"Hüttenkoller gab es schon"
Als "großes Abenteuer" bezeichnet Oliver Knickel seine Teilnahme an einem 105-tägigen Testlauf für einen simulierten Flug zum Mars.
Klaus Pokatzky: Guido Meyer über ein Himmelfahrskommando namens Marsflug. Eingesperrt war 105 Tage lang Oliver Knickel, ausgewählt aus mehr als 5000 Bewerbern, Hauptmann der Bundeswehr aus Eschweiler bei Aachen, den ich nun am Telefon begrüße. Guten Tag, Herr Knickel!
Oliver Knickel: Guten Tag, Herr Pokatzky!
Pokatzky: Herr Knickel, abgesehen mal von der Enge in dem Container, in dem Sie ja waren mit fünf weiteren Leidensgenossen … Sie persönlich hatten ja nur ein drei Quadratmeter großes Kabuff, wenn Sie sich mal zurückziehen wollten. Sie konnten sich auch die 105 Tage nicht waschen, sondern hatten nur feuchte Tücher, um sich sauberzumachen. Haben Sie und die fünf anderen da am Ende nicht unglaublich gestunken?
Knickel: Nee, ich denke nicht. Wir haben einen besonderen Augenmerk auf die Körperhygiene gelegt. Wir hatten zwar, wie gesagt, nur nasse Tücher zur Verfügung, wir haben uns aber mehrere Male am Tag mit diesen nassen Tüchern gewaschen. Hintergrund ist einfach, dass in der Schwerelosigkeit, während eines richtigen Raumfluges, da würde das Wasser eben nicht von … in der Dusche von oben nach unten fallen. Dementsprechend wäre eine Duschprozedur, also, würde bis zu einer Stunde oder noch länger dauern und da behilft man sich heute auch schon auf der internationalen Raumstation mit eben diesen feuchten Handtüchern aus.
Pokatzky: Was haben Sie in diesem Container noch alles getan, um zu simulieren, wie es dann in einer echten Raumkapsel wäre?
Knickel: Ein wesentliches Bestandteil war eben auch die Signalverzögerung, also, der Mars ist die meiste Zeit einfach so weit von der Erde weg, dass ein Signal bis zu 20 Minuten in eine Richtung braucht. Dementsprechend, wenn man sich mit jemandem unterhalten würde, würde man auf eine Antwort 40 Minuten warten, ein Telefonat ist da vollkommen unmöglich. Das erfordert für die Crew, dass sie mehr oder weniger in allen Situationen auf sich alleine gestellt handeln kann und eben nicht auf Hilfe von einer Bodenkontrollstation angewiesen ist.
Pokatzky: Aber wie haben Sie das genau gemacht, um das jetzt zu simulieren, so ganz alleine auf sich angewiesen zu sein mit fünf anderen?
Knickel: Ja, also, es gab einerseits zum Beispiel bei der Kommunikation, also, wir konnten überhaupt nicht direkt mithilfe von Telefonen kommunizieren, sondern wir haben eine Videobotschaft aufgenommen, haben die dann in Richtung Erde gesendet. Mithilfe von technischen Möglichkeiten wurde da einfach sichergestellt, dass die dann erst nach 20 Minuten in der Kontrollstation ankam beziehungsweise nach 40 Minuten wir erst die, ja, Antwort erhalten haben. Ansonsten haben wir verschiedene nicht-statische Situationen gehabt eben, wo gewisse Lageeinspielungen waren, auf die wir als Crew dann eben reagieren mussten, wie zum Beispiel der Ausfall bestimmter Systeme wie zum Beispiel der Luftanlage, was dann eben auch sehr schnell bei einem richtigen Flug lebensbedrohlich werden könnte.
Pokatzky: Ja, sagen Sie mal, und wenn Sie dann 20 oder 40 Minuten warten mussten, haben Sie in der Zeit dann Däumchen gedreht, war das dann nicht irgendwann fürchterlich langweilig?
Knickel: Nein, es war für uns ganz klar, dass wir bei Aktionen, die direkten Handlungsbedarf erforderten, eben nicht auf die Hilfe der Bodenkontrollstation uns verlassen konnten, weil es einfach sehr lange dauerte, bis wir von denen eine Antwort bekommen, sondern wir haben dann wirklich die Entscheidungen selbst getroffen, die Maßnahmen selbst veranlasst und haben nur in Form einer Lagemeldung dann eben etwas in Richtung Bodenkontrollstation geschickt.
Pokatzky: Sie haben ja auf der Homepage – vor dieser ganzen Aktion – der Europäischen Raumfahrtagentur ESA von dieser Geschichte, von dem Experiment gelesen, dann haben Sie sich vor zwei Jahren beworben. Sie haben sich durchgesetzt unter 5600 Bewerbern. Wieso haben Sie das geschafft?
Knickel: Ich denke, einer der wesentlichen Merkmale war eine gewisse psychische Stabilität, also dass man zu keinen emotionalen Hochs oder Tiefs neigt, darüber hinaus natürlich ja eine hohe Motivation, also dass man wirklich das von Anfang bis Ende durchstehen will. Darüber hinaus gab es einfach gewisse formale Kriterien, also, man musste einen bestimmten Eingangsberuf haben, entweder Arzt oder Ingenieur oder Naturwissenschaftler, man musste eine bestimmte Größe haben, ein bestimmtes dazu passendes Gewicht, was auch einfach Sinn machte, denn die Nahrung zum Beispiel an Bord war auch rationiert und wer da übergewichtig eben in die Simulation gegangen wäre, hätte da auch Probleme bekommen.
Pokatzky: Ich spreche mit Oliver Knickel, einem der sechs Teilnehmer am Marsexperiment beim russischen Institut für biomedizinische Probleme. Herr Knickel, Sie hatten als Einstiegsvoraussetzung mitgebracht ja, dass Sie auch ein Maschinenbaustudium bei der Bundeswehr absolviert hatten, aber warum bewerben Sie sich dafür, sieben Wochen lang quasi in so eine Sardinenbüchse gesetzt zu werden? Es gibt ja den Klaustrophoben, also den Menschen, der unter Enge leidet bis zum Gehtnichtmehr. Sind Sie sozusagen dann das Gegenteil, sind Sie klaustrophil, lieben Sie die Enge?
Knickel: Nee, also, das kann ich verneinen, ich liebe die Enge in keinster Art und Weise, sondern schätze sehr auch den Raum, wenn er denn zur Verfügung steht. Ich denke, das liegt an einem Interesse an der Raumfahrt im Generellen von meiner Seite, und eben als ich die Ausschreibung für dieses Projekt gesehen habe, da wollte ich daran unbedingt teilnehmen. Ich habe das für ein großes Abenteuer gehalten und eben auch für eine Gelegenheit, irgendwie daran teilzuhaben, dem Mensch irgendwann den Schritt in Richtung Mars zu erleichtern.
Pokatzky: Wie sind Sie denn da mit Ihren Kollegen zurechtgekommen? Also, auf einem Containerraum, 180 Quadratmeter groß, wie gesagt, zurückziehen konnten Sie sich dann mal in so eine Zelle von drei Quadratmetern. Gab es nicht auch mal Stress mit denen? Hatten Sie mal so eine Art Hüttenkoller?
Knickel: Ja, ich denke, Hüttenkoller gab es schon, aber das Gute ist, es kommt ja nicht bei allen gleichzeitig.
Pokatzky: Sie haben sich abgewechselt, Sie haben den Hüttenkoller im Schichtdienst genommen?
Knickel: Genau.
Pokatzky: Bei der Bundeswehr gelernt.
Knickel: Genau, bei der Bundeswehr gelernt, ja. Nee, also, wir hatten eine sehr gute psychologische Vorbereitung darauf, auch auf Situationen oder Durchhängephasen, die eben auftreten können, und da das eben nicht bei allen gleichzeitig kommt, besteht immer die Möglichkeit, dass das dann eben das eine oder andere Crewmitglied dann die anderen durchziehen können, falls mal jemand einen solchen Durchhänger haben könnte, diejenigen aufmuntern und versuchen, demjenigen dann Hilfestellungen zu geben.
Pokatzky: Aber, Herr Knickel, das muss doch eine unheimlich komische Situation sein: Ich bin in einem Raum und ich weiß, wenn ich wollte, könnte ich da jetzt jederzeit raus. Es ist ja nicht so wie im Knast letztlich. Und dann bleibe ich da freiwillig sieben Wochen lang drin. Was muss man mitbringen, damit man das wirklich psychisch hinkriegt?
Knickel: Ja, ich denke, das erfordert natürlich eine gewisse, ja, eine sehr hohe Motivation, dass man sagt, ich will das eben bis zum Ende durchziehen, also, ich nehme diese ganzen Dinge, die dafür ja erforderlich sind, in Kauf, diese ganzen Unbequemlichkeiten, ich ziehe das gar nicht in Betracht, hier auszusteigen, sondern ja ich kenne das Ziel, ich weiß dass das einen Sinn hat und möchte das eben bis zum Ende erfolgreich durchbringen. Komischerweise eigentlich auch, obwohl, wie Sie ja richtig gesagt haben, man konnte jederzeit aussteigen und wir waren ja eigentlich in Moskau fünf bis acht Kilometer vom Roten Platz entfernt, also, wir waren quasi mitten in einer Metropole, aber uns kam es nach relativ kurzer Zeit auch schon gar nicht mehr so vor. Der Realitätsbezug war da verloren, weil wir in diesem abgeschotteten Raum waren, wir hatten keine Sichtverbindung nach außen, wir hatten keine Fenster, also, wir haben uns wirklich gefühlt wie auf einem Flug zum Mars.
Pokatzky: Ja, Sie haben erzählt, wie Sie dann Kontakt mit der Erde gehalten haben. Haben Sie denn sonst noch irgendetwas simuliert? Schwerelosigkeit gab es ja nicht, aber haben Sie vielleicht geprobt, wie es wäre in einem Notfall?
Knickel: Ja also, wir hatten bestimmte Lageeinspielungen wie dass in gewissen Teilmodulen einfach die Luftversorgung ausfällt. Das geht dann einher mit einem Temperaturanstieg. Dann der Anteil von CO2, was ja dann giftig ist in einer bestimmten Menge, stieg dann eben auch an und wir mussten dann eben reagieren, versuchen, diese Systeme eben wieder dann instand zu setzen. Und falls eben das in einem Teilmodul zum Beispiel nicht möglich war, dann sind wir in ein anderes Modul gegangen und haben dann im Endeffekt die Luke zugemacht, also die Teilmodule waren wie im U-Boot mit Luken voneinander abgetrennt, die man … Wenn man die Luke geschlossen hat, dann war das eine Teilmodul vom anderen komplett abgeschottet.
Pokatzky: Und wie lange haben Sie am Stück gearbeitet und wie viel dann geschlafen?
Knickel: Ich denke, ich habe am Tag so gute sechs Stunden geschlafen, ich hätte aber auch, ja, etwas mehr, also bis zu acht oder neun Stunden schlafen können, also, da kann man sich eigentlich gar nicht beschweren, das hat deutlich gereicht. Wir sind jeden Tag aufgestanden so um etwa 8 Uhr und hatten Arbeitszeit bis etwa 19 Uhr, also, zwischendrin hatten wir eben ganz normal Frühstück, Mittagessen, Abendessen, und der Abend war mehr oder weniger zur freien Verfügung. Alle sechs Tage, wir waren ja eine Sechs-Mann-Crew, hat man eine Nachtschicht gehabt, wo man dann eben ja die ganze Nacht aufgeblieben ist. Hintergrund einfach: Das Signal dauert bis zu 20 Minuten pro Richtung, die Station kann nicht von der Erde aus überwacht werden, sondern muss in Echtzeit durch eins der Crewmitglieder überwacht werden und das eben Tag und Nacht.
Pokatzky: Was haben Sie als erstes gemacht, als Sie dann wieder da raus waren?
Knickel: Wir hatten ja eine relativ große Pressekonferenz und relativ viele offizielle Termine abzuarbeiten und auch relativ umfangreiche Nachuntersuchungen, sodass ich gar nicht groß zum Entspannen kam, aber als ich dann vergangenen Freitag in Deutschland gelandet bin und dann in meiner Wohnung in Hamburg angekommen bin, da habe ich erst mal mit meiner Freundin zusammen auf dem Balkon gegrillt.
Pokatzky: Und danach wahrscheinlich in die Badewanne. Danke an Oliver Knickel, Hauptmann bei der Bundeswehr in Eschweiler und in Eschweiler hören Sie das Deutschlandradio Kultur über 105,0.
Oliver Knickel: Guten Tag, Herr Pokatzky!
Pokatzky: Herr Knickel, abgesehen mal von der Enge in dem Container, in dem Sie ja waren mit fünf weiteren Leidensgenossen … Sie persönlich hatten ja nur ein drei Quadratmeter großes Kabuff, wenn Sie sich mal zurückziehen wollten. Sie konnten sich auch die 105 Tage nicht waschen, sondern hatten nur feuchte Tücher, um sich sauberzumachen. Haben Sie und die fünf anderen da am Ende nicht unglaublich gestunken?
Knickel: Nee, ich denke nicht. Wir haben einen besonderen Augenmerk auf die Körperhygiene gelegt. Wir hatten zwar, wie gesagt, nur nasse Tücher zur Verfügung, wir haben uns aber mehrere Male am Tag mit diesen nassen Tüchern gewaschen. Hintergrund ist einfach, dass in der Schwerelosigkeit, während eines richtigen Raumfluges, da würde das Wasser eben nicht von … in der Dusche von oben nach unten fallen. Dementsprechend wäre eine Duschprozedur, also, würde bis zu einer Stunde oder noch länger dauern und da behilft man sich heute auch schon auf der internationalen Raumstation mit eben diesen feuchten Handtüchern aus.
Pokatzky: Was haben Sie in diesem Container noch alles getan, um zu simulieren, wie es dann in einer echten Raumkapsel wäre?
Knickel: Ein wesentliches Bestandteil war eben auch die Signalverzögerung, also, der Mars ist die meiste Zeit einfach so weit von der Erde weg, dass ein Signal bis zu 20 Minuten in eine Richtung braucht. Dementsprechend, wenn man sich mit jemandem unterhalten würde, würde man auf eine Antwort 40 Minuten warten, ein Telefonat ist da vollkommen unmöglich. Das erfordert für die Crew, dass sie mehr oder weniger in allen Situationen auf sich alleine gestellt handeln kann und eben nicht auf Hilfe von einer Bodenkontrollstation angewiesen ist.
Pokatzky: Aber wie haben Sie das genau gemacht, um das jetzt zu simulieren, so ganz alleine auf sich angewiesen zu sein mit fünf anderen?
Knickel: Ja, also, es gab einerseits zum Beispiel bei der Kommunikation, also, wir konnten überhaupt nicht direkt mithilfe von Telefonen kommunizieren, sondern wir haben eine Videobotschaft aufgenommen, haben die dann in Richtung Erde gesendet. Mithilfe von technischen Möglichkeiten wurde da einfach sichergestellt, dass die dann erst nach 20 Minuten in der Kontrollstation ankam beziehungsweise nach 40 Minuten wir erst die, ja, Antwort erhalten haben. Ansonsten haben wir verschiedene nicht-statische Situationen gehabt eben, wo gewisse Lageeinspielungen waren, auf die wir als Crew dann eben reagieren mussten, wie zum Beispiel der Ausfall bestimmter Systeme wie zum Beispiel der Luftanlage, was dann eben auch sehr schnell bei einem richtigen Flug lebensbedrohlich werden könnte.
Pokatzky: Ja, sagen Sie mal, und wenn Sie dann 20 oder 40 Minuten warten mussten, haben Sie in der Zeit dann Däumchen gedreht, war das dann nicht irgendwann fürchterlich langweilig?
Knickel: Nein, es war für uns ganz klar, dass wir bei Aktionen, die direkten Handlungsbedarf erforderten, eben nicht auf die Hilfe der Bodenkontrollstation uns verlassen konnten, weil es einfach sehr lange dauerte, bis wir von denen eine Antwort bekommen, sondern wir haben dann wirklich die Entscheidungen selbst getroffen, die Maßnahmen selbst veranlasst und haben nur in Form einer Lagemeldung dann eben etwas in Richtung Bodenkontrollstation geschickt.
Pokatzky: Sie haben ja auf der Homepage – vor dieser ganzen Aktion – der Europäischen Raumfahrtagentur ESA von dieser Geschichte, von dem Experiment gelesen, dann haben Sie sich vor zwei Jahren beworben. Sie haben sich durchgesetzt unter 5600 Bewerbern. Wieso haben Sie das geschafft?
Knickel: Ich denke, einer der wesentlichen Merkmale war eine gewisse psychische Stabilität, also dass man zu keinen emotionalen Hochs oder Tiefs neigt, darüber hinaus natürlich ja eine hohe Motivation, also dass man wirklich das von Anfang bis Ende durchstehen will. Darüber hinaus gab es einfach gewisse formale Kriterien, also, man musste einen bestimmten Eingangsberuf haben, entweder Arzt oder Ingenieur oder Naturwissenschaftler, man musste eine bestimmte Größe haben, ein bestimmtes dazu passendes Gewicht, was auch einfach Sinn machte, denn die Nahrung zum Beispiel an Bord war auch rationiert und wer da übergewichtig eben in die Simulation gegangen wäre, hätte da auch Probleme bekommen.
Pokatzky: Ich spreche mit Oliver Knickel, einem der sechs Teilnehmer am Marsexperiment beim russischen Institut für biomedizinische Probleme. Herr Knickel, Sie hatten als Einstiegsvoraussetzung mitgebracht ja, dass Sie auch ein Maschinenbaustudium bei der Bundeswehr absolviert hatten, aber warum bewerben Sie sich dafür, sieben Wochen lang quasi in so eine Sardinenbüchse gesetzt zu werden? Es gibt ja den Klaustrophoben, also den Menschen, der unter Enge leidet bis zum Gehtnichtmehr. Sind Sie sozusagen dann das Gegenteil, sind Sie klaustrophil, lieben Sie die Enge?
Knickel: Nee, also, das kann ich verneinen, ich liebe die Enge in keinster Art und Weise, sondern schätze sehr auch den Raum, wenn er denn zur Verfügung steht. Ich denke, das liegt an einem Interesse an der Raumfahrt im Generellen von meiner Seite, und eben als ich die Ausschreibung für dieses Projekt gesehen habe, da wollte ich daran unbedingt teilnehmen. Ich habe das für ein großes Abenteuer gehalten und eben auch für eine Gelegenheit, irgendwie daran teilzuhaben, dem Mensch irgendwann den Schritt in Richtung Mars zu erleichtern.
Pokatzky: Wie sind Sie denn da mit Ihren Kollegen zurechtgekommen? Also, auf einem Containerraum, 180 Quadratmeter groß, wie gesagt, zurückziehen konnten Sie sich dann mal in so eine Zelle von drei Quadratmetern. Gab es nicht auch mal Stress mit denen? Hatten Sie mal so eine Art Hüttenkoller?
Knickel: Ja, ich denke, Hüttenkoller gab es schon, aber das Gute ist, es kommt ja nicht bei allen gleichzeitig.
Pokatzky: Sie haben sich abgewechselt, Sie haben den Hüttenkoller im Schichtdienst genommen?
Knickel: Genau.
Pokatzky: Bei der Bundeswehr gelernt.
Knickel: Genau, bei der Bundeswehr gelernt, ja. Nee, also, wir hatten eine sehr gute psychologische Vorbereitung darauf, auch auf Situationen oder Durchhängephasen, die eben auftreten können, und da das eben nicht bei allen gleichzeitig kommt, besteht immer die Möglichkeit, dass das dann eben das eine oder andere Crewmitglied dann die anderen durchziehen können, falls mal jemand einen solchen Durchhänger haben könnte, diejenigen aufmuntern und versuchen, demjenigen dann Hilfestellungen zu geben.
Pokatzky: Aber, Herr Knickel, das muss doch eine unheimlich komische Situation sein: Ich bin in einem Raum und ich weiß, wenn ich wollte, könnte ich da jetzt jederzeit raus. Es ist ja nicht so wie im Knast letztlich. Und dann bleibe ich da freiwillig sieben Wochen lang drin. Was muss man mitbringen, damit man das wirklich psychisch hinkriegt?
Knickel: Ja, ich denke, das erfordert natürlich eine gewisse, ja, eine sehr hohe Motivation, dass man sagt, ich will das eben bis zum Ende durchziehen, also, ich nehme diese ganzen Dinge, die dafür ja erforderlich sind, in Kauf, diese ganzen Unbequemlichkeiten, ich ziehe das gar nicht in Betracht, hier auszusteigen, sondern ja ich kenne das Ziel, ich weiß dass das einen Sinn hat und möchte das eben bis zum Ende erfolgreich durchbringen. Komischerweise eigentlich auch, obwohl, wie Sie ja richtig gesagt haben, man konnte jederzeit aussteigen und wir waren ja eigentlich in Moskau fünf bis acht Kilometer vom Roten Platz entfernt, also, wir waren quasi mitten in einer Metropole, aber uns kam es nach relativ kurzer Zeit auch schon gar nicht mehr so vor. Der Realitätsbezug war da verloren, weil wir in diesem abgeschotteten Raum waren, wir hatten keine Sichtverbindung nach außen, wir hatten keine Fenster, also, wir haben uns wirklich gefühlt wie auf einem Flug zum Mars.
Pokatzky: Ja, Sie haben erzählt, wie Sie dann Kontakt mit der Erde gehalten haben. Haben Sie denn sonst noch irgendetwas simuliert? Schwerelosigkeit gab es ja nicht, aber haben Sie vielleicht geprobt, wie es wäre in einem Notfall?
Knickel: Ja also, wir hatten bestimmte Lageeinspielungen wie dass in gewissen Teilmodulen einfach die Luftversorgung ausfällt. Das geht dann einher mit einem Temperaturanstieg. Dann der Anteil von CO2, was ja dann giftig ist in einer bestimmten Menge, stieg dann eben auch an und wir mussten dann eben reagieren, versuchen, diese Systeme eben wieder dann instand zu setzen. Und falls eben das in einem Teilmodul zum Beispiel nicht möglich war, dann sind wir in ein anderes Modul gegangen und haben dann im Endeffekt die Luke zugemacht, also die Teilmodule waren wie im U-Boot mit Luken voneinander abgetrennt, die man … Wenn man die Luke geschlossen hat, dann war das eine Teilmodul vom anderen komplett abgeschottet.
Pokatzky: Und wie lange haben Sie am Stück gearbeitet und wie viel dann geschlafen?
Knickel: Ich denke, ich habe am Tag so gute sechs Stunden geschlafen, ich hätte aber auch, ja, etwas mehr, also bis zu acht oder neun Stunden schlafen können, also, da kann man sich eigentlich gar nicht beschweren, das hat deutlich gereicht. Wir sind jeden Tag aufgestanden so um etwa 8 Uhr und hatten Arbeitszeit bis etwa 19 Uhr, also, zwischendrin hatten wir eben ganz normal Frühstück, Mittagessen, Abendessen, und der Abend war mehr oder weniger zur freien Verfügung. Alle sechs Tage, wir waren ja eine Sechs-Mann-Crew, hat man eine Nachtschicht gehabt, wo man dann eben ja die ganze Nacht aufgeblieben ist. Hintergrund einfach: Das Signal dauert bis zu 20 Minuten pro Richtung, die Station kann nicht von der Erde aus überwacht werden, sondern muss in Echtzeit durch eins der Crewmitglieder überwacht werden und das eben Tag und Nacht.
Pokatzky: Was haben Sie als erstes gemacht, als Sie dann wieder da raus waren?
Knickel: Wir hatten ja eine relativ große Pressekonferenz und relativ viele offizielle Termine abzuarbeiten und auch relativ umfangreiche Nachuntersuchungen, sodass ich gar nicht groß zum Entspannen kam, aber als ich dann vergangenen Freitag in Deutschland gelandet bin und dann in meiner Wohnung in Hamburg angekommen bin, da habe ich erst mal mit meiner Freundin zusammen auf dem Balkon gegrillt.
Pokatzky: Und danach wahrscheinlich in die Badewanne. Danke an Oliver Knickel, Hauptmann bei der Bundeswehr in Eschweiler und in Eschweiler hören Sie das Deutschlandradio Kultur über 105,0.