"Ich brenne für diesen Beruf"

Von Christian Geuenich · 30.04.2008
Der 19-jährige Ludwig Trepte hat schon einige renommierte Preise gewonnen: 2006 den Max-Ophüls-Preis, in diesem Jahr die Goldene Kamera als bester Nachwuchsdarsteller und den Grimme-Preis. Im Episodenfilm "1. Mai", der nun ins Kino kommt, spielt er den Krawalltouristen Pelle, der mit seinem Kumpel nach Berlin fährt, um etwas zu erleben.
"Es ist ne Leidenschaft, ich brenne für diesen Beruf, da drin gehe ich auf. Ich kann in Menschen probieren, hineinzugucken. Wenn ich ein Drehbuch bekomme, ist es ja meistens ein Skelett, und ich kann dem Menschen, dem Charakter das notwendige Fleisch geben, das Blut laufen lassen und dem ein Gefühl dafür geben, und das ist doch unglaublich dankbar, das ist doch geil!"

Ludwig Trepte sitzt in einem Café in Berlin-Mitte, bestellt sich einen Salat und eine Cola – für die gewünschten Spiegeleier ist es leider schon zu spät. Der 1,69 Meter große Jungschauspieler mit den großen braunen Augen und den schwarzen gelockten Haaren, die unter einer Baseballmütze hervorgucken, ist auf die Sekunde pünktlich. Er ist nachdenklich, macht lange Pausen und überlegt sich jede Antwort sehr genau.

"Ich bin jemand, der schon ziemlich genau weiß, was er will, aber trotzdem immer noch auf der Suche ist und auch sich noch neu entdecken möchte, ich glaube, das ist für einen Schauspieler sehr wichtig, sich neu zu erfinden."

Im Episodenfilm "1. Mai" spielt Ludwig Trepte den Krawalltouristen Pelle aus Minden, der mit seinem Kumpel nach Berlin fährt, um dort etwas zu erleben – irgendetwas, Spaß haben, randalieren, Drogen nehmen, sich ausprobieren.

Filmszene aus "1. Mai":
" Pelle: "Also du hast gesagt, hier geht’s ab wie Hölle, aber das hier ist gar nichts."
Jacob: "Alter, wenn’s hier nicht knallt, dann knallt’s sonst wo, im Prenzlauer Berg, was weiß ich. Jetzt wart doch erst mal ab, bis es dunkel wird, nach Hause fahren kannst du immer." "

Pelle ist eher der Mitläufer, der sich von seinem Kumpel Jacob mitreißen lässt. Sonst spielt Ludwig Trepte häufig den Rebellen oder den verletzten, sensiblen Jugendlichen, dessen Verzweiflung oder Einsamkeit schnell in Wut und Aggression umschlagen – brüchige Charaktere, die in einem schwierigen sozialen Umfeld angesiedelt sind.

"Ich hab so ein bisschen Sorge, dass mich die Leute jetzt ein bisschen festsetzen und der Meinung sind, der Trepte dreht nur die schizophrenen, kranken, sozialkritischen Figuren. Also man soll mir auch glauben können, dass ich was anderes spielen kann, dafür bin ich ja Schauspieler."

Ludwig Trepte wächst in Berlin-Prenzlauer Berg auf, die Mutter Ergotherapeutin, der Vater der DDR-Rockmusiker Stephan Trepte, dessen Band mit dem Mauerfall untergeht. Als er 12 ist, meldet ihn seine Mutter bei einer Kinder- und Jugendagentur an, über die es auch die Nachbarstochter vor die Kamera geschafft hat.

"Wenn die das kann, kann das mein Sohn auch, so ungefähr, und hat mich gefragt, ob ich darauf Lust hätte. Woraufhin ich antwortete: 'Klar, warum nicht?’ Das ist natürlich für einen 12-Jährigen etwas Neues, es ist ein großer Spielplatz, also ich wollte vielleicht auch meine Eltern irgendwie glücklich machen oder stolz machen."

Aber Ludwig Trepte ist bei Castings zu nervös, läuft rot an, wird abgelehnt. Ein Jahr später klappt es dann, er darf als Chorknabe im "Tatort" vor der Kamera stehen. Mit 16 – er hat gerade seinen Realschulabschluss gemacht – spielt er im Skinhead-Drama "Kombat Sechzehn" den charismatischen Anführer einer rechtsradikalen Clique. Es ist eine auch körperlich anspruchsvolle Rolle mit einigen Kampfszenen. Da hat es geholfen, dass Trepte sportbegeistert ist. Sieben Jahre hat er Taekwondo gemacht, zwei Jahre geboxt. Was er dort gelernt hat, hilft ihm auch bei seinem Beruf.

"Da gibt es viele Parallelen, Ausdauer, Kondition, ne innere Gelassenheit, ne Ruhe, offen sein für viele Dinge, aber auch trotz alledem einen Schutz zu bewahren, wach zu sein."

Mit 17 hat Ludwig Trepte für seine Rolle als jugendlicher Entführer im Kinofilm "Keller" den Max-Ophüls-Preis gewonnen, in diesem Jahr den Grimme-Preis für seine Darstellung eines rebellischen Schülers in "Guten Morgen, Herr Grothe" und die Goldene Kamera als Bester Nachwuchsdarsteller.

"Stehen alle im Bücherregal, stehen nicht auf der Toilette wie bei anderen oder in der Küche, stehen im Bücherregal ganz stolz neben der Goldenen Kamera, die ich hab signieren lassen von Robert de Niro. Da ist ein Bild, wo ich neben Robert de Niro stehe, Martin Scorsese, Hilary Swank – Wahnsinn, das war das Beste am ganzen Abend!"

Ludwig Trepte möchte sich nicht auf den Preisen ausruhen, die Auszeichnungen spornen den äußerst selbstkritischen 19-Jährigen eher an. Immer wieder spricht der perfektionistische Schauspieler davon, dass er besser werden möchte, und das Feuer in seinen Augen verrät, dass er es ernst meint. Der Autodidakt bereitet sich akribisch auf die Rollen vor, arbeitet diszipliniert an sich, versucht die Figuren, die er spielt, zu verstehen.

"Manchmal sucht man wochenlang, hat schlaflose Nächte, weil man nichts findet, weil man nicht weiß, wie soll man die Figur anordnen, was will sie, wo kommt sie her? Was sind die Hindernisse, was ist der Motor, der die Figur antreibt? Und manchmal reicht es, wenn man sich nur eine Boxer-Shorts anzieht, die man privat nicht trägt, und da ist es plötzlich."

Ludwig Trepte lebt mit seiner Freundin - einer Schauspielerin - zusammen in Prenzlauer Berg, guckt gerne Filme, geht spazieren, kann stundenlang auf einer Parkbank sitzen und die Menschen beobachten, mag die Großstadthektik, diese gewisse Unruhe, die auch in ihm steckt. Ein Grübler sei er, sagt er lächelnd, einer, der manchmal vielleicht ein bisschen zu viel nachdenkt. Aber auch das gehöre nun einmal zu seinem Beruf dazu.

"Glitzer und Glamour ist es überhaupt nicht. Das hat nichts mit diesem Beruf zu tun, wer das denkt, ist völlig fehl am Platz. Es ist ein unglaublich harter Job, der einen auch in gewisse Depressionen ziehen kann, was aber auch wichtig ist, was auch Mittel sein kann. Um helle Farben zu malen, braucht man dunkle Flächen, also es ist auch manchmal notwendig einfach."
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