"Ich bin ein gefühlsreicher Mensch"

Von Christian Geuenich |
Mit gerade mal 18 Jahren hat Frederick Lau schon in über 30 Filmen mitgewirkt. Oft spielt er den Außenseiter, den Verlierer, den verletzlichen und introvertierten Jugendlichen. Für seine Rolle in "Die Welle" wurde er mit dem Deutschen Filmpreis als bester Nebendarsteller ausgezeichnet. Doch trotz des enormen Erfolgs bleibt der "echte Berliner Junge" bodenständig.
"Eigentlich kann man ja irgendwie darüber lachen, wenn man am Abend nach Hause geht, dann denkt man, man war heute mal wieder jemand ganz anderes sozusagen, und das reizt mich – einfach zu Spielen. Deine Gedanken sozusagen in deinen Körper zu bringen, in deine Tätigkeit, in deine Sprache."

Am Morgen ist Frederick Lau erst von Dreharbeiten unter der Regie des französischen Schauspielstars Julie Delpy zurückgekommen. Jetzt steht der 18-Jährige in Jeans, schwarzen Turnschuhen und einer blauen Baumwollmütze, die lose auf dem Kopf sitzt, etwas müde vor einem Cafe in Berlin-Prenzlauer Berg und raucht eine Zigarette. Kaum hat der Jungschauspieler im Cafe auf der 60er-Jahre-Couch Platz genommen, präsentiert er sich recht ausgeschlafen und lacht viel – sehr viel.

"Immer wenn ich dann einrolle mit dem Zug, wirklich ich bin so fröhlich, da wird erst mal angerufen, und ich hab so gute Laune, ich weiß nicht warum, es ist einfach Heimat, seine Häuser zu sehen, die man jeden Tag sieht eigentlich und dann in die Wohnung zu gehen, sich schön auf die Couch zu setzen und zu wissen, dass man morgen nicht um 7 Uhr raus muss."

Im Kinofilm "Freischwimmer" - einer Mischung aus schwarzer Tragikomödie, Thriller und bitterbösem Märchen - ist Frederick Lau als rothaariger unsportlicher Außenseiter mit Hörgerät zu sehen, der erfolglos für das hübscheste Mädchen der Schule schwärmt. Seine alleinerziehende Mutter möchte ausgerechnet den von ihm gehassten Sportlehrer Sammer heiraten.

Filmausschnitt "Freischwimmer"
Rico: "Mein Vater ist vor meinen Augen ertrunken."
Deutschlehrer: "Tut mir leid."
Rico: "Er war zu besoffen und konnte nicht schwimmen. Dann bin ich hinterhergesprungen, aber ich konnte auch nicht schwimmen. Dann hat mich Sammer rausgefischt."
Deutschlehrer: "Sammer?"
Rico: "Meine Mutter und er haben zugeguckt."

Frederick Lau spielt häufig diese introvertierten Typen, Außenseiter, die gerne Freunde hätten - wie auch im Kinofilm "Die Welle" - Verlierer oder Jugendliche aus zerrüttetem Elternhaus. Wenn der Junge mit den aschblonden, kurzen Haaren und den Sommersprossen diese verletzlichen Rollen spielt, neigt er verängstigt den Oberkörper nach vorne, zieht eine tiefe Falte in die Stirn, presst die Lippen aufeinander, dass sie nur noch ein Strich sind und setzt diesen verwundeten, nach innen gekehrten Blick auf, der die Zuschauer anrührt.

"Ja, viele Freunde sagen, irgendwie bist du ja ganz anders, und die sind total verwirrt davon, das ist ganz lustig, das ist schön für einen selber, das ist klasse, was will man mehr, ja es kommen viele Leute auf mich zu und sind verwundert, dass ich nicht so bin wie im Film, aber ist halt so."

Aber ein bisschen was von diesem sensiblen, verletzlichen Jungen muss doch auch in ihm schlummern? Frederick Lau überlegt, sucht lange nach den richtigen Worten und schmunzelt schließlich.

"Sensibel passt schon, aber ich glaube, was ein schönes Wort ist, was ich mir gerade selbst ausgedacht habe, ich finde gefühlsreich, ich glaube, ich bin ein gefühlsreicher Mensch."

Frederick Lau ist als Einzelkind in Berlin-Steglitz aufgewachsen, die Eltern haben ein Antiquitätengeschäft. Mit 8 Jahren möchte er eigentlich noch Eishockey-Profi werden, mit 13 wird er als rechter Stürmer Deutscher Schülermeister mit den Berlin Capitals. Der absolute Siegeswille rührt noch aus der Zeit des Hochleistungssports.

"Ich bin unglaublich ehrgeizig, und wenn ich verliere, bin ich sehr, sehr sauer. Ich kann überhaupt nicht verlieren, wenn ich mit mir unzufrieden bin, ist alles zerstört, ich bin sehr selbstkritisch und nehm die Sachen immer sehr, sehr ernst, aber muss man ja auch, also die Sachen, die wichtig sind, Job und sowas."

Selbst beim "Mensch-ärgere-dich-nicht" fliege das Brett, wenn er verliert, sagt Frederick Lau lachend, aber er sei eben immer mit Herz dabei.

Mit zehn liest er eine Annonce in der Zeitung, geht zum Casting und bekommt die Rolle. Danach spricht ihn eine Schauspiel-Agentin an, es folgen weitere Rollen, in denen er einfach spielt, Spaß hat, ohne groß darüber nachzudenken. Erst mit 15 entscheidet er sich, dass aus dem Spiel sein Beruf werden soll. Einen Großteil seiner Schulzeit bis zur Mittleren Reife hat er am Set verbracht, die Schularbeiten nach Drehschluss mit einem Privatlehrer erledigt.

"Ich war erst aufm Gymnasium und da haben sie mich runtergeschmissen, weil die meinten, ich soll mich entscheiden, ob ich Schule oder Film machen will, dann habe ich gesagt, ja Film, hab mir dann von meinem verdienten Geld ne Privatschule finanziert, was echt teuer war, aber die waren da echt ein bisschen lockerer, die waren einsichtig und das hat dann ganz gut funktioniert mit denen.""

Mittlerweile, nach über 30 Filmen, kann man den 18-Jährigen Autodidakten als etablierten Schauspieler bezeichnen. Ende April hat er den Deutschen Filmpreis für die beste Nebenrolle in "Die Welle" erhalten. Trotzdem bleibt der Jungschauspieler, der vor zwei Jahren in eine eigene Wohnung in Schöneberg gezogen ist, bodenständig.

"Ach, ich wohn in so ner ganz kleinen Wohnung, die Decken sind so ganz tief, obwohl es ein Altbau ist, hab ein kleines Gärtchen, das ist ganz entspannt, aber sonst ganz bescheiden. Die kleinste Toilette der Welt habe ich und ne kleine Dusche. Das ist glaube ich auch ein bisschen überheblich, wenn man sich da so ne 100-Quadratmeter-Wohnung zulegt, weil ich wohn alleine, das ist ja ohne Sinn, da reicht mir ein Zimmer."

Seine Freundin geht noch zur Schule, seine Freunde kommen auch nicht aus der Filmwelt. Mit ihnen trifft sich der "Berliner Junge", wie er sich stolz nennt, sobald er von Dreharbeiten wieder nach Hause kommt. Aus dieser Stadt wegzuziehen, ist für ihn undenkbar – auch ein Grund, warum er seine Zukunft auf dem deutschen und nicht dem internationalen Markt sieht. Und was sagen seine Eltern zu seiner märchenhaften Karriere?

"Die sind da eigentlich ganz entspannt, die sagen immer, mach mal, was du denkst und so hab ich’s auch gemacht. Die reden mir da nicht rein, die unterstützen mich voll, egal was und die wissen, dass ich das liebe. Ich will nichts anderes machen, das war sozusagen mein Traum, und ich probier, weiter zu träumen."