"Ich bin eine ziemlich normale Person"
Sie schuf ikonische Aufnahmen der Bundesrepublik: Die Fotografin Barbara Klemm. Eine Schau im Martin-Gropius-Bau würdigt ihr Werk jetzt mit einer Retrospektive. Für viele sind ihre Bilder Kunst, doch eine Künstlerin wollte sie nie sein. Ihre Beweggründe sind ganz andere.
Joachim Scholl: Ein Foto, das eine Geschichte erzählt – Willy Brandt und Helmut Schmidt, voneinander abgewandt mit versteinerten Mienen, zwei Männer, die sichtlich einander fremd sind. Man glaubt, die Gedanken der beiden lesen zu können. Wenn man die Geschichte der Bundesrepublik in Bildern erzählen will, kommt man um solche Aufnahmen nicht herum, und sie stammen von Barbara Klemm. In mehr als 40 Jahren hat sie Aufnahmen aus dem politischen Leben und dem Alltag der Deutschen gemacht, Aufnahmen, die heute zum kollektiven fotografischen Gedächtnis unseres Landes zählen, so wurde es oft bezeichnet. Und wie viele Fotos das sind, die sich auf diese Weise eingebrannt haben, zeigt nun eine große Retrospektive des Werks von Barbara Klemm im Berliner Martin-Gropius-Bau. Und hier treffen wir sie auch, guten Tag, Frau Klemm!
Barbara Klemm: Guten Tag!
Scholl: Vor zwei Jahren bekamen Sie zu Ihren vielen Auszeichnungen auch noch den Orden Pour le mérite für Wissenschaften und Künste, und der Dichter Durs Grünbein hielt die Laudatio und nannte Sie "eine Institution". Sehen Sie sich selber so?
Klemm: Nein. Ich glaube, ich bin eine ziemlich normale Person und hab einfach versucht, in meinem Leben viele Sachen zu fotografieren, und habe für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" gearbeitet, und das war ein normales Fotografenleben, würde ich mal sagen.
Barbara Klemm: Guten Tag!
Scholl: Vor zwei Jahren bekamen Sie zu Ihren vielen Auszeichnungen auch noch den Orden Pour le mérite für Wissenschaften und Künste, und der Dichter Durs Grünbein hielt die Laudatio und nannte Sie "eine Institution". Sehen Sie sich selber so?
Klemm: Nein. Ich glaube, ich bin eine ziemlich normale Person und hab einfach versucht, in meinem Leben viele Sachen zu fotografieren, und habe für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" gearbeitet, und das war ein normales Fotografenleben, würde ich mal sagen.
"Eine Retrospektive wie eine deutsche Chronik"
Scholl: Aber es ist ja dann doch über die Jahrzehnte mehr geworden und ein Renommee geworden und auch ein Werk geworden, das man jetzt betrachten kann wirklich auch in Gänze. Sie haben diese Retrospektive selbst mit gestaltet, und in der Zusammenschau entsteht ja auf jeden Fall so etwas wie eine deutsche Chronik. Und wir sehen die historische Bedeutung. Ich hab mich gefragt, wie wirken diese Bilder auf Sie selbst? Jedes einzelne hat ja seine individuelle Geschichte, die nur Sie kennen?
Klemm: Ja, das ist ja immer das Interessante eigentlich dabei, dass man diese Geschichten, die man erlebt, in dem Moment, wo man sie erlebt und fotografiert, ja oft noch gar nicht historisch unbedingt sein müssen oder sind. Also man weiß es gar nicht, dass sie historisch werden. Und da ist man einfach dran interessiert, zu sehen, wie man in einem Bild dann ein Ereignis erfassen kann. Und das ist bei uns Fotografen viel schwieriger als bei einem Film, weil die dann einen Schwenk machen. Und das ist so das, was die Ausdauer, die Konzentration, das genaue Betrachten und das Wissen verlangt. Und da haben Sie ja ganz schön erzählt von Willy Brandt und Helmut Schmidt und wie wenig die miteinander zu tun haben wollten, aber doch zusammen die Partei nach vorn bringen mussten. Und dadurch der Januskopf, wie sie miteinander am Hinterkopf verbunden sind, aber jeder nach der anderen Richtung guckt. Und das sind Dinge, die können Sie eigentlich, glaube ich, nur fotografieren, wenn Sie halt wissen, wie die politischen Sachen laufen oder was wer mit wem kann oder nicht. Also ich war auch, ich bin ein sehr politischer Mensch, und so hat mich auch die Politik eigentlich mit am meisten interessiert, auch wenn das Politische ins Soziale geht.
Scholl: Das heißt, Sie haben sich doch oft auch, wenn man so will, vorbereitet auf ein Foto oder auf die Situation, in der Sie das Foto machen, und hatten schon so eine Idee, wie Sie es machen wollten?
Klemm: Das ist natürlich ganz schwierig. Immer hat man sich eine Vorstellung gemacht, und dann kommt man irgendwo hin und dann ist es ganz anders. Und dann müssen Sie unglaublich flexibel reagieren und aus dem, was Sie dann vorfinden, das Optimalste versuchen zu bekommen.
Scholl: Der eine Moment, in dem alles in einem Foto eingefangen ist. Auf den kommt es Ihnen an, wie Sie mal bemerkt haben. Erzählen sie uns davon, Barbara Klemm, wie dieser Moment gelingt, vielleicht an einem Beispiel, ein berühmtes Foto, das jetzt auch in der Retrospektive zu sehen ist. 1973, Willy Brandt und Leonid Breschnew im Kanzleramt. Eine ganz merkwürdige Aufnahme, er sitzt so halb hingefläzt im Sessel, Leonid Breschnew schaut fast zu ihm auf und außen rum sind alle Adlaten, man sieht Walter Scheel – erzählen Sie uns, was war das für ein Moment?
Klemm: Ja, das ist ja immer das Interessante eigentlich dabei, dass man diese Geschichten, die man erlebt, in dem Moment, wo man sie erlebt und fotografiert, ja oft noch gar nicht historisch unbedingt sein müssen oder sind. Also man weiß es gar nicht, dass sie historisch werden. Und da ist man einfach dran interessiert, zu sehen, wie man in einem Bild dann ein Ereignis erfassen kann. Und das ist bei uns Fotografen viel schwieriger als bei einem Film, weil die dann einen Schwenk machen. Und das ist so das, was die Ausdauer, die Konzentration, das genaue Betrachten und das Wissen verlangt. Und da haben Sie ja ganz schön erzählt von Willy Brandt und Helmut Schmidt und wie wenig die miteinander zu tun haben wollten, aber doch zusammen die Partei nach vorn bringen mussten. Und dadurch der Januskopf, wie sie miteinander am Hinterkopf verbunden sind, aber jeder nach der anderen Richtung guckt. Und das sind Dinge, die können Sie eigentlich, glaube ich, nur fotografieren, wenn Sie halt wissen, wie die politischen Sachen laufen oder was wer mit wem kann oder nicht. Also ich war auch, ich bin ein sehr politischer Mensch, und so hat mich auch die Politik eigentlich mit am meisten interessiert, auch wenn das Politische ins Soziale geht.
Scholl: Das heißt, Sie haben sich doch oft auch, wenn man so will, vorbereitet auf ein Foto oder auf die Situation, in der Sie das Foto machen, und hatten schon so eine Idee, wie Sie es machen wollten?
Klemm: Das ist natürlich ganz schwierig. Immer hat man sich eine Vorstellung gemacht, und dann kommt man irgendwo hin und dann ist es ganz anders. Und dann müssen Sie unglaublich flexibel reagieren und aus dem, was Sie dann vorfinden, das Optimalste versuchen zu bekommen.
Scholl: Der eine Moment, in dem alles in einem Foto eingefangen ist. Auf den kommt es Ihnen an, wie Sie mal bemerkt haben. Erzählen sie uns davon, Barbara Klemm, wie dieser Moment gelingt, vielleicht an einem Beispiel, ein berühmtes Foto, das jetzt auch in der Retrospektive zu sehen ist. 1973, Willy Brandt und Leonid Breschnew im Kanzleramt. Eine ganz merkwürdige Aufnahme, er sitzt so halb hingefläzt im Sessel, Leonid Breschnew schaut fast zu ihm auf und außen rum sind alle Adlaten, man sieht Walter Scheel – erzählen Sie uns, was war das für ein Moment?
"Das gelingt sehr selten"
Klemm: Also, das war natürlich für die Bundesrepublik ein enorm großes politisches Ereignis, dass zum ersten Mal ein Generalsekretär von der Sowjetunion die Bundesrepublik besucht hat. Und es war ja noch im Kalten Krieg. Und Willy Brandt hat versucht, eben die Kontakte zu knüpfen und zu sehen, wie das mit dem Osten, ob man da ins Gespräch kommen kann und etwas entwickeln kann, was diesen Kalten Krieg abbauen lässt. Und da waren natürlich Hunderte von Journalisten da, und für mich war es das erste große Ereignis, was ich machte für die Zeitung, und hatte von nichts eine Ahnung und hab also, ohne dass ich die richtige Pool-Karte hatte, habe ich es geschafft, in diesen ganz kleinen Kreis reinzukommen, also, wir waren fünf Fotografen. Und dadurch, dass auch kein Fernsehen dabei war, haben wir die Intimität dieses Gespräches zwischen den Herrn einfach nicht gestört. Sie hatten uns vergessen. Und immer hab ich die Angst gehabt, gleich werden wir rausgeschmissen. Und diese Möglichkeit zu bekommen, Politik sozusagen fotografieren zu können, das gelingt sehr selten.
Scholl: Im Deutschlandradio Kultur sind wir im Gespräch mit der Fotografin Barbara Klemm. Eine Retrospektive ihres Werks ist jetzt im Berliner Martin-Gropius-Bau zu sehen. Sie haben einmal gesagt, Frau Klemm, der erste Blick ist immer der zweite. Dass vor dem Bild eigentlich die eigentliche Szene liegt, und wir kommen immer zu spät. Ich hab mich gefragt, ob diese Empfindung, die schwer zu begreifen ist für jemand, der sich nur dieses Foto anschaut, weil er denkt, das ist die Szene, das ist das Bild, wie das für Sie selbst ist, wenn Sie dann später auf diese Bilder blicken.
Klemm: Ja, also das eine ist, dass es bei diesen Bildern sich mehr um Situationen handelt, die ich auf der Straße sehe. Also Gruppierungen von Menschen, die mich interessieren, oder wie sie sich unterhalten oder die irgendetwas haben, was mich neugierig macht und wo ich denke, andere mögen das vielleicht auch sehen. Und da – bis sie, wenn ich das sehe, und bis ich die Kamera am Auge habe, kann schon sich etwas verändert haben, dass der Moment nicht mehr diese Intensität hat, wie ich es erlebt hab, in dem Moment, wo ich es sah. Und natürlich ist es immer noch sehr gut, und Sie können nicht wissen, was ich vorher gesehen hab und nicht fotografieren konnte. Und dadurch kommt das zustande, dass ich sagte, es ist der zweite Blick, den ich dann dem Betrachter serviere, und Sie denken, es ist der erste. Also es sind eben minimale Unterschiede, aber es ärgert einen doch immer.
Scholl: Sie kommen aus einem Künstlerhaushalt, Ihr Vater war Maler. Und daraus schließt man so bei der Beurteilung Ihrer Arbeit gemeinhin inzwischen: Klar, die Frau hat früh mit Komposition, Bildgestaltung zu tun gehabt – hat Sie das beeinflusst?
Klemm: Wenn, dann ganz unbewusst. Wir sind mit Kunst groß geworden, meine Mutter war auch Künstlerin, und die beiden, meine Eltern haben sich auf der Kunstakademie kennengelernt, aber sie haben uns nicht in die Museen geschleppt. Das kam in der Zeit, wo ich dann in Frankfurt war und meinen Mann kennenlernte und wir immer interessiert waren an Kunst. Und da können Sie natürlich wunderbar beobachten, wie die Maler ihre Kompositionen legen.
Scholl: Im Deutschlandradio Kultur sind wir im Gespräch mit der Fotografin Barbara Klemm. Eine Retrospektive ihres Werks ist jetzt im Berliner Martin-Gropius-Bau zu sehen. Sie haben einmal gesagt, Frau Klemm, der erste Blick ist immer der zweite. Dass vor dem Bild eigentlich die eigentliche Szene liegt, und wir kommen immer zu spät. Ich hab mich gefragt, ob diese Empfindung, die schwer zu begreifen ist für jemand, der sich nur dieses Foto anschaut, weil er denkt, das ist die Szene, das ist das Bild, wie das für Sie selbst ist, wenn Sie dann später auf diese Bilder blicken.
Klemm: Ja, also das eine ist, dass es bei diesen Bildern sich mehr um Situationen handelt, die ich auf der Straße sehe. Also Gruppierungen von Menschen, die mich interessieren, oder wie sie sich unterhalten oder die irgendetwas haben, was mich neugierig macht und wo ich denke, andere mögen das vielleicht auch sehen. Und da – bis sie, wenn ich das sehe, und bis ich die Kamera am Auge habe, kann schon sich etwas verändert haben, dass der Moment nicht mehr diese Intensität hat, wie ich es erlebt hab, in dem Moment, wo ich es sah. Und natürlich ist es immer noch sehr gut, und Sie können nicht wissen, was ich vorher gesehen hab und nicht fotografieren konnte. Und dadurch kommt das zustande, dass ich sagte, es ist der zweite Blick, den ich dann dem Betrachter serviere, und Sie denken, es ist der erste. Also es sind eben minimale Unterschiede, aber es ärgert einen doch immer.
Scholl: Sie kommen aus einem Künstlerhaushalt, Ihr Vater war Maler. Und daraus schließt man so bei der Beurteilung Ihrer Arbeit gemeinhin inzwischen: Klar, die Frau hat früh mit Komposition, Bildgestaltung zu tun gehabt – hat Sie das beeinflusst?
Klemm: Wenn, dann ganz unbewusst. Wir sind mit Kunst groß geworden, meine Mutter war auch Künstlerin, und die beiden, meine Eltern haben sich auf der Kunstakademie kennengelernt, aber sie haben uns nicht in die Museen geschleppt. Das kam in der Zeit, wo ich dann in Frankfurt war und meinen Mann kennenlernte und wir immer interessiert waren an Kunst. Und da können Sie natürlich wunderbar beobachten, wie die Maler ihre Kompositionen legen.
"Bilder im Rang von Kunst"
Scholl: Heute stellt man Ihre Bilder automatisch in den Rang von Kunst auch, und viele Kommentatoren beschreiben Sie auch als Künstler, so wie Sie sich schildern, Frau Klemm, sind Sie eine professionelle Fotojournalistin –
Klemm: Das ist völlig richtig!
Scholl: – aber den Blick auf diese Bilder, und bei vielen hat man das Gefühl, dass sie wirklich Bildkompositionen sind, und dieser Blick auch, der Moment, genau diesen Ausschnitt zu wählen, ist das nicht doch was Künstlerisches?
Klemm: Wissen Sie, ich hab immer wirklich nur eine gute Arbeit machen wollen für die Zeitung. Und da klar ist, das wird veröffentlicht, ist man auch selber dran interessiert, dass man auch das Niveau natürlich hält, wenn man einmal – einmal glückt einem ein gutes Bild, aber es ist nicht gesagt, dass das beim zweiten oder dritten Mal wieder funktioniert. Also, dass man daran arbeitet, dass man wirklich was Gutes herstellt, was Journalistisches, was den Leser neugierig macht, den Artikel zu lesen. Da ich für eine Zeitung gearbeitet hab und nicht für eine Illustrierte, ist es das Bild, was etwas beinhalten muss, was den Leser reizen soll, den Artikel zu lesen, nämlich eine Zeitung liest man. Wenn dann dabei wirklich ein gut gestaltetes Foto zustande kommt und die Museumsleute, die Direktoren denken, das ist künstlerisch, dann freue ich mich darüber und akzeptier das auch. Aber ich bin nicht an die Arbeit dran gegangen, um Kunst zu machen.
Scholl: Sie sind immer beim Schwarzweiß geblieben – warum eigentlich?
Klemm: Weil ich finde, dass es sehr den Inhalt konzentriert, man sich auf den Inhalt konzentrieren kann. In der journalistischen Fotografie ist man so abhängig von den Dingen, die man vorfindet, wo man nichts gestalten kann, und dann werden die Bilder bunt. Und das wollte ich nicht. Und wenn Sie nur in Schwarzweiß, was ja, wie ich auch schon sagte, Farbe genug ist, weil ja sehr viele Grautöne drin sind, sind Sie von all diesen Umständen nicht abhängig, sondern es verdichtet sich und zeigt den Inhalt besser. Und bei der Zeitung ist es so, dass es mit dem Text homogen ist. Der Text ist auch schwarzweiß.
Scholl: Die großen Foto-Ikonen dieses Jahrhunderts oder des 20. Jahrhunderts sind alle in Schwarzweiß und haben merkwürdigerweise vielleicht gerade dadurch diesen künstlerischen Rang, weil sie durch die Lichtverhältnisse, auch durch das Dokumentarische, das sie immer ausstrahlen, eigentlich diese besondere Aura haben. Gibt es eigentlich Fotokünstler, die Sie sehr bewundern oder von denen Sie gelernt haben?
Klemm: Gelernt, weiß ich nicht, man lernt von vielen Sachen. Das, was das Bild ausmacht, ist etwas, was von innen raus kommt, glaube ich. Und wie man sich verhält jemandem gegenüber, den man porträtiert. Und mir war es wichtig bei meinen Porträts, den Menschen die Möglichkeit zu geben, so zu bleiben, wie sie sind.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Klemm: Das ist völlig richtig!
Scholl: – aber den Blick auf diese Bilder, und bei vielen hat man das Gefühl, dass sie wirklich Bildkompositionen sind, und dieser Blick auch, der Moment, genau diesen Ausschnitt zu wählen, ist das nicht doch was Künstlerisches?
Klemm: Wissen Sie, ich hab immer wirklich nur eine gute Arbeit machen wollen für die Zeitung. Und da klar ist, das wird veröffentlicht, ist man auch selber dran interessiert, dass man auch das Niveau natürlich hält, wenn man einmal – einmal glückt einem ein gutes Bild, aber es ist nicht gesagt, dass das beim zweiten oder dritten Mal wieder funktioniert. Also, dass man daran arbeitet, dass man wirklich was Gutes herstellt, was Journalistisches, was den Leser neugierig macht, den Artikel zu lesen. Da ich für eine Zeitung gearbeitet hab und nicht für eine Illustrierte, ist es das Bild, was etwas beinhalten muss, was den Leser reizen soll, den Artikel zu lesen, nämlich eine Zeitung liest man. Wenn dann dabei wirklich ein gut gestaltetes Foto zustande kommt und die Museumsleute, die Direktoren denken, das ist künstlerisch, dann freue ich mich darüber und akzeptier das auch. Aber ich bin nicht an die Arbeit dran gegangen, um Kunst zu machen.
Scholl: Sie sind immer beim Schwarzweiß geblieben – warum eigentlich?
Klemm: Weil ich finde, dass es sehr den Inhalt konzentriert, man sich auf den Inhalt konzentrieren kann. In der journalistischen Fotografie ist man so abhängig von den Dingen, die man vorfindet, wo man nichts gestalten kann, und dann werden die Bilder bunt. Und das wollte ich nicht. Und wenn Sie nur in Schwarzweiß, was ja, wie ich auch schon sagte, Farbe genug ist, weil ja sehr viele Grautöne drin sind, sind Sie von all diesen Umständen nicht abhängig, sondern es verdichtet sich und zeigt den Inhalt besser. Und bei der Zeitung ist es so, dass es mit dem Text homogen ist. Der Text ist auch schwarzweiß.
Scholl: Die großen Foto-Ikonen dieses Jahrhunderts oder des 20. Jahrhunderts sind alle in Schwarzweiß und haben merkwürdigerweise vielleicht gerade dadurch diesen künstlerischen Rang, weil sie durch die Lichtverhältnisse, auch durch das Dokumentarische, das sie immer ausstrahlen, eigentlich diese besondere Aura haben. Gibt es eigentlich Fotokünstler, die Sie sehr bewundern oder von denen Sie gelernt haben?
Klemm: Gelernt, weiß ich nicht, man lernt von vielen Sachen. Das, was das Bild ausmacht, ist etwas, was von innen raus kommt, glaube ich. Und wie man sich verhält jemandem gegenüber, den man porträtiert. Und mir war es wichtig bei meinen Porträts, den Menschen die Möglichkeit zu geben, so zu bleiben, wie sie sind.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.