„Ich bin ja in vielerlei Gestalt“
Bayreuth ist nicht nur Richard Wagner, sondern auch Wo Sarazen: ein Kuriosum mit Hang zum Überiridischen, das enfant terrible der Stadt. Die ihn nicht mögen, nennen ihn einen Spinner, wer ihn schätzt, spricht von „Bayreuths schillerndster Persönlichkeit“. In seiner Villa hat er ein ungewöhnliches Museum eingerichtet, das „Verrottungsmuseum“. Jetzt wird Wo Sarazen alias Werner Baumann mit dem Kulturpreis der Stadt Bayreuth geehrt.
„Das wird also blau mit goldenen Sternchen drin.“
Wie einen Sternenhimmel will Wo Sarazen den Eingang zu seinen unterirdischen Kellergewölben bemalen, in denen sich sein Verrottungsmuseum befindet. Doch noch ist der Stein nur grau und feucht, die Luft riecht modrig – das ideale Klima für ein Museum, in dem Kunst langsam vergammeln soll: Objekte aus Eisenstangen und Metallspiralen, alte Schaufensterpuppen, Figuren aus Betonringen und Mistgabeln.
„In 200 Jahren wird alles zusammengefallen sein, durchgerostet, und wäre erst dann ein großartiges Kunstwerk. Weil in unserem Universum alles vergeht und wird neu geboren.“
„Der Graf von Monte Christo in Ketten. Ein fantastischer Roman. Und das Fantastische daran: der gefundene Schatz. Den könnt’ ich brauchen, die Puppen tanzen zu lassen.“
Als Schatzsucher kann man sich Wo Sarazen gut vorstellen, mit seinem weißen Vollbart und dem langen, leicht gewellten Haar, das bis über die Schultern fällt. Am linken Zeigefinger trägt er einen rechteckigen Bergkristall, in Gold gefasst und beinahe so lang wie der Finger selbst. Der Künstler liebt Kostüme. Heute ist er zwar in Pullover und Jeans gekleidet, aber zu besonderen Anlässen hüllt er sich in phantasievolle Seidengewänder wie ein Zauberer. An anderen Tagen trägt er einen eleganten weißen Anzug, dazu Fliege oder Rüschenhemd.
„Ich bin ja in vielerlei Gestalt. Wenn es eine Reinkarnation gibt, dann habe ich viele Existenzen. Aber schön wär, wenn ich nimmer auf diese Erde käme, sondern in eine andere Welt, wo Frieden ist.“
Wo Sarazen besitzt eine große Vorstellungskraft und hat unerschöpflich viele Ideen für seine Kunst. Die nicht nur in den labyrinthischen Gängen des Verrottungsmuseums Platz findet, sondern vor allem darüber, auf den drei Etagen seiner Villa.
„Wir haben bisschen umgeräumt.“
Schwungvoll steigt der Künstler die Treppen hinauf und erzählt begeistert von neuen Projekten, als habe er das ganze Leben noch vor sich. 82 Jahre ist er alt, aber voller Energie und Tatendrang, arbeitet nächtelang durch.
„Schau'n sie mal, diese erotischen Schuhe, die sind doch toll! Ist Kitsch, aber Kitsch kann doch auch schön sein.“
Stolz zeigt Wo Sarazen ein Paar pinkfarbene Stilettos, die er mit goldenen Kieseln gefüllt hat, oben ragen zwei Plastikbananen heraus. Im Raum nebenan steht eine Installation aus bunt lackierten Stühlen. Der Titel des Werkes: „Vom Arsch befreit“. Ein Stockwerk tiefer hängen Collagen aus Tapeten des 18. und 19. Jahrhunderts, Ölgemälde mit Blumen und floralen Mustern. Ein anderes Bild sieht aus wie von flirrenden Hitzewellen überzogen.
„Das bin ich in der Raumkapsel, das ist meine außerirdische Geliebte. Es soll sie ja geben, weiß nicht ... Ich halte alle Esoteriker für Narren und ich halte gleichzeitig alles für möglich.“
Außer- und überirdische Welten ziehen Wo Sarazen magisch an. Die reale Welt stößt ihn oft ab, mit seiner Heimatstadt Bayreuth hadert er seit Jahren.
„Ich hab mal gesagt, um Bayreuth lieben zu können, muss man es hassen. Aber hassen nicht. Ich kann in entsetzliche Wut kommen, aber hassen ...“
Die Wut packt ihn manchmal, weil er die Stadt engstirnig und provinziell findet, überlagert vom Mythos Richard Wagners, der für andere Künstler keinen Raum lasse.
„Aber auch das ist in die Knie zu zwingen, es wird einmal ein Tag kommen, da wird niemand wissen, wer Wagner war.“
Obwohl er sich unverstanden fühlt und noch immer um Anerkennung kämpft,
hat er doch fast sein ganzes Leben in der Stadt verbracht.
Gärtner lernte er hier nach der Schule, Messerwerfer oder Langstreckenläufer wäre er als Kind gern geworden. Nach 1945 zog er mit einem Varieté über die Dörfer, schrieb Groschenromane, hatte eine Buchhandlung, dann einen Antiquitätenladen. Seit 30 Jahren betreibt er mit seiner Frau ein Auktionshaus.
2001 hat er dort Nachttöpfe versteigert. „Scheiße und braun, das passt zu Bayreuth“, dachte Wo Sarazen damals. Heute ärgert ihn die Vorstellung, dass dies das Einzige sein könnte, was hängen bleibt, wenn die Leute an ihn denken.
„Wenn ich mal gestorben bin, werden ein paar blöde Bayreuther Dackel schreiben, ich bin der Mann, der die erste Nachttopf-Auktion der Welt gemacht hat, ich bin verrückt. Das ist dann mein Leben gewesen! Ich werd sagen, dieser Hund soll gleich die Scheißerei darauf kriegen – und das ist sogar ‚n guter Wunsch! Weil, wenn man Durchfall kriegt, das reinigt den Darm.“
Die Bayreuther Festspiele hat der Künstler in seinem langen Leben übrigens noch nie besucht.
„Natürlich höre ich die Musik, finde ich großartig, aber ich will nicht. Warum will ich nicht? Ich weiß es nicht.“
Wie einen Sternenhimmel will Wo Sarazen den Eingang zu seinen unterirdischen Kellergewölben bemalen, in denen sich sein Verrottungsmuseum befindet. Doch noch ist der Stein nur grau und feucht, die Luft riecht modrig – das ideale Klima für ein Museum, in dem Kunst langsam vergammeln soll: Objekte aus Eisenstangen und Metallspiralen, alte Schaufensterpuppen, Figuren aus Betonringen und Mistgabeln.
„In 200 Jahren wird alles zusammengefallen sein, durchgerostet, und wäre erst dann ein großartiges Kunstwerk. Weil in unserem Universum alles vergeht und wird neu geboren.“
„Der Graf von Monte Christo in Ketten. Ein fantastischer Roman. Und das Fantastische daran: der gefundene Schatz. Den könnt’ ich brauchen, die Puppen tanzen zu lassen.“
Als Schatzsucher kann man sich Wo Sarazen gut vorstellen, mit seinem weißen Vollbart und dem langen, leicht gewellten Haar, das bis über die Schultern fällt. Am linken Zeigefinger trägt er einen rechteckigen Bergkristall, in Gold gefasst und beinahe so lang wie der Finger selbst. Der Künstler liebt Kostüme. Heute ist er zwar in Pullover und Jeans gekleidet, aber zu besonderen Anlässen hüllt er sich in phantasievolle Seidengewänder wie ein Zauberer. An anderen Tagen trägt er einen eleganten weißen Anzug, dazu Fliege oder Rüschenhemd.
„Ich bin ja in vielerlei Gestalt. Wenn es eine Reinkarnation gibt, dann habe ich viele Existenzen. Aber schön wär, wenn ich nimmer auf diese Erde käme, sondern in eine andere Welt, wo Frieden ist.“
Wo Sarazen besitzt eine große Vorstellungskraft und hat unerschöpflich viele Ideen für seine Kunst. Die nicht nur in den labyrinthischen Gängen des Verrottungsmuseums Platz findet, sondern vor allem darüber, auf den drei Etagen seiner Villa.
„Wir haben bisschen umgeräumt.“
Schwungvoll steigt der Künstler die Treppen hinauf und erzählt begeistert von neuen Projekten, als habe er das ganze Leben noch vor sich. 82 Jahre ist er alt, aber voller Energie und Tatendrang, arbeitet nächtelang durch.
„Schau'n sie mal, diese erotischen Schuhe, die sind doch toll! Ist Kitsch, aber Kitsch kann doch auch schön sein.“
Stolz zeigt Wo Sarazen ein Paar pinkfarbene Stilettos, die er mit goldenen Kieseln gefüllt hat, oben ragen zwei Plastikbananen heraus. Im Raum nebenan steht eine Installation aus bunt lackierten Stühlen. Der Titel des Werkes: „Vom Arsch befreit“. Ein Stockwerk tiefer hängen Collagen aus Tapeten des 18. und 19. Jahrhunderts, Ölgemälde mit Blumen und floralen Mustern. Ein anderes Bild sieht aus wie von flirrenden Hitzewellen überzogen.
„Das bin ich in der Raumkapsel, das ist meine außerirdische Geliebte. Es soll sie ja geben, weiß nicht ... Ich halte alle Esoteriker für Narren und ich halte gleichzeitig alles für möglich.“
Außer- und überirdische Welten ziehen Wo Sarazen magisch an. Die reale Welt stößt ihn oft ab, mit seiner Heimatstadt Bayreuth hadert er seit Jahren.
„Ich hab mal gesagt, um Bayreuth lieben zu können, muss man es hassen. Aber hassen nicht. Ich kann in entsetzliche Wut kommen, aber hassen ...“
Die Wut packt ihn manchmal, weil er die Stadt engstirnig und provinziell findet, überlagert vom Mythos Richard Wagners, der für andere Künstler keinen Raum lasse.
„Aber auch das ist in die Knie zu zwingen, es wird einmal ein Tag kommen, da wird niemand wissen, wer Wagner war.“
Obwohl er sich unverstanden fühlt und noch immer um Anerkennung kämpft,
hat er doch fast sein ganzes Leben in der Stadt verbracht.
Gärtner lernte er hier nach der Schule, Messerwerfer oder Langstreckenläufer wäre er als Kind gern geworden. Nach 1945 zog er mit einem Varieté über die Dörfer, schrieb Groschenromane, hatte eine Buchhandlung, dann einen Antiquitätenladen. Seit 30 Jahren betreibt er mit seiner Frau ein Auktionshaus.
2001 hat er dort Nachttöpfe versteigert. „Scheiße und braun, das passt zu Bayreuth“, dachte Wo Sarazen damals. Heute ärgert ihn die Vorstellung, dass dies das Einzige sein könnte, was hängen bleibt, wenn die Leute an ihn denken.
„Wenn ich mal gestorben bin, werden ein paar blöde Bayreuther Dackel schreiben, ich bin der Mann, der die erste Nachttopf-Auktion der Welt gemacht hat, ich bin verrückt. Das ist dann mein Leben gewesen! Ich werd sagen, dieser Hund soll gleich die Scheißerei darauf kriegen – und das ist sogar ‚n guter Wunsch! Weil, wenn man Durchfall kriegt, das reinigt den Darm.“
Die Bayreuther Festspiele hat der Künstler in seinem langen Leben übrigens noch nie besucht.
„Natürlich höre ich die Musik, finde ich großartig, aber ich will nicht. Warum will ich nicht? Ich weiß es nicht.“