Hunzinger & Co.

Von Wolfgang Herles |
Es war einmal ein Verteidigungsminister, der musste abtreten, weil er viel Geld von einem gewissen Hunzinger genommen hatte. Ob er sogar auch den Herrenausstatter des Ministers bezahlt hat, war Gegenstand eines Gerichtsverfahrens, wenn auch am Ende nicht beweisbar. Einem Bundestagsabgeordneten der Grünen hatte sein Unternehmen einen günstigen Kredit verschafft, einem Wirtschaftsminister in Baden-Württemberg eine teure Umfrage finanziert. Auch sie mussten gehen. Inzwischen ist Herrn Hunzingers Ruf ruiniert und er selbst aus dem Geschäft. Sein Name aber taucht immer wieder auf.
Wer war Moritz Hunzinger? Und vor allem: Was war Moritz Hunzinger? Nur ein Freund, ein guter Freund? Er nannte sich Medienberater. Lange Zeit war er einer der Erfolgreichsten dieser seltsamen Branche. Womit verdiente er seine Millionen? Gelegentlich damit, dass er zum Beispiel jenem Verteidigungsminister, er hieß Rudolf Scharping, ein frisches Image verpasste - bis der sich mit seiner neuen Liebe für eine bunte Illustrierte im Swimmingpool fotografieren ließ. Manchmal ist das Leben sogar in der Politik gerecht und Dummheit wird bestraft.

Aber Medienberater haben weit mehr zu bieten. Ihr größtes Kapital besteht eben nicht darin, etwas besser zu wissen, sondern wichtige Leute besser zu kennen. Moritz Hunzinger kannte auch ihre privaten Telefonnummern. Und er war in der Lage, Treffen zu arrangieren, sagen wir zwischen einem Unternehmer und einigen für sein Unternehmen nicht ganz unwichtigen Damen und Herren aus der Politik. Gegen Honorar. Es gibt Leute, die handeln mit Informationen, andere mit Kontakten. Eine moderne Dienstleistung. Weshalb, das würde dann doch interessieren, lassen sich Politiker von jemandem wie Hunzinger als Gast eines Abendessens vermakeln? Worin besteht die Gegenleistung?

Hunzinger bezahlte nicht offen; Deutschland ist keine Bananenrepublik. Er lud zum Beispiel Politiker dazu ein, vor einem kleinen, exklusiven Kreis einen Vortrag zu halten. Damit sprach er nicht nur den Erwerbssinn der Politiker an, sondern auch ihre Eitelkeit. Und immer wurde fürstlich honoriert. Nicht immer war freilich zu unterscheiden, ob es sich um ein Honorar oder um eine Spende handelte. Bei den Spenden mussten die Empfänger nur darauf achten, dass sie nicht im Rechenschaftsbericht der Partei auftauchten. Deshalb liquidierte zum Beispiel Außenminister Joschka Fischer für seine rhetorischen Bemühungen exakt 19.999 Mark, eine Mark unterhalb der Veröffentlichungspflicht. Um diese Summe wiederum verringerte sich der Betrag, den Fischer seiner Partei schuldig war. Ein besonderes Verrechnungssystem sorgte dafür, dass Fischer von der Spende an seine Partei auch ganz persönlich profitierte.

Geschäfte dieser Art kommen zustande, wenn die Kunden davon überzeugt sind, Einfluss auf Politiker kaufen zu können. Mag sein, dass Moritz Hunzinger ein maßloser Angeber war und seine Kontaktfabrik das Geld nicht wert. Aber harmlos ist seine Branche nicht. Sie lebt davon, dass es in Deutschland offenbar auch vom Geld abhängig ist, ob jemand Gehör findet oder nicht. Spezialisten wie Hunzinger dealen mit Einfluss. In einer demokratischen Verfassung ist diese Dienstleistung nicht vorgesehen.

Hier liegt der Kern des Skandals. Wenn sich Politiker ihre Meinung bilden, wird ihnen geholfen. Von Leuten wie Hunzinger. Der war nur einer, wenn auch ein besonders dreister Vertreter seiner Zunft. Der Deutsche Rat für Public Relations, die Selbstkontrollinstanz der PR-Branche, rügte ihn sogar öffentlich. Er habe den Eindruck erweckt, Geldzuwendungen an Politiker sei übliche PR-Praxis.
In der Verfassung steht etwas ganz anderes, dass nämlich Abgeordnete nur ihrem Gewissen verantwortlich und von Weisungen unabhängig seien. Gut, kaum jemand glaubt noch an den Osterhasen. Das Wort Gewissen lässt sich in der Praxis ohne Weiteres durch das Wort Partei ersetzen. Was ihre Verfügbarkeit angeht, scheinen Politiker aller Parteien gleich. Die Illusion, wenigstens die Grünen seien anders, ist längst zerstört.

Sind Politiker wenigstens außerhalb ihrer Parteien "unabhängig von Weisungen" oder eher abhängig von Überweisungen? Das allerdings ist eine Frage, die in jedem einzelnen Fall so gründlich wie energisch untersucht werden sollte.

Politiker, die gut dotierte Vorträge halten, sollten ihr Honorar versteuern und diese Nebentätigkeit offen legen. Die Bezahlung in Form von Spenden gehört verboten – zumal die Kunden ihre sogenannte Spende auch noch von der Steuer absetzen können. Das gebieten Fairness und Transparenz. Und es geht auch nicht, sich wie Frau Ministerin Künast, von der Bundeswehr zu einem Hunzinger-Einsatz fliegen zu lassen.

Die Hunzingers verhunzen die Republik. Sie und ihre Lieferanten verdienen deshalb keine Nachsicht.