Hype ums Einhorn

    Zwischen Kitsch und Mythos

    Verpackung und Riegel der Einhorn-Schokolade von Ritter Sport
    Hat einen unglaublichen Run ausgelöst: Einhorn-Schokolade © Ritter Sport
    Von Mareike Knoke · 03.11.2016
    Ein kleines Einhorn auf der Verpackung bescherte einem Schokoladenhersteller vermutlich den größten Werbeerfolg des Jahres. Warum nur sind alle verrückt nach diesem Fabelwesen?
    Die Schokolade war nur wenige Stunden auf dem Markt – dann war sie restlos ausverkauft. Ein Coup für die Marke Ritter Sport: Mit pinkfarbener Verpackung, Regenbogen und Einhorn lockte die Schokolade mit dem Slogan "Quadratisch, magisch, gut". Dass es sich um weiße Schokolade mit Himbeer-Johannisbeer-Pulver als Geschmackgeber handelt, war für die meisten Käufer – oder besser gesagt: für die Kinder der Käufer – vermutlich nebensächlich. Wichtig daran oder darauf ist das Einhorn. Das liegt voll im Trend.
    Augenzeugen und Medien berichten von einem tumultartigen Ansturm auf die Einhorn-Schokolade in den wenigen ausgewählten Läden. Mittlerweile sollen bei Ebay die ersten Tafeln aufgetaucht sein. Vermutlich werden sie Höchstpreise erzielen.
    Der Frontmann Ville Tuomi der finnischen Band Leningrad Cowboys mit Einhorn-Frisur 2014 während der 16. Rock-Gala in Magdeburg auf der Bühne
    Auch so ein Einhorn: Der Frontmann Ville Tuomi der finnischen Band Leningrad Cowboys© picture alliance / dpa / Jens Wolf
    Süßlich-verkitscht mit rosa Mähne in der TV-Serie "Mia and me", im Kino-Streifen "Das letzte Einhorn" oder mythisch aufgeladen als Fabelwesen, das angeblich schon in der Bibel vorgekommen sein soll: Einhörner beschäftigen seit der Antike nicht nur das abergläubische Volk, sondern auch Philosophen, Literaten und Theologen.
    Ein goldes Einhorn in Aachen.
    Mythos Einhhorn: Das Fabelwesen mit dem besten Leumund.© picture alliance/dpa/Gerig
    Die nüchternen Fakten: Das Einhorn ist ein Fabelwesen von Pferde- oder Ziegengestalt mit einem geraden Spiral-Horn auf der Stirnmitte. Es gilt als das edelste aller Fabeltiere und steht als Symbol für das Gute, Reine und Keusche. Und setzt die Phantasie in Gang. Dass Jesus Christus am Kreuz von Einhörnern geredet haben soll, ist laut dem Literatur- und Medienwissenschaftler Jochen Hörisch aber eher "auf einen Übersetzungsfehler in der Bibel zurückzuführen".
    Ob in der Heiligen Schrift oder nicht - Hörisch, Professor an der Universität Mannheim und Autor des Buches "Das Tier, das es nicht gibt", sagt: "Ich bin ein nicht-gläubiger Mensch, aber an die Existenz des Einhorns habe ich immer geglaubt." Einhörner zu lieben sei eine besondere Art von Kitsch: "Das Einhorn ist gewissermaßen der Kitsch, den man sich leisten kann. Man signalisiert dann: Selbst wenn ich mich auf Kitsch einlasse, tue ich das auf einem gewissen Niveau. Das gilt für andere Kitschgeschichten so nicht."
    Und spätestens nachdem Archäologen in Kasachstan den Schädel eines Einhorns fanden, ist klar: Es ist ein Tier, das es tatsächlich gab.
    Bundespräsident Joachim Gauck bei einem Besuch in Hessen. Er wird von einer jungen Frau im Einhorn-Kostüm begrüßt.
    Auch Bundespräsident Joachim Gauck ließ sich bei einem Besuch in Hessen von einem Einhorn becircen.© picture alliance/dpa/Nicolas Armer
    Dass dieses ausgebuddelte Original eher einem schmutzig-grauen Nashorn gleicht und nicht dem Traumwesen kleiner Mädchen, das der Merchandising-Industrie Rekord-Einnahmen beschert - Schwamm drüber. Die Einhorn-Vermarktungsmaschinerie läuft unbeirrt weiter: Nicht nur das Merchandising profitiert vom Mythos, auch die Hersteller von Blusen, Fahrrädern oder Kondomen setzen auf das "Einhorn" im Namen.
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