Hysterie oder Vorsicht?

In Brüssel sind plötzlich Luftballons verdächtig

Sicherheitsposten auf einem Weihnachtsmarkt in Brüssel
Sicherheitsposten auf einem Weihnachtsmarkt in Brüssel © imago stock&people
Von Annette Riedel · 22.12.2016
Im Frühjahr wurden in Brüssel mehrere Anschlägen verübt. Seitdem herrscht in der Metropole eine angespannte Stimmung. Gegenstände in der Öffentlichkeit gelten als verdächtig, und Sirenen sorgen sofort für mulmige Gefühle.
In Brüssel lässt sich der Erinnerung an die Terroranschläge nicht entgehen. Zum einen sind im Stadtbild nach wie vor Soldaten mit ihren griffbereiten Maschinengewehren allgegenwärtig, vor allem vor den EU-Institutionen, vor vielen Botschaften, am Flughafen, an den Fernbahnhöfen. Zum anderen passiere ich mit der U-Bahn oft die Station Malbeek, also jenen Ort, wenige hundert Meter von meinem Büro entfernt, wo im März einer der Anschläge verübt wurde.
Ich ertappe mich immer wieder dabei, dass ich die Mitfahrenden im Zug unbewusst beobachte: Wer trägt einen Rucksack. Wer verhält sich irgendwie "auffällig".

Anschlag oder eine Anti-Terror-Razzia?

Auch am Flughafen Zaventeem, dem anderen Anschlagsort, bin ich häufiger als mir lieb ist. Ich werde noch heute unruhig, wenn ich mehrere der durchdringenden Polizei-Sirenen dicht hintereinander höre. Oder das Geräusch von kreisenden Hubschraubern. Automatisch schießt es mir durch den Kopf, ob es etwa wieder einen Anschlag oder eine Anti-Terror-Razzia gegeben hat.
Vor ein paar Tagen war ich auf dem Großen Platz im Herzen Brüssels, mitten in einer großen Menschenmenge, die sich die Komposition von Klang und Licht, die es dort allabendlich in der Vorweihnachtszeit gibt, anzuhören und anzusehen. Instinktiv habe ich mir einen Platz am Rand, mit dem Rücken zu einer Hauswand, gesucht.
Dann gab es plötzlich einen kleinen Knall – vielleicht nur ein geplatzter Luftballon, aber in den folgenden Schrecksekunden habe ich kurz sofort das Schlimmste befürchtet. Das ist alles hochgradig irrational – natürlich. Ich weiß das. Es ärgert mich, dass die Terror-Angst einen solchen Einfluss auf mich hat und kann es nicht ändern. Es war genauso irrational, im August nicht zu dem von mir so geliebten großen Feuerwerk vor dem Königspalast, aus Anlass des belgischen Nationalfeiertags, zu gehen. Aber mir war einfach zu mulmig – so kurz nach dem Anschlag von Nizza, bei einem Feuerwerk zur Feier des französischen Nationalfeiertags.

Ein diffuses Gefühl von Unwohlseins

Auch auf der praktischen Ebene spürt man die Folgen der Terror-Anschläge von Paris und Brüssel. Die Sicherheitskontrollen am Eingang zum Gebäude der EU-Kommission und vor allem zum EU-Parlament sind deutlich verschärft worden. Man muss bei Verabredungen da und dort erheblich mehr Vorlauf einplanen.
Meine beste Freundin in Brüssel ist Muslimin. Wenn ich aber auf dem Weg zum Büro täglich an einer großen salafistischen Moschee vorbeigehe, kann ich mich bisweilen eines diffusen Gefühls von Unwohlsein – ganz gegen meine Einstellung zu Miteinander, Vielfalt und religiöser Toleranz – nicht gänzlich erwehren.
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