"Howard war immer nur beim Sport"
Nach Ansicht des Journalisten Andreas Stummer wird der neue australische Ministerpräsident Kevin Rudd eine komplett andere Kulturpolitik betreiben als sein Vorgänger John Howard. "Der größte Unterschied zu früher ist, dass Australien künftig überhaupt eine Kulturpolitik haben wird", sagte Stummer, der in Sydney lebt. Die frühere Regierung habe die Künste "nur widerwillig, wenn überhaupt" gefördert.
Dieter Kassel: Er hat an der Australien National University in Canberra unter anderem asiatische Kunst studiert, spricht fließend Chinesisch und bezeichnet Dietrich Bonhoefer als eines seiner Vorbilder. Der neue australische Premierminister Kevin Rudd ist anders als sein Vorgänger. Deutlich wurde das schon am Montag, als er unmittelbar nach der Amtseinführung erst mal das Kyoto-Protokoll ratifizierte, und von so einem Mann erwartet in Australien auch die Kultur jetzt unbedingt neue Impulse.
Wie die aussehen könnten, darüber reden wir jetzt mit Andreas Stummer, Journalist in Sydney. Guten Tag, Herr Stummer.
Andreas Stummer: Guten Tag.
Kassel: Wie könnte sich denn die Kulturpolitik von Kevin Rudd konkret von der seines konservativen Vorgänger John Howard unterscheiden?
Andreas Stummer: Also, der größte Unterschied zu früher ist, dass Australien künftig überhaupt eine Kulturpolitik haben wird. Denn das war elfeinhalb Jahre unter den Konservativen einfach schlichtweg nicht der Fall. Die damalige Regierung hat die Künste nur widerwillig, wenn überhaupt gefördert und der ganze Kulturbetrieb war etwas, dass man nur verwaltet hat.
Ich kann mich nicht erinnern, Premier John Howard in den letzten zehn Jahren je bei einer Film oder bei einer Theaterpremiere gesehen zu haben oder dass er eine Ausstellung eröffnet, ein Kulturfestival besucht oder sich einfach auch nur ein Sinfoniekonzert anhört. Howard war immer nur beim Sport: beim Tennis in der ersten Reihe, beim Cricket, Meisterschaftspokale beim Rugby überreichen, das war seine Welt. Bei Olympia auf der Tribüne sitzen, wo Sportler waren, da war auch John Howard und meistens war auch noch mit auf dem Siegerfoto drauf.
Dementsprechend wurden aber auch die Fördergelder verteilt. Es gab einen großen Topf, und der Sport bekam davon Dreiviertel, die Kultur gerade mal ein mickriges Viertel. Und die Konservativen wussten einfach nicht, was sie mit den Künsten anfangen sollen. Sie haben geglaubt, Kultur in Australien, das ist etwas, das außerhalb der Gesellschaft passiert, etwas das veranstaltet wird, damit einige wenige elitäre Leute etwas haben, dass sie sich anschauen können.
Und die neue Labour-Regierung und der neue Premier Kevin Rudd sehen das völlig anderes. Sie sagen, die Kultur ist Teil einer gesunden Gesellschaft. Und je mehr Menschen an den Künsten teilhaben, desto mehr entwickelt sich auch diese Gesellschaft weiter, und dazu will Labour mit Kulturpolitik eben auch beitragen.
Kassel: Nun muss natürlich Rudd das nicht alleine machen, er hat ja auch schon seinen neuen Kulturminister, der gleichzeitig auch Umweltminister ist, ernannt. Und das ist ein Mann, den einige Leute in Deutschland sogar kennen, das ist Peter Garrett, er war lange Zeit Sänger der australischen Band Midnight Oil. Was ist von dem nun in dieser Doppelfunktion zu erwarten?
Andreas Stummer: Also erstens mal schon, dass er vom Fach ist. Bei den Konservativen war der Minister für die Künste immer so ein etwas unbedarfter Berufspolitiker, der nicht recht wusste, was er machen soll. Und viele sagen hier zu Peter Garrett, er sei so etwas wie der australische Herbert Grönemeyer, eben früherer Rockstar, Sänger, Frontmann Midnight Oil, 20 Jahre lang sehr populär auch in Deutschland gewesen.
Und das war immer eine sehr politische und sozialkritische Band und das soll Peter Garrett jetzt auch in den australischen Kulturbetrieb miteinbeziehen und einfach von Grund auf die Kultur umkrempeln. Er hat auch schon damit begonnen.
Heute hat er bekannt gegeben, dass Australien künftig zwei hochdotierte Literaturpreise vergeben wird. Einen für Fiktion, einen für Sachbuchautoren, jeweils dotiert mit 60.000 Euro. Er hat einfach gesagt, Australien hätte großartige Schriftsteller hervorgebracht über die Jahre, also bräuchte das Land auch einen entsprechenden Literaturpreis, und wie gesagt, ab sofort geht es, gesagt, getan.
Kassel: Was Australien auch hervorgebracht hat über die Jahre, das ist eine erstaunliche Anzahl von extrem erfolgreichen Filmschauspielern und Schauspielerinnen, die sind allerdings überwiegend in Hollywood oder in Europa erfolgreich. Gibt es überhaupt eine Filmförderung in Australien?
Andreas Stummer: Es gibt eine Filmförderung, die muss aber auch komplett umgemodelt werden. Sie haben es gerade erwähnt, wenn Sie einen Vorspann anschauen, von jedem besseren Hollywoodfilm, da stehen heute Russel Crowe, Eric Banner, Geoffrey Rush, Cate Blanchett, Naomi Watts, Nicole Kidman, Heath Ledger, Hugh Jackman und so weiter. Die Liste ist endlos lang, und all diese Schauspieler haben eben im Ausland Erfolg, arbeiten aber auch sehr, sehr gerne und immer wieder in Australien. Es gibt aber da einfach zu wenig Geld dafür. Es gibt zu wenig Projekte, und bisher gab es auch zu wenig Förderung.
In Zukunft soll alles anders werden und alles besser werden. Labour hat beschlossen, künftig bei jeder großen australischen Filmproduktion 40 Prozent der Budgetkosten schon im Voraus, als vor Drehbeginn als Steuerabschreibung zur Verfügung zu stellen, was eine enorme Hilfe für Produzenten wäre und Kulturminister Garrett sagt zurecht, Australien muss die eigenen Künstler einfach wieder mehr würdigen, um sie nicht ans Ausland zu verlieren, entweder nach Hollywood oder zum Beispiel wie Simone Young nach Deutschland, Australiens mit Abstand talentierteste Dirigentin.
Sie sollte vor Jahren schon das Sydney Symphony Orchestra hier übernehmen, hat aber irgendwann wegen zu wenig Förderung und einfach zu viel Heckmeck mit der damaligen Regierung, völlig frustriert das Handtuch geworfen: Heute dirigiert sie in Hamburg, und soweit soll es unter Labour künftig einfach nicht mehr kommen.
Kassel: Aber wenn Sie das erwähnt haben, man denkt natürlich bei Hochkultur in Australien, zumindest aus europäischer Sicht, immer gleich an das berühmte Opernhaus von Sydney, was natürlich, wenn man ehrlich ist, vor allen Dingen wegen der Architektur berühmt ist.
Wenn sie jetzt Simone Young erwähnen, die gegangen ist, andere, heißt das, dass unter Howard, also dem Vorgänger von Rudd, selbst diese, bei uns nennt man das ja Leuchttürme, selbst diese ganz klassische Hochkultur, nicht gefördert wurde?
Andreas Stummer: Die wurde schon gefördert, aber halt einfach, man nannte das ganze den Piecemeal Approach, das heißt, man hat einfach hier ein bisschen hingeworfen, da ein bisschen hingeworfen, es gab keine Einheit mehr oder weniger, und das symbolisiert eigentlich zum Beispiel eine Schauspielerin die jeder kennt, Oskargewinnerin Cate Blanchett. Sie hat einfach gesagt, ich würde liebend gerne in Sydney immer wieder Theater spielen. Ich kann das nicht, weil einfach das Theater nicht genügend gefördert wird.
Und dann hat sie gesagt, okay, wenn ihr nicht wollt, dann mache ich das selbst. Und jetzt an Weihnachten übernimmt sie hier in Sydney die Sydney Theater Company, das ist das größte Schauspielhaus Australiens und Blanchett wird nicht nur selbst dort inszenieren sondern auch Stücke auswählen, Gastregisseure nach Sydney holen, gerade eben erst war Oskar-Gewinner Philip Seymour Hoffman da und hat ein Stück inszeniert.
Und sie will so weit gehen, auch die Eintrittspreise zu reduzieren, damit einfach wieder mehr und auch jüngere Leute zurück ins Theater kommen. Sie war sehr clever, hat natürlich auch das nötige Profil, sie hat nicht auf die Wahl gewartet, um zu sehen, ob es in Zukunft vielleicht mehr Geld geben wird, sie hat sich höchstpersönlich um Sponsoren bemüht und natürlich wollte keiner Nein sagen zu einer Oskar-Gewinnerin.
Und jetzt werden die kommenden Spielzeiten der Sydney Theater Company von Audi gesponsert und von Modemacher Giorgio Armani. Blanchett trägt seit Jahren seine Kleider auf roten Premierenteppichen überall auf der Welt, und jetzt ist eben Zeit, sich dafür zu revanchieren.
Kassel: Herr Stummer, lassen Sie uns jetzt auch über die neue Bildungspolitik reden, denn dieses Zitat, das ich vorhin schon gebracht habe, bisher Schwarz-Weiß-Fernsehen, jetzt beginnt das digitale Zeitalter, das bezieht sich ja eigentlich stark auf die Veränderung in der Bildungspolitik. Was soll denn da jetzt alles passieren?
Andreas Stummer: Labours Hauptthema im Wahlkampf war eine Bildungsrevolution für Australien, und im Kleingedruckten heißt das wieder mehr Ausbildungsplätze für die traditionellen Handwerksberufe, das war ein Thema, in denen es wirklich an tausenden Lehrlingen mangelt. Es soll mehr Studienplätze an den Universitäten wieder geben und mehr Geld für Fachhochschulen. Aber das zentrale Thema von Premier Rudd war die digitale Bildungsrevolution, also im Klartext, jedes Schulkind muss Zugang zu einem Computer bekommen.
Das beginnt mit dem Unterricht, jede australische Schule, besonders die kleineren auf dem Land, im Outback, ganz weit draußen, in dünn besiedelten Gegenden, jede Schule soll mit Laptops und Computern ausgerüstet werden, und es soll auch mehr Lehrer geben, die damit auch umgehen können. Kein Schüler, der irgendwo im Land die neunte Klasse besucht, soll ohne Computer sein. Computer in jedes Klassenzimmer, und es gibt sogar Rückzahlungen der Regierung für Eltern, die ihren Kinder einen Computer für zu Hause kaufen.
Und daher kam eben dieses Zitat im Wahlkampf, dass die Presse nur noch von dem Computerpremier fürs 21. Jahrhundert gesprochen hat und von der alten Regierung als den Stadthaltern des Schwarz-Weiß-Fernsehens. Kevin Rudd wurde ausgelacht von den Konservativen, als er versprochen hat, schnelle Broadband-Internetverbindungen auch noch bis in den letzten Winkel Australiens zu bringen und hier gibt es sehr viele Winkel und die sind sehr weit voneinander entfernt.
So lange also, bis Umfragen also wirklich gezeigt habe, dass mehr als 90 Prozent der Wähler das als sehr, sehr wichtig eingestuft haben und das die Wirtschaft natürlich auch vor allen Dingen darüber begeistert war und da war es schon zu spät. Die Konservativen können sich jedenfalls Labours Bildungsrevolution gemütlich von den Oppositionsbänken aus anschauen, mindestens die nächsten drei Jahre.
Kassel: Es scheint sich unglaublich viel zu ändern unter dieser neuen Regierung und offenbar auch das Verhältnis zu den australischen Ureinwohnern, den Aborigines. Dazu hat ja Rudd direkt nach der Ratifizierung des Kyoto-Protokolls sozusagen als zweite Amtshandlung was gesagt, auch das ein kompletter Paradigmenwechsel?
Andreas Stummer: Eigentlich schon. Ich meine, es geht um ein Symbol, aber um dieses Symbol hat sich elfeinhalb Jahre lang die konservative Regierung Howard einfach nicht herabgelassen. Man sich immer berufen auf die Gnade der später Geburt. Man hat gesagt, die heutige Generation könne einfach nicht für das Unrecht verantwortlich gemacht werden, das frühere Generationen den australischen Ureinwohner zugefügt hätten.
Und Howard war nie ein Mann für symbolische Gesten und außerdem hat er einfach eine Prozesswelle befürchtet, er ist selber Anwalt und das hat er wirklich befürchtet, dass plötzlich Aborigines überall mehr oder weniger die Hand heben und sagen, mir ist das passiert, mir ist jenes widerfahren. Und man hat unzählige Schadensersatzklagen befürchtet.
Premier Kevin Rudd sieht das völlig anders, er sagt, ohne Aussöhnung mit der Vergangenheit kann es auch keine Zukunft geben und deshalb wird er sich vielleicht schon auf der aller ersten Sitzung des australischen Parlaments offiziell bei den Aborigines entschuldigen, dafür, dass die Ureinwohner vor mehr als 200 Jahren mittlerweile von den Weißen fast ausgerottet wurden, dafür, dass hunderttausende ihrer Kinder verschleppt wurden und umerzogen wurden.
Und vielleicht sogar dafür, dass sich selbst heute noch viele der etwas 500.000 australischen Ureinwohner in Zuständen wie in der Dritten Welt aufhalten müssen und so leben müssen. Aber im Gegensatz zur Geschichte, kann die Regierung Rudd jedenfalls daran etwas ändern.
Wie die aussehen könnten, darüber reden wir jetzt mit Andreas Stummer, Journalist in Sydney. Guten Tag, Herr Stummer.
Andreas Stummer: Guten Tag.
Kassel: Wie könnte sich denn die Kulturpolitik von Kevin Rudd konkret von der seines konservativen Vorgänger John Howard unterscheiden?
Andreas Stummer: Also, der größte Unterschied zu früher ist, dass Australien künftig überhaupt eine Kulturpolitik haben wird. Denn das war elfeinhalb Jahre unter den Konservativen einfach schlichtweg nicht der Fall. Die damalige Regierung hat die Künste nur widerwillig, wenn überhaupt gefördert und der ganze Kulturbetrieb war etwas, dass man nur verwaltet hat.
Ich kann mich nicht erinnern, Premier John Howard in den letzten zehn Jahren je bei einer Film oder bei einer Theaterpremiere gesehen zu haben oder dass er eine Ausstellung eröffnet, ein Kulturfestival besucht oder sich einfach auch nur ein Sinfoniekonzert anhört. Howard war immer nur beim Sport: beim Tennis in der ersten Reihe, beim Cricket, Meisterschaftspokale beim Rugby überreichen, das war seine Welt. Bei Olympia auf der Tribüne sitzen, wo Sportler waren, da war auch John Howard und meistens war auch noch mit auf dem Siegerfoto drauf.
Dementsprechend wurden aber auch die Fördergelder verteilt. Es gab einen großen Topf, und der Sport bekam davon Dreiviertel, die Kultur gerade mal ein mickriges Viertel. Und die Konservativen wussten einfach nicht, was sie mit den Künsten anfangen sollen. Sie haben geglaubt, Kultur in Australien, das ist etwas, das außerhalb der Gesellschaft passiert, etwas das veranstaltet wird, damit einige wenige elitäre Leute etwas haben, dass sie sich anschauen können.
Und die neue Labour-Regierung und der neue Premier Kevin Rudd sehen das völlig anderes. Sie sagen, die Kultur ist Teil einer gesunden Gesellschaft. Und je mehr Menschen an den Künsten teilhaben, desto mehr entwickelt sich auch diese Gesellschaft weiter, und dazu will Labour mit Kulturpolitik eben auch beitragen.
Kassel: Nun muss natürlich Rudd das nicht alleine machen, er hat ja auch schon seinen neuen Kulturminister, der gleichzeitig auch Umweltminister ist, ernannt. Und das ist ein Mann, den einige Leute in Deutschland sogar kennen, das ist Peter Garrett, er war lange Zeit Sänger der australischen Band Midnight Oil. Was ist von dem nun in dieser Doppelfunktion zu erwarten?
Andreas Stummer: Also erstens mal schon, dass er vom Fach ist. Bei den Konservativen war der Minister für die Künste immer so ein etwas unbedarfter Berufspolitiker, der nicht recht wusste, was er machen soll. Und viele sagen hier zu Peter Garrett, er sei so etwas wie der australische Herbert Grönemeyer, eben früherer Rockstar, Sänger, Frontmann Midnight Oil, 20 Jahre lang sehr populär auch in Deutschland gewesen.
Und das war immer eine sehr politische und sozialkritische Band und das soll Peter Garrett jetzt auch in den australischen Kulturbetrieb miteinbeziehen und einfach von Grund auf die Kultur umkrempeln. Er hat auch schon damit begonnen.
Heute hat er bekannt gegeben, dass Australien künftig zwei hochdotierte Literaturpreise vergeben wird. Einen für Fiktion, einen für Sachbuchautoren, jeweils dotiert mit 60.000 Euro. Er hat einfach gesagt, Australien hätte großartige Schriftsteller hervorgebracht über die Jahre, also bräuchte das Land auch einen entsprechenden Literaturpreis, und wie gesagt, ab sofort geht es, gesagt, getan.
Kassel: Was Australien auch hervorgebracht hat über die Jahre, das ist eine erstaunliche Anzahl von extrem erfolgreichen Filmschauspielern und Schauspielerinnen, die sind allerdings überwiegend in Hollywood oder in Europa erfolgreich. Gibt es überhaupt eine Filmförderung in Australien?
Andreas Stummer: Es gibt eine Filmförderung, die muss aber auch komplett umgemodelt werden. Sie haben es gerade erwähnt, wenn Sie einen Vorspann anschauen, von jedem besseren Hollywoodfilm, da stehen heute Russel Crowe, Eric Banner, Geoffrey Rush, Cate Blanchett, Naomi Watts, Nicole Kidman, Heath Ledger, Hugh Jackman und so weiter. Die Liste ist endlos lang, und all diese Schauspieler haben eben im Ausland Erfolg, arbeiten aber auch sehr, sehr gerne und immer wieder in Australien. Es gibt aber da einfach zu wenig Geld dafür. Es gibt zu wenig Projekte, und bisher gab es auch zu wenig Förderung.
In Zukunft soll alles anders werden und alles besser werden. Labour hat beschlossen, künftig bei jeder großen australischen Filmproduktion 40 Prozent der Budgetkosten schon im Voraus, als vor Drehbeginn als Steuerabschreibung zur Verfügung zu stellen, was eine enorme Hilfe für Produzenten wäre und Kulturminister Garrett sagt zurecht, Australien muss die eigenen Künstler einfach wieder mehr würdigen, um sie nicht ans Ausland zu verlieren, entweder nach Hollywood oder zum Beispiel wie Simone Young nach Deutschland, Australiens mit Abstand talentierteste Dirigentin.
Sie sollte vor Jahren schon das Sydney Symphony Orchestra hier übernehmen, hat aber irgendwann wegen zu wenig Förderung und einfach zu viel Heckmeck mit der damaligen Regierung, völlig frustriert das Handtuch geworfen: Heute dirigiert sie in Hamburg, und soweit soll es unter Labour künftig einfach nicht mehr kommen.
Kassel: Aber wenn Sie das erwähnt haben, man denkt natürlich bei Hochkultur in Australien, zumindest aus europäischer Sicht, immer gleich an das berühmte Opernhaus von Sydney, was natürlich, wenn man ehrlich ist, vor allen Dingen wegen der Architektur berühmt ist.
Wenn sie jetzt Simone Young erwähnen, die gegangen ist, andere, heißt das, dass unter Howard, also dem Vorgänger von Rudd, selbst diese, bei uns nennt man das ja Leuchttürme, selbst diese ganz klassische Hochkultur, nicht gefördert wurde?
Andreas Stummer: Die wurde schon gefördert, aber halt einfach, man nannte das ganze den Piecemeal Approach, das heißt, man hat einfach hier ein bisschen hingeworfen, da ein bisschen hingeworfen, es gab keine Einheit mehr oder weniger, und das symbolisiert eigentlich zum Beispiel eine Schauspielerin die jeder kennt, Oskargewinnerin Cate Blanchett. Sie hat einfach gesagt, ich würde liebend gerne in Sydney immer wieder Theater spielen. Ich kann das nicht, weil einfach das Theater nicht genügend gefördert wird.
Und dann hat sie gesagt, okay, wenn ihr nicht wollt, dann mache ich das selbst. Und jetzt an Weihnachten übernimmt sie hier in Sydney die Sydney Theater Company, das ist das größte Schauspielhaus Australiens und Blanchett wird nicht nur selbst dort inszenieren sondern auch Stücke auswählen, Gastregisseure nach Sydney holen, gerade eben erst war Oskar-Gewinner Philip Seymour Hoffman da und hat ein Stück inszeniert.
Und sie will so weit gehen, auch die Eintrittspreise zu reduzieren, damit einfach wieder mehr und auch jüngere Leute zurück ins Theater kommen. Sie war sehr clever, hat natürlich auch das nötige Profil, sie hat nicht auf die Wahl gewartet, um zu sehen, ob es in Zukunft vielleicht mehr Geld geben wird, sie hat sich höchstpersönlich um Sponsoren bemüht und natürlich wollte keiner Nein sagen zu einer Oskar-Gewinnerin.
Und jetzt werden die kommenden Spielzeiten der Sydney Theater Company von Audi gesponsert und von Modemacher Giorgio Armani. Blanchett trägt seit Jahren seine Kleider auf roten Premierenteppichen überall auf der Welt, und jetzt ist eben Zeit, sich dafür zu revanchieren.
Kassel: Herr Stummer, lassen Sie uns jetzt auch über die neue Bildungspolitik reden, denn dieses Zitat, das ich vorhin schon gebracht habe, bisher Schwarz-Weiß-Fernsehen, jetzt beginnt das digitale Zeitalter, das bezieht sich ja eigentlich stark auf die Veränderung in der Bildungspolitik. Was soll denn da jetzt alles passieren?
Andreas Stummer: Labours Hauptthema im Wahlkampf war eine Bildungsrevolution für Australien, und im Kleingedruckten heißt das wieder mehr Ausbildungsplätze für die traditionellen Handwerksberufe, das war ein Thema, in denen es wirklich an tausenden Lehrlingen mangelt. Es soll mehr Studienplätze an den Universitäten wieder geben und mehr Geld für Fachhochschulen. Aber das zentrale Thema von Premier Rudd war die digitale Bildungsrevolution, also im Klartext, jedes Schulkind muss Zugang zu einem Computer bekommen.
Das beginnt mit dem Unterricht, jede australische Schule, besonders die kleineren auf dem Land, im Outback, ganz weit draußen, in dünn besiedelten Gegenden, jede Schule soll mit Laptops und Computern ausgerüstet werden, und es soll auch mehr Lehrer geben, die damit auch umgehen können. Kein Schüler, der irgendwo im Land die neunte Klasse besucht, soll ohne Computer sein. Computer in jedes Klassenzimmer, und es gibt sogar Rückzahlungen der Regierung für Eltern, die ihren Kinder einen Computer für zu Hause kaufen.
Und daher kam eben dieses Zitat im Wahlkampf, dass die Presse nur noch von dem Computerpremier fürs 21. Jahrhundert gesprochen hat und von der alten Regierung als den Stadthaltern des Schwarz-Weiß-Fernsehens. Kevin Rudd wurde ausgelacht von den Konservativen, als er versprochen hat, schnelle Broadband-Internetverbindungen auch noch bis in den letzten Winkel Australiens zu bringen und hier gibt es sehr viele Winkel und die sind sehr weit voneinander entfernt.
So lange also, bis Umfragen also wirklich gezeigt habe, dass mehr als 90 Prozent der Wähler das als sehr, sehr wichtig eingestuft haben und das die Wirtschaft natürlich auch vor allen Dingen darüber begeistert war und da war es schon zu spät. Die Konservativen können sich jedenfalls Labours Bildungsrevolution gemütlich von den Oppositionsbänken aus anschauen, mindestens die nächsten drei Jahre.
Kassel: Es scheint sich unglaublich viel zu ändern unter dieser neuen Regierung und offenbar auch das Verhältnis zu den australischen Ureinwohnern, den Aborigines. Dazu hat ja Rudd direkt nach der Ratifizierung des Kyoto-Protokolls sozusagen als zweite Amtshandlung was gesagt, auch das ein kompletter Paradigmenwechsel?
Andreas Stummer: Eigentlich schon. Ich meine, es geht um ein Symbol, aber um dieses Symbol hat sich elfeinhalb Jahre lang die konservative Regierung Howard einfach nicht herabgelassen. Man sich immer berufen auf die Gnade der später Geburt. Man hat gesagt, die heutige Generation könne einfach nicht für das Unrecht verantwortlich gemacht werden, das frühere Generationen den australischen Ureinwohner zugefügt hätten.
Und Howard war nie ein Mann für symbolische Gesten und außerdem hat er einfach eine Prozesswelle befürchtet, er ist selber Anwalt und das hat er wirklich befürchtet, dass plötzlich Aborigines überall mehr oder weniger die Hand heben und sagen, mir ist das passiert, mir ist jenes widerfahren. Und man hat unzählige Schadensersatzklagen befürchtet.
Premier Kevin Rudd sieht das völlig anders, er sagt, ohne Aussöhnung mit der Vergangenheit kann es auch keine Zukunft geben und deshalb wird er sich vielleicht schon auf der aller ersten Sitzung des australischen Parlaments offiziell bei den Aborigines entschuldigen, dafür, dass die Ureinwohner vor mehr als 200 Jahren mittlerweile von den Weißen fast ausgerottet wurden, dafür, dass hunderttausende ihrer Kinder verschleppt wurden und umerzogen wurden.
Und vielleicht sogar dafür, dass sich selbst heute noch viele der etwas 500.000 australischen Ureinwohner in Zuständen wie in der Dritten Welt aufhalten müssen und so leben müssen. Aber im Gegensatz zur Geschichte, kann die Regierung Rudd jedenfalls daran etwas ändern.