I am a DJ, I am what I play

Von Ralf Bei der Kellen |
Als sich der DJ gegen Ende der 70er Jahre anschickte, einen zentralen Platz in der Popmusik zu erobern, war das Auflegen und Mischen von Platten noch eine reine Männersache. Erst Mitte der 90er Jahre rückte mit der Wahlberlinerin Marusha ein weiblicher DJ ins Licht der öffentlichen Wahrnehmung.
An einem Sonntagmorgen um vier Uhr tanzen sich mehrere hundert Menschen in einem Berliner Club die Seele aus dem Leib. Über der Menge steht hinter den Plattenspielern und dem Mischpult der DJ. Nur, dass "er" in diesem Falle eine Frau ist. Ist dieser DJ also eine DJane?

DJ Suzi Wong: "Die Bezeichnung "DJane" empfinde ich eher als abwertend. Und ich bezeichne mich selber auch als "DJ", weil ich keinen Unterschied dazwischen sehe, ob ich eine Frau bin oder ein Mann. Und ich bin genauso der "Disc Jockey"."

DJ Suzi Wong ist 28 Jahre alt und hat sich in den letzten Jahren einen internationalen Bekanntheitsgrad erspielt. Warum weibliche DJs zwar im kommen, aber immer noch eine Ausnahme sind, erklärt sie so:

DJ Suzi Wong: "Frauen sind da vielleicht auch zu oft selber noch in ihrer Rollenverteilung dann drin, so dass sie sagen, Ja, Frau geht auf die Party und die tanzt dann da und die hat eigentlich gar nichts zu tun mit der Technik und mit dem was da wirklich passiert. Das ist leider immer noch so, aber in der elektronischen Szene ist es nun doch ja auch so, dass es doch einige Frauen gibt mittlerweile, die sich da durchgesetzt haben und auch immer besser werden."

Als "Babes in Boyland", als Frauen in einer Männerwelt, nahmen die ersten weiblichen DJs eine herausragende Stellung ein. Dass dieser Aufmerksamkeitsbonus oft ein zweischneidiges Schwert war, erfuhr auch DJ Magda aus Detroit, als sie vor zehn Jahren begann, aufzulegen.

DJ Magda: "I did feel it in the early days, because I really think if I was a guy and I played that first show of mine, there’s no way anyone would book me. I mean I sucked! My male friends who were so much better at the time - they weren’t getting booked, but I was! And I knew that at that time I wasn’t exprienced at all. And then later I think people started taking me more seriously because I wasn’t going away. Then I didn’t feel that anymore. But I could see that how you know that it’s frustrating for a girl who wants to start doing it. It’s intimidating!”

[Übersetzung: Wenn ich bei meinem ersten Auftritt ein Mann gewesen wäre, hätte mich wohl niemand ein zweites Mal gebucht - ich war einfach schlecht. Meine männlichen Freunde waren zu der Zeit viel besser als ich und die bekamen keine Aufträge, ich aber schon. Erst später nahmen mich die Leute ernst. Für eine Anfängerin kann dieser Geschlechterbonus echt frustrierend sein.] "

DJ Suzi Wong: "Also Frauen legen auf jeden Fall wesentlich emotionaler auf. Männer sind oft sehr Technik-fixiert und viel mehr so an ganz kleinen Experimenten interessiert. Und Frauen versuchen, so ein emotionales Gesamtes daraus zu bilden. Das habe ich ganz oft erlebt, auch wenn ich anderen weiblichen DJs zugesehen habe, dass die einfach wesentlich emotionaler bei der Sache sind, auch viel mehr Kontakt zum Publikum haben. Und das merkt man in der Musik, das ist irgendwie so "mehr Seele"."

DJ Ultraviolett: "Also es ist einfach super elegant und ich weiß nicht, es ist einfach schöner anzuschauen. Finde ich."

DJ Suzi Wong: "Also bei Männern ist es oft so auch dieses, dieses Image-Ding gegenüber anderen Frauen: Ja, ich leg jetzt auf und dann tanzen da zehn ganz tolle Mädchen vor meinem Pult und ich fühl mich jetzt total super dabei und so. So was ist, äh, denken Frauen glaube ich nicht, wenn sie sich wirklich entschlossen haben, DJ zu sein."

DJ Ultraviolett: "Frauen glaube ich sind weniger auf dieses Show-Ding orientiert und deshalb wirkt es einfach ehrlicher - habe ich den Eindruck."

Was den Unterschied zwischen männlichem und weiblichem DJing angeht, sind sich Suzi Wong und ihre Kollegin DJ Ultraviolett einig. Das Betätigungsfeld der Disc Jockeys beschränkt sich aber nicht nur auf die Clubs. Die Musik, die sie nachts spielen, müssen sie sich tagsüber im Plattenladen besorgen. Und wie man spätestens seit Nick Hornbys Roman High Fidelity weiß, ist dieser eines der letzten Refugien ungezügelter Männlichkeit.

DJ Suzi Wong: "Bei den Plattenläden, die es schon lange gibt, da ist es schon so, dass man sich wirklich extrem durchgesetzt haben muss, damit man da wirklich den gleichen Stand hat wie jetzt ein männlicher DJ, der so ein bisschen semi-bekannt ist oder so. Dafür gibt es aber auch viele nette neue Plattenläden von Leuten, die da nicht so verfangen in der Szene sind. Und da merkt man so richtig so, da zieht es dann auch so einige weibliche DJs hin. Da ist es dann irgendwie auch netter und da gibt es dann auch Kaffee dazu und noch den kleinen Schnack - und es ist schon einfach frauenfreundlicher geworden teilweise."

DJ Grace Kelly: "Niemand hat das komisch gefunden, dass ich Platten sammle, oder so was... nee, echt nicht. Und ich wusste auch nicht, dass das eine männliche Sache war. (lacht)"

Eins ist klar: Der jetzt in die Clubs strömenden Generation weiblicher DJs ist ihr langsam abnehmender Exotenstatus zwar noch bewusst, er ist ihnen aber auch egal. Denn letztlich zählt auf dem Tanzboden nur das eine. Das bestätigt auch die brasilianische DJ Grace Kelly:

DJ Grace Kelly: "Die Geschlecht, es ist mir egal, Hauptsache, die Musik ist gut, ist tanzbar und gefällt mir. Transsexuelle, alles, Hauptsache gute Musik."