Hutmacherin

Die Kopfschmückerin

Von Sarah Tschernigow |
Die gebürtige Engländerin Fiona Bennett ist eine der wenigen Hutmacherinnen Deutschlands. Ihre Stücke haben schon prominente Köpfe verziert, wie die von Schauspielerin Katie Holmes oder Sängerin Christina Aguilera. Sie selbst geht nie ohne.
"Der Hut ... der unterstreicht das Gesicht, der modelliert, der zeichnet fast Linien. Er macht etwas deutlich oder er verschleiert. Er kann ja auch verstecken. Und er spielt mit den Facetten der Persönlichkeit."

Für Fiona Bennett ist der Hut der König unter den Accessoires. Deshalb hat sie sich vor 25 Jahren dem aussterbenden Handwerk des Hutmachens verschrieben. In ihrem ganz in weiß gehaltenen Atelier in der Berliner Potsdamer Straße arbeitet die 43-Jährige direkt im Schaufenster. Die Passanten können zuschauen, wie die Hüte entstehen: wie Pailletten und Federn angesteckt, Seide eingenäht und die Hüte mithilfe eines Dämpfers in Form gebracht werden.

"Das ist eines unserer Hauptarbeitsgeräte. Da kann man das Modell in den Wasserdampf halten und noch mal nachmodellieren."

"Es ist eine sehr stille Arbeit, weil wir tatsächlich alles in Handarbeit entstehen lassen. Wir haben eine Nähmaschine dort stehen. Ich persönlich benutze die Maschine nie. Ich mag Nähmaschinen überhaupt nicht, ich mag Maschinen nicht. Also ich bin jemand, der alles mit der Hand macht."

... und die Ergebnisse gerne persönlich vorführt. Fiona Bennett hat selber nämlich immer etwas auf dem Kopf.

"Also ich habe heute einiges vor, dann setze ich mir ganz gerne eine ganz unkomplizierte Baskenmütze auf ... in einem unheimlich schönen Rostton. Also ich mag die Farbe gerade sehr. Sonst trage ich im Atelier Bänder und so einfache Sachen. Abends siehst du mich auch mit diesen ganzen kleinen Schmuckstücken auf dem Kopf."

Die Schmuckstücke, das sind keine Hüte im klassischen Sinne. Fiona Bennett ist bekannt für ausgefallenen Kopfschmuck, mit dem sie schon Hollywood-Schauspielerin Katie Holmes und Sängerin Christina Aguilera ausgestattet hat: kleine gelbe Seidenkäppchen oder Schleifen aus goldgefärbtem Stroh, gerne an zierlichen Haarreifen befestigt. Manchmal thront auf dem Kopf einfach ein Stöckelschuh, oder ein Vogel. Bennetts erste große Arbeit war nicht minder originell und erinnert etwas an die Turmfrisur von Zeichentrickfigur Marge Simpson:

"Das war, glaube ich, ein ein Meter hoher Fisch aus Pailletten in so einem Farbverlauf, der das Maul aufreißt und in den Kopf beißt."

Fiona Bennett versucht in den 80ern-Jahren etwas Buntes in das, wie sie findet, ziemlich graue Westberlin zu bringen. Mit Anfang 20 veranstaltet die schüchterne, aber zielstrebige brünette Frau mit einer Freundin eine Hutmodenschau in einer Geisterbahn.

"Man muss sich vorstellen, wir haben die Monster ausgebaut und haben Bilder, richtige Bühnenbilder eingebaut, für jedes Bild eine Musik komponieren lassen, und haben in jedes Bild eine Frau oder mehrere Leute in eine Szene gesetzt. Das war wie lebende Bilder."
Hüte in England und Deutschland
Die Geisterbahn wird Fiona Bennetts Erfolgsprojekt. Sie tourt damit durchs Land, später durch Europa und erreicht insgesamt 10.000 Zuschauer. Und plötzlich können sich alle für Hüte begeistern. Heute übrigens auch ihr Partner und ihr 16-jähriger Sohn. Zu besonderen Anlässen tragen auch sie Hüte à la Bennett.

In Deutschland, sagt Fiona Bennett, finden viele Menschen Hüte albern und verstaubt. Anders in England, wo die Hutmacherin 1966 geboren wird. Sie wächst in der Küstenstadt Brighton auf. Und obwohl ihre Familie nichts mit Hüten zu hat – der Vater englischer Bauunternehmer, die Mutter deutsche Lehrerin – wird Bennett geprägt vom eigensinnigen und exzentrischen Modestil der Briten.

"Natürlich bin ich als Kind aufgewachsen mit den Titelseiten von Royal Family und welchen Hut die Queen wieder getragen hat oder welche Hüte auf Gesellschaften zu sehen waren. Das war natürlich immer Thema, natürlich wächst man damit auf. Die Engländer haben aber auch diese natürliche Exzentrik in sich, die sind viel schneller dabei, sich humorvoll zu schmücken und mit Augenzwinkern mit solchen Dingen umzugehen."

Deutschland lernt Bennett mit sechs Jahren kennen, als ihre Familie beschließt zurück nach Berlin zu ziehen. Das kleine Mädchen will Künstlerin werden, lässt sich später zur Modistin ausbilden, stattet Bühnen aus, bevor sie sich mit Anfang zwanzig selbständig macht, um die Menschen wieder zu "behüten".

"Ich meine, ich weiß, dass ganz viele Leute noch nie den richtigen Hut aufhatten. Die haben mal im Kaufhaus ein paar Wollmützen probiert oder auf dem Flohmarkt geguckt, was irgendwie richtig sein könnte. Aber was verloren gegangen ist, ist das Wissen um die Hüte, die Form... Was macht einen guten Hut aus? Ein guter Sitz. Einen Hut darf man gar nicht mehr merken. Die Damen früher wussten das. Die sind in einen Hutsalon gekommen und haben gesagt: Ich brauche eine kleine Glocke und hätte gerne einen Velours-Filz. So. Vielleicht sollte ich als nächstes einen Hutratgeber schreiben."

Gar keine schlechte Idee. Denn dass der Hut in Deutschland wieder ein richtiges Comeback erleben wird, dass es einmal wieder als unanständig gilt, ohne Kopfbedeckung aus dem Haus zu gehen, das sieht Fiona Bennett nicht kommen. Aber sie plädiert ganz klar für mehr Mut zum individuellen Kleidungsstil. Für Mehr Mut – zum Hut.
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