„Ich bin nicht glücklich. Werde es wohl auch nie wieder sein“
Christian Dietrich Grabbe war ein hellsichtiger Kopf, urteilte mit scharfer Zunge und spitzer Feder. Viel zu kritisch für die biedermeierlich-restaurative deutsche Provinz, aus der er kam und in der er bis zu seinem frühen Tod am 12. September 1836 lebte. Sieben Dramen und drei Lustspiele hat er für die Schublade geschrieben. Jetzt erfährt er auf dem Theater eine kleine Renaissance.
„Ich stehe erträglich und verdiene auch erträglich. Aber ich bin nicht glücklich. Werde es wohl auch nie wieder sein. Ich glaube, hoffe, wünsche, liebe, achte, hasse – nichts, sondern verachte nur noch immer das Gemeine. Ich bin mir selbst so gleichgültig, wie es mir ein Dritter ist.“
Ein erschreckendes Selbstporträt des 26-jährigen Christian Dietrich Grabbe, der, an Leib und Seele gebrochen, mit nur 35 Jahren am 12. September 1836 in seiner Geburtsstadt Detmold starb. Heinrich Heine, der Grabbe aus Berliner Studientagen kannte, diagnostizierte bei dem unglücklichen Zeitgenossen hellsichtig eine „geistige Intoxikation des Genies“.
Das kurze Leben des Christian Dietrich Grabbe begann als Sohn des Zuchtmeisters im Detmolder Zuchthaus und endete nach Siechtum und Unglück im Armenspital derselben Stadt, die er zeitlebens als Gefängnis empfand. Dazwischen lagen drei Jahrzehnte der Rebellion und Provokation, ein Jurastudium und der Brotberuf als Militärrichter – und monumentale Entwürfe für die Bühne, die in schrillem Gegensatz zu der jämmerlichen Mischung aus biedermeierlich-provinzieller Enge, geistigem Stillstand und Überwachung standen, die sein Alltagsleben bestimmten. Der Hof des Zuchthauses war sein Kinderspielplatz – und Bücher, Tausende von Büchern waren für ihn seit seiner Jugend Lebens- und Fluchtraum.
„Ich lese tausend Bücher, aber keines zieht mich an. Ruhm und Ehre sind Sterne, derenthalben ich nicht einmal aufblicke. Ich bin überzeugt, alles zu können, was ich will. Aber auch der Wille erscheint mir so erbärmlich, dass ich ihn nicht bemühe. Meine jahrelange Operation, den Verstand als Scheidewasser auf mein Gefühl zu gießen, scheint ihrem Ende zu nahen. Der Verstand ist ausgegossen und das Gefühl zertrümmert.“
Grabbe durchschaute und diagnostizierte sich selbst als hoffnungslos kompromissunfähig. Was ihm die Freiheit gab, auch das Unmögliche zu tun: Stücke gegen alle Konventionen zu schreiben, dazu bissige Rezensionen und Selbstpersiflagen:
„- Don Juan und Faust – nach Goethe und Mozart! Es ist unerträglich.
- Oah, den beiden Leuten nachzufolgen ist gefährlich; besonders dem Goethe, der hat viele tolle Hunde hinter sich.
- Ah! Goethes Faust ist so geistreich. Und wenn auch nicht gerade voller Gedanken, doch voll schöner Verse. Und der Don Juan im Operntext ist ein wahrer Élégant, ein liebenswürdiger Roué.
Und der Grabbesche scheint ein Genie sein zu sollen. Er liebt Rom, Donna Anna, tausend andre Mädchen, den Wein. Mhh, wer kann das fassen. Solche Leute gibt's nicht.
- Mmh ‚ch glaube, er hätte seinen Don Juan und Faust in der Tasche behalten sollen. ... der Mensch ist unverbesserlich, er tut doch was er will. Und trinkt deshalb keinen Schoppen Wein mehr oder weniger.
Es geht ihm mit dem Wein wie mit den Versen. Es fließt alles...“
Fließt und zerfließt ins Nichts, denn weder sein „Herzog Theodor von Gothland“ und die großen Hohenstaufen-Dramen noch „Hannibal“ oder „Napoleon oder Die hundert Tage“ fanden den Weg auf eine Bühne. Und sein wohl bedeutendstes Werk, das lebensprogrammatische Lustspiel „Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung“, wurde erst 70 Jahre nach seinem Tod uraufgeführt. Seine Zeit wäre diesem Grad an respektlosem Geplänkel und witziger Gesinnungsfreiheit auch nicht gewachsen gewesen. Grabbe lässt den Dichter Rattengift im Gespräch mit dem Teufel ein absurdes Pandämonium der deutschen Literatur entwerfen, zelebriert spielerisch eine witzige Umwertung aller Werte und stellt mal eben die Welt der Literatur auf den Kopf.
„Was geht mir da für eine Idee auf. Eben über den Gedanken, dass ich keinen Gedanken finden kann, will ich ein Sonett machen. Und wahrhaftig, dieser Gedanke über die Gedankenlosigkeit ist der genialste Gedanke, der mir einfallen konnte. Ich mache gleichsam eben darüber, dass ich nicht zu dichten vermag, ein Gedicht. Wie pikant! Wie originell!“
Am Ende steht ein Bankrott der Ordnung, der Mythen, des Pathos und tatsächlich jeder tieferen Bedeutung. Nicht die Trunksucht und nicht seine Depressionen waren verantwortlich für Grabbes Scheitern, sondern seine Unfähigkeit, ja: Unwilligkeit, die Kunst mit tiefer Bedeutung und hoher Moral zu befrachten. Seit ein paar Jahren zeichnet sich so etwas wie eine kleine Grabbe-Renaissance auf dem Theater ab, weil erst die Postmoderne uns seinen „Zynismus“, das lustvolle Schreddern von Ideologien, mit Bewusstsein genießen lässt.
Ein erschreckendes Selbstporträt des 26-jährigen Christian Dietrich Grabbe, der, an Leib und Seele gebrochen, mit nur 35 Jahren am 12. September 1836 in seiner Geburtsstadt Detmold starb. Heinrich Heine, der Grabbe aus Berliner Studientagen kannte, diagnostizierte bei dem unglücklichen Zeitgenossen hellsichtig eine „geistige Intoxikation des Genies“.
Das kurze Leben des Christian Dietrich Grabbe begann als Sohn des Zuchtmeisters im Detmolder Zuchthaus und endete nach Siechtum und Unglück im Armenspital derselben Stadt, die er zeitlebens als Gefängnis empfand. Dazwischen lagen drei Jahrzehnte der Rebellion und Provokation, ein Jurastudium und der Brotberuf als Militärrichter – und monumentale Entwürfe für die Bühne, die in schrillem Gegensatz zu der jämmerlichen Mischung aus biedermeierlich-provinzieller Enge, geistigem Stillstand und Überwachung standen, die sein Alltagsleben bestimmten. Der Hof des Zuchthauses war sein Kinderspielplatz – und Bücher, Tausende von Büchern waren für ihn seit seiner Jugend Lebens- und Fluchtraum.
„Ich lese tausend Bücher, aber keines zieht mich an. Ruhm und Ehre sind Sterne, derenthalben ich nicht einmal aufblicke. Ich bin überzeugt, alles zu können, was ich will. Aber auch der Wille erscheint mir so erbärmlich, dass ich ihn nicht bemühe. Meine jahrelange Operation, den Verstand als Scheidewasser auf mein Gefühl zu gießen, scheint ihrem Ende zu nahen. Der Verstand ist ausgegossen und das Gefühl zertrümmert.“
Grabbe durchschaute und diagnostizierte sich selbst als hoffnungslos kompromissunfähig. Was ihm die Freiheit gab, auch das Unmögliche zu tun: Stücke gegen alle Konventionen zu schreiben, dazu bissige Rezensionen und Selbstpersiflagen:
„- Don Juan und Faust – nach Goethe und Mozart! Es ist unerträglich.
- Oah, den beiden Leuten nachzufolgen ist gefährlich; besonders dem Goethe, der hat viele tolle Hunde hinter sich.
- Ah! Goethes Faust ist so geistreich. Und wenn auch nicht gerade voller Gedanken, doch voll schöner Verse. Und der Don Juan im Operntext ist ein wahrer Élégant, ein liebenswürdiger Roué.
Und der Grabbesche scheint ein Genie sein zu sollen. Er liebt Rom, Donna Anna, tausend andre Mädchen, den Wein. Mhh, wer kann das fassen. Solche Leute gibt's nicht.
- Mmh ‚ch glaube, er hätte seinen Don Juan und Faust in der Tasche behalten sollen. ... der Mensch ist unverbesserlich, er tut doch was er will. Und trinkt deshalb keinen Schoppen Wein mehr oder weniger.
Es geht ihm mit dem Wein wie mit den Versen. Es fließt alles...“
Fließt und zerfließt ins Nichts, denn weder sein „Herzog Theodor von Gothland“ und die großen Hohenstaufen-Dramen noch „Hannibal“ oder „Napoleon oder Die hundert Tage“ fanden den Weg auf eine Bühne. Und sein wohl bedeutendstes Werk, das lebensprogrammatische Lustspiel „Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung“, wurde erst 70 Jahre nach seinem Tod uraufgeführt. Seine Zeit wäre diesem Grad an respektlosem Geplänkel und witziger Gesinnungsfreiheit auch nicht gewachsen gewesen. Grabbe lässt den Dichter Rattengift im Gespräch mit dem Teufel ein absurdes Pandämonium der deutschen Literatur entwerfen, zelebriert spielerisch eine witzige Umwertung aller Werte und stellt mal eben die Welt der Literatur auf den Kopf.
„Was geht mir da für eine Idee auf. Eben über den Gedanken, dass ich keinen Gedanken finden kann, will ich ein Sonett machen. Und wahrhaftig, dieser Gedanke über die Gedankenlosigkeit ist der genialste Gedanke, der mir einfallen konnte. Ich mache gleichsam eben darüber, dass ich nicht zu dichten vermag, ein Gedicht. Wie pikant! Wie originell!“
Am Ende steht ein Bankrott der Ordnung, der Mythen, des Pathos und tatsächlich jeder tieferen Bedeutung. Nicht die Trunksucht und nicht seine Depressionen waren verantwortlich für Grabbes Scheitern, sondern seine Unfähigkeit, ja: Unwilligkeit, die Kunst mit tiefer Bedeutung und hoher Moral zu befrachten. Seit ein paar Jahren zeichnet sich so etwas wie eine kleine Grabbe-Renaissance auf dem Theater ab, weil erst die Postmoderne uns seinen „Zynismus“, das lustvolle Schreddern von Ideologien, mit Bewusstsein genießen lässt.