HSH im Glück

Von Thorsten Hild |
Mit der HSH Nordbank verhält es sich wie bei "Hans im Glück". Nur die Moral ist eine andere. Hans im Glück wollte, nachdem er sieben Jahre seinem Herrn brav gedient hatte, heim zu seiner Mutter. Als Lohn erhielt er ein Stück Gold. Weil er sich unterwegs aber in einen immer unglücklicheren Tauschhandel verstrickte, stand er schließlich mittellos da. Aber "mit leichtem Herzen und frei von aller Last sprang er nun fort, bis er daheim bei seiner Mutter war". So endet das Märchen.
Die HSH Nordbank hatte, als sie noch Hamburgische Landesbank war, ebenfalls für viele Jahre ihrem Herrn, dem Stadtstaat Hamburg, brav gedient, genauso wie die mit ihr zur HSH fusionierte schleswig-holsteinische Landesbank.

Dann aber wollte sie an die Börse. Sie bekam mit der noch gültigen Anstaltslast und Gewährträgerhaftung ein gutes Rating mit auf den Weg, das Gold wert war. Erlaubte es ihr doch, sich noch einmal günstiger als zu Marktbedingungen zu refinanzieren.

Das Ziel einer hohen Rendite vor Augen, begann die HSH auf ihrem Weg zum Kapitalmarkt nun, dieses "Gold" in immer neue "Produkte" einzutauschen. Sie handelte dabei mit ähnlicher Fortune wie Hans im Glück. Es ist zu vermuten, dass sich in den führenden Köpfen der Bank dabei auch gerade so fabelhafte Gedanken einnisteten, wie bei unserer Märchenfigur.

Durch ihren Tatendrang steht die HSH heute so da, wie Hans zum Ausklang des Märchens. Nur, dass sie sich darüber gar nicht freuen kann. Erst recht nicht die Steuerzahler. Das hat die HSH aber nicht daran gehindert, sich auch noch zu dem Zeitpunkt wie Hans im Glück zu verhalten, als bereits milliardenschwere Bürgschaften in Anspruch genommen werden mussten. Diese dienten, so die Bank, "der Unterstützung des erfolgreichen Geschäftsmodells". Ein Geschäftsmodell erfolgreich zu nennen, das ein Unternehmen zwingt, Garantien in Höhe von 30 Milliarden zu beantragen, dazu hätte wahrscheinlich selbst den Gebrüdern Grimm die Phantasie gefehlt. Der frühere Finanzsenator und jetzige Aufsichtsratschef der HSH, Dr. Wolfgang Peiner, sprach kumpelhaft von einem "Schulterschluss" und einer "Basis für den künftigen Erfolg der Bank".

Doch wie erklärt er den vergangenen Misserfolg der Bank?

In einem Interview im Hamburger Abendblatt stellte Peiner immerhin fest: "Die Bank hatte nach ihrer Gründung, also der Fusion der beiden Landesbanken Hamburg und Schleswig-Holstein, ein Geschäftsmodell entwickelt, das ein großes Volumen von Kreditersatzgeschäften beinhaltete. Man hat ein großes Wertpapier-Portfolio aufgebaut und von den Renditen gut gelebt."

Bei der Frage aber, wer wann beschlossen habe, "dass sich die Bank auf das hoch riskante Kreditersatzgeschäft einlässt, das in die Krise führte", wurde Peiner uneinsichtig: "Es ist nicht hoch riskant. Es ist ein überwiegend ganz normales Wertpapier-Portfolio ..." Außerdem hätten es andere Landesbanken genauso gemacht.

Ein Wertpapier-Portfolio, das, wie auch Herrn Peiner in seiner Verantwortung bekannt gewesen sein müsste, Banken weltweit gleichartig aufbauten, und das zu den jetzigen Milliardenverlusten führte, selbst heute noch als "normal" zu bezeichnen, ist unbegreiflich. Das Fatale ist ja: Keiner der hochdotierten Bankmanager hat wahrhaben wollen, dass der Handel mit "Schrottpapieren" ein Nullsummenspiel war, das scheitern musste. Dass die anderen es auch so gemacht haben, war den Verantwortlichen nicht etwa Anlass, zu gegebener Zeit zu warnen. Dafür hatten sie ja ihre Renditeziele blind gemacht. Vielmehr soll dies jetzt auch noch rechtfertigen, selbst keinen Durchblick in die Auswirkungen des eigenen Handelns gehabt zu haben.

Nach der "Gier" der Eigentümer befragt, schiebt Peiner die Verantwortung von sich: "Weder die Eigentümer noch der Aufsichtsrat haben den Vorstand der Bank zu dem Abschluss besonders risikoreicher Geschäfte mit dem Ziel hoher Renditen ermuntert. Es war die Geschäftspolitik des Vorstands der Bank."

Hatte der ehemalige Vorstandsvorsitzende, Alexander Stuhlmann, nicht aber eben dieses neue Geschäftsmodell damit gerechtfertigt, dass das Geldhaus sonst für die Eigentümer und die zu gewinnenden Partner an den Kapitalmärkten nicht länger attraktiv sei?

Die Frage nach den Verantwortlichen verlangt – ebenso wie die trotz schon erwarteter Milliardenverluste vorgenommenen Ausschüttungen an institutionelle Investoren – nach einem Untersuchungsausschuss. Denn wer sonst soll die Verantwortlichen für den Milliarden-Gau stellen? Die Unternehmensberater, die zur Wirtschaftsprüfung in die Bank geschickt wurden, wohl kaum.

Thorsten Hild, Volkswirt, war von Juli 2000 bis September 2005 bei der HSH Nordbank AG (vorher Hamburgische Landesbank) angestellt (und dort in der volkswirtschaftlichen Abteilung mit der Länderanalyse und der Redaktion von Publikationen zum Ostseeraum und zu Asien befasst). Seit Dezember 2005 leitet er das Büro von Oskar Lafontaine im Deutschen Bundestag. Er publiziert zu wirtschaftspolitischen Themen und führt unter www.wirtschaftundgesellschaft.de eine eigene journalistische Plattform.