Humboldt-Forum Berlin – The winner is: Franco Stella
„Geniestreich“ und „Glücksfall“ jubeln die Einen. „Mogelpackung“ und „Etikettenschwindel“ maulen die Anderen. Aber sie alle meinen ein und dasselbe: Die gerade preisgekrönten Pläne zum Neubau des Berliner Humboldt-Forums – in den Kulissen des preußischen Kaiserschlosses. Das wurde vor 300 Jahren vom Barock-Meister Schlüter gebaut, 1950 von den DDR-Machthabern gesprengt und nun soll es wiederauferstehen aus Ruinen. Das hatte der Bundestag im Jahre 2002 beschlossen.
Die hässliche Brache im Zentrum der neuen Bundeshauptstadt sollte – nach dem Abriss des „Palastes der Republik“ – glanzvoll gefüllt werden. Zeitgenössischen Architekten trauten die Abgeordneten so was nicht zu. Deshalb legten sie kleinmütig fest: Der Neubau sollte so groß sein und an drei Seiten exakt so barock aussehen wie einst das kaiserliche Gemäuer ausgesehen hat. Die international wirklich großen Architekten rümpften die Nase und beteiligten sich gar nicht erst am Wettbewerb: I.M. Pei beispielsweise – oder Ando – oder Gehry – oder Herzog und Meuron.
Doch 85 Baumeister, fast alles Deutsche, machten sich ans Werk, dachten nach und zeichneten – meist „unzureichend“, fand eine hochkarätige Jury und bat dann nur noch 30 der Bewerber, ihre Ideen zu präzisieren. Von denen machte nun einer das Rennen, den vorher kaum jemand kannte: Franco Stella, ein Italiener aus Vicenza. 65 Jahre alt. Einen Messebau, so fanden die Rechercheure dann raus, hat er in Padua und ein Wohnhaus hat er in Potsdam gebaut.
Stella hat alles genau so gemacht, wie sich die deutschen Volksvertreter das gewünscht hatten. Zunächst mal rein äußerlich: Das Stella-Schloss hat die Ausmaße des Schlüter-Schlosses und drei seiner Außenmauern werden von barocken Fassaden- und Schmuck-Elementen historisch exakt verziert sein. An der Ostseite des Riesenkastens, also zur Spree hin, hatten alle Architekten freie Hand. Stella hat hier über vier Stockwerke eine wirklich elegant gegliederte Loggienfassade vorgesehen. Nach oben abgeschlossen durch ein Band kleinerer Bögen. Besucher sollen hier später flanieren dürfen, auf das Wasser und den Alexanderplatz sehen können. Aber auch hier schieden sich die kritischen Geister: Der Berliner „Tagesspiegel“ applaudierte der „Meisterleistung“. Die „Süddeutsche“ dagegen mäkelte: „Sozialer Wohnungsbau der überkandidelten Art“.
Ursprünglich sollten lediglich die außereuropäischen Sammlungen in einem wieder aufgebauten Schloss untergebracht werden. Dann wurde das Konzept des „Humboldt-Forums“ entwickelt. Das Schloss sollte zu einem Platz des interkulturellen Dialogs werden. Für Diskussionen, Konzerte und Aufführungen brauchte man Räume, die fortan als „Agora“ firmierten. Und die benachbarte Humboldt-Universität sollte hier auch noch ihre Bibliothek reinpacken. Durch dieses Draufsatteln wird es nun eng im Schloss. Jetzt müssen sich die Sammlungen außereuropäischer Kulturen auf 24.000 Quadratmeter beschränken – statt auf die mal ins Auge gefasste doppelte Fläche. Franco Stella hat das Raum-Problem sehr praktisch gelöst. Er will einen der beiden ursprünglich vorhandenen Innenhöfe überbauen und zwei große Kuben für die Museen hineinstellen – ohne Kontakt zu den barocken Außenfassaden. Hinter denen könnten nun einige der prunkvollen Paradekammern rekonstruiert werden, in denen sich die kaiserlichen Herrschaften anno dazumal wohl gefühlt hatten – Räume, wie auch Touristen sie lieben.
Seit gestern werden die Entwürfe der letzten 30 Wettbewerber öffentlich ausgestellt. Sie beweisen, dass es reichlich viel Mittelmaß bis in die Endrunde geschafft hat. Und doch: Zwei der Entwürfe fallen aus dem Rahmen. Weil sie aus dem wohl allzu engen Korsett der Vorgaben ausgebrochen sind. Das Berliner Büro Kühn/Malvezzi erinnert zwar an das alte Schloss, verzichtet aber auf fast alle Schnörkel und wollte statt hellem Sandstein rote Ziegel verbauen – in Anlehnung an einige Bauten Schinkels in unmittelbarer Nachbarschaft. Das Schloss wäre in den Konturen erahnbar geblieben, aber es wäre in zeitgenössischer Anmutung entstanden – gekrönt von einem lichten Schwebedach statt einer altmodischen Kuppel.
Einen noch kühneren Entwurf hat Stephan Braunfels abgeliefert, der in Berlin die imposanten Reichstags-Nebengebäude gebaut hat. Er wollte das Schloss um 180 Grad drehen. Sein Hauptportal zeigt also nicht mehr zur Allee Unter den Linden, sondern zum Alexanderplatz hin. Der könnte – als Park auf das Schloss bezogen und über den östlichen Spree-Arm hinweg – dem gewaltigen Klotz wahrlich Raum zum Atmen geben.
Braunfels’ und Kühn/Malvezzis Pech: Die 15 Preisrichter trauten sich zu solch extravaganten Lösungen nicht – und entschieden sich einstimmig für den braven und schon etwas biederen Franco Stella. Dessen Bau wird erwartungsgemäß teurer als die bisher veranschlagte halbe Milliarde Euro. Aber ebenso sicherlich werden ihn eines Tages die Berliner und ihre Gäste SEHR mögen. An die Bedenken unserer Tage wird sich dann niemand mehr erinnern.
Manfred Eichel, Historiker, Kunst- und Literaturwissenschaftler, journalistische Stationen: SPIEGEL, NDR-Fernsehen und ZDF, dort lange Jahre Chef ‚Aspekte’, 2000-2003 Chefkorrespondent Kultur im Berliner ZDF-Hauptstadtstudio, seit 1988 Professor an der UdK Berlin im Studiengang Kulturjournalismus.
Doch 85 Baumeister, fast alles Deutsche, machten sich ans Werk, dachten nach und zeichneten – meist „unzureichend“, fand eine hochkarätige Jury und bat dann nur noch 30 der Bewerber, ihre Ideen zu präzisieren. Von denen machte nun einer das Rennen, den vorher kaum jemand kannte: Franco Stella, ein Italiener aus Vicenza. 65 Jahre alt. Einen Messebau, so fanden die Rechercheure dann raus, hat er in Padua und ein Wohnhaus hat er in Potsdam gebaut.
Stella hat alles genau so gemacht, wie sich die deutschen Volksvertreter das gewünscht hatten. Zunächst mal rein äußerlich: Das Stella-Schloss hat die Ausmaße des Schlüter-Schlosses und drei seiner Außenmauern werden von barocken Fassaden- und Schmuck-Elementen historisch exakt verziert sein. An der Ostseite des Riesenkastens, also zur Spree hin, hatten alle Architekten freie Hand. Stella hat hier über vier Stockwerke eine wirklich elegant gegliederte Loggienfassade vorgesehen. Nach oben abgeschlossen durch ein Band kleinerer Bögen. Besucher sollen hier später flanieren dürfen, auf das Wasser und den Alexanderplatz sehen können. Aber auch hier schieden sich die kritischen Geister: Der Berliner „Tagesspiegel“ applaudierte der „Meisterleistung“. Die „Süddeutsche“ dagegen mäkelte: „Sozialer Wohnungsbau der überkandidelten Art“.
Ursprünglich sollten lediglich die außereuropäischen Sammlungen in einem wieder aufgebauten Schloss untergebracht werden. Dann wurde das Konzept des „Humboldt-Forums“ entwickelt. Das Schloss sollte zu einem Platz des interkulturellen Dialogs werden. Für Diskussionen, Konzerte und Aufführungen brauchte man Räume, die fortan als „Agora“ firmierten. Und die benachbarte Humboldt-Universität sollte hier auch noch ihre Bibliothek reinpacken. Durch dieses Draufsatteln wird es nun eng im Schloss. Jetzt müssen sich die Sammlungen außereuropäischer Kulturen auf 24.000 Quadratmeter beschränken – statt auf die mal ins Auge gefasste doppelte Fläche. Franco Stella hat das Raum-Problem sehr praktisch gelöst. Er will einen der beiden ursprünglich vorhandenen Innenhöfe überbauen und zwei große Kuben für die Museen hineinstellen – ohne Kontakt zu den barocken Außenfassaden. Hinter denen könnten nun einige der prunkvollen Paradekammern rekonstruiert werden, in denen sich die kaiserlichen Herrschaften anno dazumal wohl gefühlt hatten – Räume, wie auch Touristen sie lieben.
Seit gestern werden die Entwürfe der letzten 30 Wettbewerber öffentlich ausgestellt. Sie beweisen, dass es reichlich viel Mittelmaß bis in die Endrunde geschafft hat. Und doch: Zwei der Entwürfe fallen aus dem Rahmen. Weil sie aus dem wohl allzu engen Korsett der Vorgaben ausgebrochen sind. Das Berliner Büro Kühn/Malvezzi erinnert zwar an das alte Schloss, verzichtet aber auf fast alle Schnörkel und wollte statt hellem Sandstein rote Ziegel verbauen – in Anlehnung an einige Bauten Schinkels in unmittelbarer Nachbarschaft. Das Schloss wäre in den Konturen erahnbar geblieben, aber es wäre in zeitgenössischer Anmutung entstanden – gekrönt von einem lichten Schwebedach statt einer altmodischen Kuppel.
Einen noch kühneren Entwurf hat Stephan Braunfels abgeliefert, der in Berlin die imposanten Reichstags-Nebengebäude gebaut hat. Er wollte das Schloss um 180 Grad drehen. Sein Hauptportal zeigt also nicht mehr zur Allee Unter den Linden, sondern zum Alexanderplatz hin. Der könnte – als Park auf das Schloss bezogen und über den östlichen Spree-Arm hinweg – dem gewaltigen Klotz wahrlich Raum zum Atmen geben.
Braunfels’ und Kühn/Malvezzis Pech: Die 15 Preisrichter trauten sich zu solch extravaganten Lösungen nicht – und entschieden sich einstimmig für den braven und schon etwas biederen Franco Stella. Dessen Bau wird erwartungsgemäß teurer als die bisher veranschlagte halbe Milliarde Euro. Aber ebenso sicherlich werden ihn eines Tages die Berliner und ihre Gäste SEHR mögen. An die Bedenken unserer Tage wird sich dann niemand mehr erinnern.
Manfred Eichel, Historiker, Kunst- und Literaturwissenschaftler, journalistische Stationen: SPIEGEL, NDR-Fernsehen und ZDF, dort lange Jahre Chef ‚Aspekte’, 2000-2003 Chefkorrespondent Kultur im Berliner ZDF-Hauptstadtstudio, seit 1988 Professor an der UdK Berlin im Studiengang Kulturjournalismus.

Manfred Eichel© privat