"Ich bin ein Fucking-Mongo"

Von Anke Schaefer · 13.05.2013
Sie spielen und tanzen auf der Bühne und zeigen dabei auch ihren eigenen Schmerz über das Leben mit Behinderung. "Disabled Theater" heißt das Projekt aus Zürich, das beim Berliner Theatertreffen geteilte Reaktionen hervorrief.
"Mein Name ist Gianni Blumer, bin 24, bin Schauspieler im Theater Hora ..."

Die Schauspieler des Theater Hora stellen sich vor. Name, Alter und Beruf. Nur drei kurze Informationen – und doch teilt sich vieles sofort mit. Vorne an der Rampe steht das Mikrofon. Dahinter sitzen die, die gerade nicht dran sind, auf grauen Stühlen in einer Reihe. Daneben rechts sitzt ein Mann an einem Tisch. Er stellt sich als Übersetzer vor. Bald aber wird klar: Er ist mehr als das. Seine ruhige Stimme gibt Vertrauen, hält den Abend zusammen. Er kündigt an, was als Nächstes passiert. Nun soll jeder und jede sagen, welche Behinderung er oder sie hat. Lorraine Meier ist mongoloid:

"Ich bin mongoloid, ich bin ein Fucking-Mongo – mir macht’s weh ..."

Die Betroffenheit über den echten Schmerz, über die Direktheit, mit der sie ihn formuliert, hängt greifbar im Zuschauerraum. Aber auch die Unsicherheit: Was sehen wir hier? Die elf Schauspieler scheint das nicht zu stören, sie trösten sich gegenseitig, wenn, wie gerade, der Schmerz hochkommt, sie feixen sich gegenseitig zu – und als jetzt die Tanzsolos beginnen, hält es die jeweils anderen zehn, die gerade nicht dran sind, kaum auf ihren Stühlen...:

Lorraine tanzt zu Musik von Abba – und auch wenn ihr bald das Knie weh tut, hat sie und haben auch alle anderen sichtbar Spaß am Tanzen, ja, an der gesamten Vorführung. Aber: Was ist dies für ein Abend? Wie soll man den finden? Jérôme Bel hat diese Frage zum Teil der Inszenierung gemacht. Er hat sie seinen Schauspielern gestellt:

"Meine Mutter hat es gesehen – und sie sagte, das ist eine Freak-Show – aber es hat ihr sehr gefallen ..." (Lachen im Publikum) "

Man merkt, wie sich die Stimmung im Publikum über die anderthalb Stunden verändert. Die Unsicherheit weicht immer mehr einer Freude über das, was da über die Rampe kommt. Großer Applaus, am Ende. Aber - nicht von allen:

" "Ich fand das sehr belastend, wenn es den Schauspielern Spaß gemacht hat, dann ist das ja die Hauptsache, aber ich fand die sind vorgeführt worden, wie die Tiere im Käfig, mich hat es sehr belastet."

"Mich hat das tief beeindruckt – vor allem auch die Intensität des Spiels!"

"Ich bin froh dass ich hingegangen bin, ich hatte es überlegt, ob ich das verkrafte, aber ich bin sehr beeindruckt, gerade von der Körperlichkeit und von den Tanzszenen!"

"Was mich besonders beeindruckt hat, ist die Professionalität der Schauspieler. Die haben sich selbst als Schauspieler gesehen und ich hab sie auch als Schauspieler agieren sehen und das hat mir sehr gut gefallen!"

Berliner Theatertreffen: "Disabled Theater"


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