"Ich bin sehr froh, dass jetzt diese Umstellung da ist"

Willi Steul im Gespräch mit Gabi Wuttke · 15.12.2010
Ab 2013 sollen Rundfunkgebühren nicht mehr per Gerät, sondern per Haushalt erhoben werden. Die Ministerpräsidenten der Länder wollen darüber heute abschließend beraten. Deutschlandradio-Intendant Willi Steul findet das neue System "einfacher und klarer" als das bisherige.
Gabi Wuttke: Rundfunkgebühren ab 2013 sollen nicht mehr pro Gerät, sondern pro Haushalt abgerechnet werden. Diese grundsätzliche Entscheidung ist getroffen. Heute wollen die Ministerpräsidenten in Magdeburg die maßgebliche Änderung im Rundfunkstaatsvertrag absegnen. – Willi Steul, der Intendant des Deutschlandradios, ist deshalb im Studio. Guten Morgen!

Willi Steul: Guten Morgen!

Wuttke: War diese Zäsur auch aus Ihrer Sicht nötig?

Steul: Sie war nötig und, Frau Wuttke, ich bin richtig froh, dass jetzt diese Entscheidung so gefallen ist. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat über die Gebührenverweigerung, dass Menschen sich nicht mehr anmelden, über diese schon eine Infragestellung der Legitimation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und auch in dieser unendlichen Komplexität des alten Gebührenrechtes, was ja auf den einzelnen, auf das einzelne Gerät, auf das Radio bezogen wird, also in der Komplexität und auch dann, dass man das nicht mehr so richtig einsieht, immer mehr Geld verloren. Wir erzielen geringere Einnahmen, als uns eigentlich zustehen. Die Kontrollen durch die GEZ-Kontrolleure sind auch nicht unbedingt fein, obwohl notwendig. Ohne lange Story kurz zu machen: Ich bin sehr froh, dass jetzt diese Umstellung da ist, denn in einem modernen Haushalt gibt es Geräte, mit denen man Fernsehen und Rundfunk empfangen kann. Mit dieser neuen Abgabe werden halt eben Geräte erfasst, alle Geräte erfasst, und es gibt eine Entwicklung, die wir jetzt noch gar nicht kennen, und das ist insgesamt einfacher, es ist klarer und es wird uns hoffentlich auch bei dem Eindämmen der Verweigerung helfen.

Wuttke: Das heißt aber, ein entscheidendes Argument ist für Sie auch, dass die vielfältigere Medienwelt durchaus eben auch komplexer geworden ist?

Steul: Aber selbstverständlich! Es gibt ja mittlerweile Kühlschränke, über die Sie Fernsehen empfangen können.

Wuttke: Die Wirtschaft ist nach dem grundsätzlichen Beschluss auf die Barrikaden gegangen. Inwieweit sind die Länder den Betrieben da entgegengekommen?

Steul: Also es gab viel Verunsicherung und es gab natürlich auch viel Lobbyismus. Also wenn Autovermieter Milliardeneinnahmen hochgerechnet haben und gigantische Belastungen, dann war das schon Lobbyistentum und Druck zu machen. So ist das, wenn eine Veränderung ansteht. Dann gibt es Interessengruppen, die sich melden. Ich persönlich halte das Ganze für fair. Zum Beispiel in Betrieben, also sogenannten Betriebsstätten, wie das juristisch heißt, da ist noch für die Fahrzeuge zum Beispiel nur ein Drittel des Rundfunkbeitrages zu zahlen. Kleine Betriebe sind befreit von der Rundfunkgebühr, von der zusätzlichen. Es gibt eine in meinen Augen praktikable und vernünftige Staffelung, zum Beispiel bei Hotels nach der Zahl der Betten.
Ich sehe von unserer Seite, von meiner Seite einen Wermutstropfen in der ganzen Geschichte, die ich ansonsten sehr begrüße. Die Splittung fällt weg. Also wenn Sie heute im jetzigen System nur Radio hören und sich ganz bewusst nur für unser Medium entscheiden, dann zahlen Sie im Jahr 56 Euro, und künftig wird das wegfallen, die Gebühr bleibt gleich und derjenige, der bisher nur Radio hörte und 56 Euro im Jahr zahlte, der muss ab dem 1. Januar 2013 215 Euro zahlen. Es gibt mehr als eine Million Menschen, die sich bewusst nur fürs Radio entscheiden. Das schmerzt mich ein bisschen, weil viele dieser Hörer sind bei uns.

Wuttke: Ich greife zwei Stichworte von Ihnen noch mal auf, dass es etwas gibt, was Sie schmerzt, aber auch dass es Dinge gibt, die jetzt fair sind. Wie steht es denn um die Fairness bei dieser neuen Rundfunkgebührenordnung, die ja immer noch die Privaten nicht berücksichtigt?

Steul: Alle Urteile des Bundesverfassungsgerichtes, die sich befassen mit dem Rundfunk, sagen, dass der unabhängige, staatsferne, vom Bürger bezahlte Rundfunk, dass der ein sozusagen konstitutives Element unserer Demokratie ist, dass er wichtig ist für diese Demokratie. Ich kann dem folgen aus unserer Geschichte heraus, aus unserer Verfassungsgeschichte heraus, aus diesem Ansatz. Im Dualen System gibt es neben dem Rundfunk der öffentlich-rechtlichen Familie, die auch die Pflicht haben, eine bestimmte Grundversorgung zu finanzieren, den, nennen wir jetzt, kommerziellen Rundfunk, der sich ausschließlich aus Werbung finanzieren kann. Ein Programm wie Deutschlandradio Kultur, auch wie Deutschlandfunk und DRadio Wissen lässt sich nicht refinanzieren, also bezahlen aus Werbung. Es ist ein wichtiges Signal, dass wir zum Beispiel werbefrei sind. Wenn Sie Geld verdienen wollen mit Programmen, dann dürfen Sie keine Opernübertragungen machen. Wenn Sie Geld verdienen wollen mit Programmen – das ist das legitime Interesse des privaten Rundfunks -, dann machen Sie keine komplexen und komplizierten Hörspiele. Insofern finanziert sich der private Rundfunk über die Werbung, und zum Beispiel RTL, das Fernsehen, hat jetzt wieder das beste Quartal gehabt, das sie jemals in ihrer Geschichte hatten. Aber das, was wir machen, müssen Sie mit Gebühren finanzieren, sonst gibt es das nicht mehr.

Wuttke: Wenn die Ministerpräsidenten heute zugestimmt haben, wird den Landesparlamenten die neue Gebührenordnung vorgelegt. Erwarten Sie da noch irgendwelche Probleme?

Steul: Vor Gericht, auf hoher See und in Parlamenten ist man in Gottes Hand. – Das ist ein bisschen zu flapsig. – Probleme wirklich nicht mehr, aber man weiß es nicht. Aber dennoch: Es beginnt jetzt auch eine Serie der Befassungen in den Parlamenten, das wird auch noch das ganze nächste Jahr dauern. Der Kollege Peter Boudgoust, der jetzt den ARD-Vorsitz hat – im nächsten Jahr wird das Monika Piel vom WDR sein -, Markus Schächter, der Intendant des ZDF, und ich, wir waren schon in Länderparlamenten, wo wir diskutiert haben mit den Abgeordneten und auch unsere Sicht der Dinge dargestellt haben. Das wird sich auch noch fortsetzen. Wesentliche Änderungen sind eigentlich nicht mehr zu erwarten.

Wuttke: Heute entscheiden zunächst die Ministerpräsidenten in Magdeburg auch über die Reform der Rundfunkgebühren. Dazu in der "Ortszeit" Deutschlandradio-Intendant Willi Steul. Besten Dank.

Steul: Danke.
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