich, humorvoll. Nicholas Sparks ist 47, hatte mit 28 seinen ersten Bestseller und danach noch zahlreiche weitere. Sein neuer Roman heißt "Mein Weg zu dir" und ist eine rührig-tragische Liebesgeschichte. Die sind sowieso seine Spezialität, diese Geschichten.

Die Literaturkritik in Deutschland straft Sparks fast durchgehend mit Nichtbeachtung, deshalb war ich gespannt, wie er über seine Einstellung zum Schreiben, seine Herangehensweise an das Schreiben und seine Einstellung zum Thema Erfolg und Kitsch reden würde, denn das wirft man ihm auch vor, nämlich ein Kitsch-Autor zu sein. Meine erste Frage bezog sich auf das neue Buch, wo er im Nachwort schreibt, es sei schwierig gewesen, diese Geschichte zu schreiben – und ich wollte wissen, warum.

Nicholas Sparks: Dafür gab es drei Gründe. Zunächst einmal habe ich die Gestalten des Romans eingeführt, indem ich ihre Vergangenheit schilderte und sie dann allmählich zusammenführte. Wenn Sie zusammentreffen, will man natürlich als Autor nicht gleich wieder über diese Vergangenheit sprechen, man will sich nicht wiederholen. Dennoch: Nachdem die Figuren sich 24 Jahre lang nicht gesehen haben – worüber sonst sollten sie sprechen als die Vergangenheit? Der zweite Grund ist: Wir haben als zweite Hauptgestalt eine Frau. Der Mann ist zunächst mal sehr interessant: Er arbeitet auf einer Ölplattform, er erlebt eine furchtbare Explosion, er sieht Gespenster, er wird gejagt – sehr spannend!

Zweitens kommt diese Frau. Sie ist nicht bei weitem so interessant, sie ist Mutter, sie ist Frau, sie ist eine Hausfrau, sie ist eine freiwillig Tätige. Das heißt: Wie konnte man sie jetzt interessanter machen? Und der dritte Grund ist: Es ist ein sehr verhaltenes Buch. Die Menschen sitzen in der Küche, sie sitzen auf der Veranda, sie gehen spazieren, sie besichtigen die Garage, sie kehren zurück ins Wohnzimmer. Wie soll man das aufregend machen, wie soll man die Leser dazu bringen, die nächste Seite umzuwenden?

Hanselmann: Mr. Sparks, Sie sind ja selbst daran schuld, Sie haben sich ja das ganze Ambiente und die Geschichte ausgedacht.

Sparks: Ja, sicherlich, ich bin schuld – das war auch nötig, um das Grundgerüst des Romans für mich selbst stimmig zu machen und funktionieren zu lassen, jedenfalls für mich. Die Frage war, ob es auch ausreichend tragen würde, wenn der Leser sich damit auseinandersetzt.

Hanselmann: Sie haben uns einen kleinen Einblick gegeben, wie Sie Ihre Stoffe entwickeln, vielen Dank. Wie recherchieren Sie eigentlich? Waren Sie zum Beispiel selbst auf einer Ölbohrinsel im Golf von Mexiko, um den dramatischen Einstieg in das neue Buch schreiben zu können, den Sie gerade erwähnt haben?

Sparks: Nun, ich bin nicht wirklich auf eine solche Ölplattform gegangen, ich habe aber sehr viel recherchiert. Wie lebt man eigentlich auf einer solchen Bohrinsel? Ich habe auch sehr viel recherchiert, vornehmlich über den Computer. Ich habe Artikel in der "New York Times" gelesen über diesen Unglücksfall auf der "Horizon"-Ölplattform, ich habe Stellenanzeigen gelesen. Ich habe einfach versucht, mir vorzustellen, wie man lebt auf einer solchen Plattform, einfach, um es genau und stimmig zu machen. Dann, beim Schreiben selbst jedoch, habe ich mich nicht so sehr mit den Einzelheiten aufgehalten. Ich wollte nur sicherstellen, dass, wenn jemand das liest, der sich da auskennt, wirklich nachprüfen kann, dass es stimmt, und jemand, der sich nicht auskennt, diese Leerstellen selbst füllen kann.

Hanselmann: Ich komme mir gerade ein bisschen vor wie auf einer Creative-Writing-Schule… Sie verraten Tricks, wie man einen Roman schreibt. Bei der Gelegenheit die Frage: Es gibt ja Autoren, die sagen: Ich musste diese Geschichte schreiben, weil sie mir wichtig ist, weil ich nur durch das Schreiben mit einem Thema meines Lebens fertigwerden kann. Diese Autoren sagen, sie würden dabei in keiner Weise auf ein potenzielles Publikum schauen. Wie ist das bei Ihnen? Wie stark haben Sie Ihre Leserschaft schon beim Schreiben im Blick?

Sparks: Ich denke vor allem und stets an meine Leserinnen und Leser, denn ich frage mich: Was hat es denn für einen Sinn, etwas zu schreiben, wenn nicht dann jemand kommt, der das Ganze auch liest und genießt?

Hanselmann: 1996 ist Ihr erster Roman erschienen, zirka 20 haben Sie inzwischen geschrieben, davon sind acht verfilmt worden, Hollywood-Produktionen, große Produktionen – eine richtige Erfolgsgeschichte also. Dennoch wollte man Ihre ersten beiden Manuskripte, soweit ich weiß, nicht verlegen. Erzählen Sie uns: Wie war das damals für Sie und wie kam es, dass Sie dann doch einen Verleger gefunden haben und erfolgreich wurden?

Sparks: Den ersten Roman schrieb ich mit 19, den zweiten mit 22. Ich habe sie geschrieben, weil ich einfach mal gucken wollte, ob ich überhaupt einen Roman zu Ende schreiben könnte. Ich dachte gar nicht an eine Veröffentlichung. Und wenn ich zurückschaue, muss ich sagen: Die beiden Manuskripte sind gar nicht gut genug, um veröffentlicht zu werden. Ich wollte nur schauen, ob ich es schaffe. Den dritten Roman ("Wie ein einziger Tag") habe ich dann im Alter von 28 geschrieben, am Notebook, und das war der erste Roman, den ich auch wirklich ernst nahm, wo ich wirklich mich anstrengte, wo ich nicht nur schauen wollte, ob ich einen Roman zu Ende brachte, sondern, ob es ein guter Roman würde.

Hanselmann: Und inzwischen ist es wohl so, dass Sie jeweils wissen: Dieser Roman, mein nächstes Werk wird ein weltweiter Bestseller.

Sparks: Ja, die Antwort ist ja.

Hanselmann: Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton", wir sprechen mit Nicholas Sparks, er ist amerikanischer Bestseller-Autor, dessen Werke regelmäßig unter anderem in Hollywood verfilmt werden. Gestern ist bei uns der Film "The Lucky One – für immer der Deine" angelaufen, mit Zac Efron in der Hauptrolle. Mr. Sparks, die deutschen Zeitungen schreiben, man solle genügend Taschentücher mit ins Kino nehmen, so rührend sei der Film. Haben Sie eigentlich schon selbst einmal einen Ihrer Filme in einer synchronisierten Fassung geschaut?

Sparks: Einen synchronisierten Film habe ich von meinen Büchern noch nicht gesehen, übrigens breche ich auch nicht in Tränen aus, wenn ich meine Filme sehe, wenn Sie das interessiert.

Hanselmann: Apropos rührend: Könnte man einige Ihrer Bücher auch als wiederkehrende Variationen auf "Romeo und Julia" bezeichnen? Mir ging das nämlich so.

Sparks: Das gilt für alle, das kann man so sagen.

Hanselmann: Was Ihre eigene Geschichte angeht, scheinen Sie ja auch im Privaten ein echter Glückspilz zu sein: Während unzählige Männer in Ihrem Alter sich mit Scheidungen und zweiten und dritten Ehen herumschlagen, schreiben Sie, dass Ihre Beziehung zu Ihrer Frau Liebe auf den ersten Blick gewesen sei und dass dies bis heute gehalten habe. Davon träumen wir ja eigentlich alle, oder? Aber ist es reines Glück auch für Sie gewesen, oder kann man auch etwas dafür tun?

Sparks: Man muss beständig dafür arbeiten. Jede Beziehung, jede Ehe ist das Ergebnis von harter Arbeit, und ich glaube, es gilt für alle Ehen und Beziehungen: Nicht nur muss man sich aufeinander einlassen und sich verpflichten füreinander, sondern man muss sich noch mehr diesem Grundgedanken der auf Dauer angelegten Beziehung verpflichtet wissen. Ich glaube, das ist noch wichtiger. Nur dann, wenn man diese innere Verpflichtung eingegangen ist, dass man wirklich auf Dauer zusammen bleibt, egal was geschieht, wird man auch die innere Kraft aufbringen, alle Widrigkeiten durchzustehen.

Hanselmann: Sie sind Familienvater, Sie haben fünf Kinder, die alle die Namen von Hauptfiguren aus Ihren Büchern haben. Was war eigentlich zuerst da – der Roman oder das Kind?

Sparks: Das kommt ganz auf das Buch an. Miles und Ryan kamen nach dem Buch, London wurde vor dem Buch erfunden, Lexie und Savannah kamen danach.

Hanselmann: Auch der Name Ihrer Frau, Catherine, ist verewigt, in "Message in a Bottle" (deutscher Titel: "Weit wie das Meer"). Wollten Sie alle Ihre Liebsten jetzt schon unsterblich machen?

Sparks: Also es war für mich einfach ein Spaß. Irgendwo her musste ich diese Namen ja nehmen, und dann habe ich mir gedacht, es ist doch lustig, da diese Namen zu verwenden. Ob sie da jetzt wirklich verewigt sind – tja, das überlasse ich Ihnen.

Hanselmann: Mr. Sparks, man muss Sie nun wirklich nicht bemitleiden bei Ihrem riesigen Erfolg, aber trotz dieses gigantischen Erfolges lässt das Feuilleton in Deutschland, die Literaturkritik Sie links liegen, oder sie schreibt wie die renommierte "Süddeutsche Zeitung" davon, dass Sie ein regelrechter Kitsch-Meister seien. Ärgert Sie so was?

Sparks: Nein. Kritiker kritisieren, das ist ja schließlich ihr Geschäft. Sie müssen auch irgendwie ihr Territorium abstecken. Das alles lässt mich eigentlich ziemlich kalt. Ich kann jedenfalls sagen: Ich bin stolz auf all die Romane, die ich geschrieben habe. Ich kann versichern, dass ich immer das Beste gegeben habe. Jeder Roman, den ich geschrieben habe, ist der beste. Die Leserinnen und Leser lieben diese Bücher. Und übrigens sind ja auch nicht alle Kritiken schlecht: 80 Prozent der Kritiken sind gut. Man muss beides nehmen, das Gute wie das Schlechte – gehört alles zusammen.

Hanselmann: Das heißt, es ist offenbar in den USA und anderen Ländern anders als in Deutschland: Dort werden Sie ernster genommen als hier von der Literaturkritik.

Sparks: Nein, so ist es nicht. Es ist nur so, dass eben ich für jede schlechte Kritik auch viel mehr gute Kritiken bekomme, und wenn in Deutschland Kritiker mich kritisieren, dann ist das einfach in Ordnung. Man muss beides annehmen, die guten wie die schlechten.

Hanselmann: Haben Sie schon den nächsten Stoff im Hinterkopf, während Sie noch für das neue Buch jetzt um die Welt reisen?

Sparks: Ja, in der Tat schreibe ich einen Teil davon hier in Deutschland. Ich schreibe, während ich reise. Ich habe sogar einen Abgabetermin im Juli und ich glaube, es wird ein gutes Buch. Aber es ist kein Kitsch.

Hanselmann: Vielen Dank! Nicholas Sparks, sein neues Buch heißt "Mein Weg zu dir" und ist erschienen – wie auch die anderen – bei Heyne. Danke schön, Mr. Sparks!

Sparks: Danke!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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