Hurrikan Katrina stürzt Supermacht in Chaos und Verzweifelung

Von Timm Krägenow, Financial Times Deutschland |
Erst langsam wird das ganze Ausmaß der Katastrophe in New Orleans sichtbar. Mittlerweile muss befürchtet werden, dass der Wirbelsturm Katrina Tausende von Todesopfern gefordert hat. In der Stadt musste das Kriegsrecht ausgerufen werden. Neben inneren Unruhen droht jetzt außerdem der Ausbruch von Seuchen. Die Natur hat gezeigt, wie mächtig sie ist. Innerhalb von Stunden stürzte sie große Regionen der führenden Supermacht in Chaos und Verzweifelung.
Absolute Priorität hat jetzt Hilfe für die Opfer. Auch Deutschland muss alles an Unterstützung anbieten, was gebraucht wird. Vor allem Experten für das Abpumpen der Wassermassen und für die Reparatur der Infrastruktur werden in den nächsten Wochen dringend gebraucht. Das ist auch eine gute Möglichkeit, das angeknackste deutsch-amerikanische Verhältnis zu verbessern.

Weil der Wirbelsturm Förderplattformen und Öl-Raffinerien außer Betreib setzte, sind die Folgen der Katastrophe weltweit zu spüren. Innerhalb von 24 Stunden stieg der Benzinpreis in Deutschland um zwölf Cent. Allein die deutschen Verbraucher wird der steile Anstieg in diesem Jahr mehrere Milliarden Euro kosten. Das Geld fehlt für den Konsum. Der Sturm Katrina hat die Weltkonjunktur deutlich ins Wanken gebracht.

Tropische Wirbelstürme entstehen, wenn Tiefdruckgebiete über dem Atlantik Richtung Karibik ziehen. Je wärmer das Meer, desto mehr gefährliche Energie sammelt sich in den rotierenden Luftmassen. Die Zunahme der Wucht und der Häufigkeit von tropischen Wirbelstürmen ist genau das, was Forscher als Folge des Treibhauseffekts erwarten.

Die Abgase aus Autos und Kraftwerken wirken in der Atmosphäre wie das Fenster eines Treibhauses. Sie lassen die Sonne herein, aber die Wärme nicht mehr hinaus. Es ist also gut möglich, dass die tödliche Wucht von Katrina durch den menschengemachten Treibhauseffekt verstärkt worden ist. Steigen die Kohlendioxid-Emissionen weiter an, ist zu erwarten, dass künftig noch öfter solche Monster-Stürme den Süden der USA heimsuchen.

Um dem vorzubeugen hilft nichts anderes, als die Emissionen zu senken. Die USA sind der größte Treibhausgasemittent der Welt. So lange sie nicht mit dem Klimaschutz ernst machen, wird es kaum möglich sein, das Wachstum der Emissionen weltweit zu stoppen. Die Frage ist, ob US-Präsident George W. Bush nach der großen Katastrophe umdenkt.

Auch wenn es den Treibhauseffekt überhaupt nicht geben würde, geht nach Katrina kein Weg daran vorbei, die Abhängigkeit von Öl und Kohle zu senken. Die Lieferunterbrechungen in den USA und die rapiden Preisanstiege auf dem Weltmarkt machen deutlich, wie abhängig die Weltwirtschaft von den fossilen Energien ist. Weil die Nachfrage nach Öl vor allem in China steil zunimmt, gleichzeitig aber die besten Lagerstätten bereits erschlossen sind, wird es bei hohen Energiepreisen bleiben. Auch ein Anstieg auf über 100 Dollar pro Barrel Öl ist nicht ausgeschlossen.

Vor diesem Hintergrund müssen Haushalte und Unternehmen mittelfristig ihren Bedarf an Öl und Kohle senken . Autofahrer werden auf verbrauchsärmere Fahrzeuge umsteigen. Industrien werden nachwachsende Rohstoffe verarbeiten. Entwicklungsländer werden versuchen, ihren Strom aus Wind und Sonne zu produzieren. Hybrid-Autos, Biotechniken und Solarkollektoren werden sich künftig weltweit viel besser verkaufen als Sprit-Schlucker und Braunkohlebagger. Hier entstehen riesige neue Märkte für die deutsche Industrie.
Falsch wäre der Versuch, mit Subventionen zu verhindern, dass das Marktsignal bei der Wirtschaft ankommt. Die Auflösung der Erdöl-Reserven, die jetzt im Gespräch ist, kann nur für einige Tage etwas Erleichterung bei der Benzin-Versorgung bringen. Damit kommt Deutschland den Wünschend er Vereinigten Staaten nach. Würden die Reserven langfristig abgebaut, wären wir künftig gegenüber weiteren Preisschwankungen noch anfälliger.
Wenn der Kanzler und die Opposition allerdings glauben, dass dadurch die Benzinpreise deutlich sinken, täuschen sie sich. Dafür sind die freigegebenen Mengen viel zu klein.
Auf keinen Fall darf der Eindruck entstehen, dass der Staat für die Bürger das Problem der Energieknappheit lösen kann. Das kann er nämlich nicht.

Ganz falsch wäre auch der Verzicht auf Umweltschutz-Anforderung an die deutsche Wirtschaft, die einige Parteien im Wahlkampf propagieren. Wer glaubt, dass wir wieder eine Zeit lang auf Umweltschutz verzichten können, bis wir unsere wirtschaftlichen Probleme gelöst haben, liegt falsch. Arbeitsplätze in Deutschland werden dadurch geschaffen, dass deutsche Produkte die hohen Ölpreise und den Treibhauseffekt besser bewältigen als die anderer Länder. Japan zum Beispiel hat mit strengen Umweltgesetzen dafür gesorgt, dass die japanische Industrie die besten Benzinspar-Autos der Welt anbietet. Wenn Politiker der deutschen Industrie weiß machen wollen, dass Umwelt-Anforderungen keine Rolle spielen, werden wir zurückfallen. Darunter würden alle leiden.