"Hürriyet Love Express"

Von Georg Gruber |
Kanak Attak - Ende der 90er Jahre machte eine bunt zusammen gewürfelte Gruppe auf sich aufmerksam, Migranten, darunter Künstler, Musiker, Journalisten. Sie veröffentlichten ein zorniges Manifest: gleichermaßen gegen den Zwang zur Integration und gegen gut gemeinte und genauso einengende Multikulti-Bekundungen.
Einer der Initiatoren war Imran Ayata. Heute erscheint sein erstes Buch mit Kurzgeschichten, Hürriyet Love-Express, Geschichten vom Hier und Jetzt junger Kanakster.

Ayata: "Was ist ein Kanakster? Ich habe irgendwann aufgehört, mich als irgendwas zu bezeichnen."

"Ich glaube, das ist auch ein Ergebnis der Erziehung meiner Eltern und auch Erfahrung, sozusagen sich hier zu behaupten, dass man immer, immer Gas geben muss, um auf dem Niveau zu sein, dass die meisten Leute das akzeptieren, was man macht."

"Ich glaube das ist was sehr kanakisches, wir sind keine Heulsusen, wir machen immer weiter."

Weiter machen - trotz unsichtbarer Grenzen: Imran Ayata kennt die Schubladen und Klischees, kennt die Bilder, die sich die deutsche Gesellschaft von ihren Ausländern macht. Er hat selber eines mit entworfen: den Kanakster.

Musik Kanak Attak: "Wir sind Kanaken und wir wissen wer wir sind, wir lassen uns nicht anpassen, fassen so einige Dinge anders auf ..."

Imran Ayata gehörte 1998 zu den Gründern von Kanak Attak, einer bunt zusammen gewürfelten Gruppe, die für Aufsehen sorgte, hier meldeten sich junge Migranten zu Wort, in einer Weise, die neu war: Selbstbewusst, offensiv - mit einem eigenen Manifest:

Ayata: "Es ist komisch, ich erinnere mich sogar daran, welche Passage ich geschrieben habe, (lacht)"

Den Schluss des Textes:

"Wir treten an, eine neue Haltung von Migranten aller Generationen auf die Bühne zu bringen, eigenständig und ohne Anbiederung und Konformismus, (...)"

Kanak Attak wandte sich gegen den Zwang zur Integration und gegen wohlmeinende aber einengende Multikulti-Visionen.

Ayata: "Es geht ab. Kanak Attak!
Wir haben sogar einen Song gemacht, "

Musik Kanak Attak Lied: "Aus mir spricht nur der Hass, den ihr erschaffen habt, logisch, dass ein normaler Mensch in Deutschland überschnappt, wenn man sieht, wie Unterschriften gesammelt werden, von geistigen Brandstiftern, die mit Integration werben ..."

Viel Wut ist da zu spüren, doch war Kanak Attak immer auch kluger Pop, ein Spiel.
Ayata: "Ironisch dabei zu sein, das hat das für mich immer ausgemacht."

Ironisch, distanziert, so sind auch die Geschichten in seinem Buch "Hürriyet Love Express", Momentaufnahmen aus dem Leben von "Kanakstern". Seine Figuren sind keine Ghetto-Kids mit Goldkettchen, dieses Klischee will er nicht bedienen. Sie sind lässig, Kumpels, die absurde Sachen machen, oder einfach aufhören zu sprechen und sich am Mittelmeer in rätselhafte Frauen verlieben.

"Natürlich sind da Dinge, Geschichten, Samples drin, die ich aufgeschnappt habe, die ich notiert habe, die ich vielleicht selber erlebt habe."

Aber: es sei keine Autobiografie. Ihm geht es um etwas anderes.

Um Typen, die so nicht im Blickfeld der Deutschen sind. Zum Beispiel:

"So ein Typ wie Pokerci Ali, taucht da nicht auf, "

Ein cooler Lebenskünstler, der nicht zum Arbeiten, sondern zum Pokern nach Deutschland kommt, mit der ersten Gastarbeitergeneration:

"Das ist sozusagen, der große Bruder der anderen, die da kommen, weil natürlich in jeder Generation es immer auch solche Typen, solche verkrachte Existenzen, Schauspieler, Poser , Hipster eben auch immer gegeben hat."

Auch seine Eltern gehörten zur ersten Generation. Er ist 1969 in Ulm geboren.

Eine langweilige Stadt ohne guten Fußballverein.

"Heute spielt mein Club Galatasaray Istanbul gegen Istanbulspor,"
Er ist Fan, seit er sechs ist. Hat sich einen Pay-TV-Sender abonniert:

"Ja, ja, geil, der kam aus der zweiten Liga, in der Winterpause, ist sein zweites Tor schon..."

"Der Verein passt sehr gut zu mir, er ist echt ok, ist eigentlich ein bisschen elitär, "

Auf dem Gymnasium in Ulm war er der zweite Türkischstämmige, der Abitur machte. Ein Exot.

"Also so ein bisschen der etwas besondere Ali."

Hat er darunter gelitten?

"Es war o.k."

Erst in Frankfurt während des Politik-Studiums begann das Nachdenken über die eigene Stellung in der Gesellschaft.

In Frankfurt startete dann auch Kanak Attak. Fast gleichzeitig begann er für eine Kommunikationsagentur zu arbeiten, zog nach Berlin.

"Ich wollte nicht in Kreuzberg leben, das ist mir zu depressiv da."

''ich mag eigentlich diese Ecke hier, das ist nicht Mitte, das ist nicht Prenzlauer Berg, wir sagen immer, wir Jungs vom Zionskirchplatz, die Ecke finde ich super."

An der Ecke ist auch sein verlängertes Wohnzimmer, eine Szene-Bar:

"Wo man hingeht, na wie geht’s und so, so eine Form von Ersatzfamilie ist gar nicht so schlecht."

Bei Kanak Attak ist er nicht mehr, zu wenig Zeit. Inzwischen ist er Geschäftsführer der Agentur:

"Workaholic nein, aber immer mit Vollgas, egal was ich gemacht habe, von Kanak Attak bis zu dieser Agentur."

60-Stundenwoche ist normal. Der Preis des Erfolges.

"Ich würde mich nicht als etabliert bezeichnen."

Im Badezimmer keinen Marmor. Im Wohnzimmer noch immer die DJ-Plattenspieler, auch wenn er kaum noch zum auflegen kommt.

Trotz des Erfolges, es bleibt der Stachel:

"Ich finde diesen Satz von Feridun Zaimoglu immer noch sehr schön: den Fremdländer kannst du nimmer aus der Fresse wischen, man kann noch so etabliert sein in einem Bereich, eine gewisse Form von Ausgrenzung gibt es immer noch."

Da ist sie wieder zu spüren, diese Wut, die in dem Buch, nur ironisch gebrochen durch scheint. Denn daneben gibt es immer auch den Stolz:

"Ich glaube das ist was sehr kanakisches, wir sind keine Heulsusen, wir machen immer weiter.


Imran Ayata
Hürriyet Love Express
Ca. 224 Seiten
7,90 Euro, Kiepenheuer&Witsch
Jugendkultur - eine eigene Sprache gehört auch dazu
Breakdance und Hiphop - auch ein Teil der Kanak Attack?© AP