Hotels mit Geschichte (22)

Das Haus, das "Hotel Ruanda" war

Blick über den Pool des Hotel des Mille Collines am 21.02.2015 im Stadtzentrum von Kigali in Ruanda. Das Hotel des Mille Collines nahm während des Genozids Flüchtlinge auf und wurde durch den Film "Hotel Ruanda" berühmt.
Das Hotel des Mille Collines – besser bekannt als "Hotel Ruanda", in dem während des Bürgerkriegs in Ruanda Flüchtlinge Zuflucht fanden. © picture alliance/dpa/Michael Kappeler
von Linda Staude · 14.08.2015
Im Hôtel des Mille Collines in Kigali fanden während des Völkermords in Ruanda 1994 mehr als 1000 Menschen Zuflucht und damit die Rettung vor dem sicheren Tod. Damals hieß es noch Hotel Ruanda - und wurde durch den gleichnamigen Hollywoodfilm endgültig berühmt.
Ein heißer Nachmittag in Kigali. Durch die gepflegten Gärten des Hôtel Mille Collines weht eine leichte Brise. Unter dem Palmdach der offenen Poolbar ist es angenehm kühl. An einem der Tische sitzt Unternehmer Robert Karimera mit ein paar Kollegen. Zwischen ihren bunten Drinks liegen Papiere, Smartphones, ein Laptop. Ein Meeting mit einem Geschäftspartner aus Uganda.
"Ich komme gerne her. Meistens geschäftlich. Aber auch auf ein Schwätzchen mit Freunden, zum Spaß haben."
Weiter oben auf der Terrasse des eleganten Restaurants genießt Kate den atemberaubenden Blick über die Stadt. Sie sucht nach dem richtigen Ort für ein Geschäftsessen.
"Eine große Gruppe von Amerikanern kommt hierher. Ich denke, auch wegen seiner Geschichte werden sie dieses Hotel mögen."
Ruanda wird auch das Land der tausend Hügel genannt. Daher hat das Mille Collines seinen Namen. Aber weltberühmt wurde es unter einem anderen: Hotel Ruanda.
"Die Leute, die Ruanda und Kigali kennen, tun das oft durch den Film Hotel Ruanda und durch das Mille Collines natürlich."
Sagt der ehemalige Generaldirektor Alain Rillof.
Der Film erzählt über das dunkelste Kapitel der ruandischen Geschichte. 1994 entladen sich die Jahrzehnte alten Spannungen zwischen den Volksgruppen der Hutu und der Tutsi in einem Massaker. Radikale Hutu-Milizen ziehen drei Monate lang mordend durch das ganze Land und richten ein unvorstellbares Blutbad an.
Der Völkermord fordert fast eine Million Todesopfer. Tutsis und gemäßigte Hutu werden regelrecht abgeschlachtet. In Kigali suchen verzweifelte Menschen Schutz im feinsten Hotel des Landes.

"Die Flüchtlinge waren überall. In den Zimmern, auf den Fluren, in der Cafeteria, einfach überall."
Fast 1.300 Flüchtlinge verstecken sich im Hotel Ruanda, wie es zu der Zeit noch genannt wird. Zozo war damals wie heute Page dort und hat sich selbst verstecken müssen.
"Die Leute haben das Wasser aus dem Swimmingpool getrunken. Aber das hier ist nicht der Pool, den man im Film gesehen hat. Der ist in Südafrika."
Seine Frau und seine beiden Kinder werden von Hutu-Milizen getötet, bevor sie das Hotel erreichen können. Aber die Menschen, die es bis dorthin schaffen, überleben, wie es im Film gezeigt wird – so viel ist Fakt.
Der Held des Films heißt Paul Rusesabagina. Eigentlich der Manager des benachbarten Hotel Diplomates, wurde er während des Völkermordes von der damaligen Eigentümerin beider Häuser, der belgischen Sabena zum Chef des Hotels Ruanda gemacht.
"Wenn ich diese Leute im Stich gelassen hätte und sie dann getötet worden wären, hätte ich mich nie wieder als freier Mann gefühlt. Ich hätte nicht mehr schlafen können, nicht mehr richtig essen oder trinken. Ich wäre zum Gefangenen meiner selbst geworden."
So Rusesabagina im Interview mit CNN. Aber die Geschichte des heldenhaften Retters ist mittlerweile heftig umstritten. 2014 ist das Buch „Im Hotel Ruanda" erschienen, das die – wie es im Untertitel heißt – „überraschende wahre Geschichte" von damals erzählt. Genauso mit einem Trailer beworben wie zehn Jahre zuvor der Film
"Ich war da. Ich habe Paul Rusesabagina gekannt, und er hat nichts getan, um unsere Leben zu retten. Stattdessen hat er von den Flüchtlingen profitiert."
Edouard Kayihura ist einer der beiden Autoren des Buchs. Danach mussten die Flüchtlinge für ihren Platz im Hotel teuer bezahlen, selbst für das Wasser aus dem Swimmingpool.
"Ich habe gesehen, wie er mit den Drahtziehern des Genozids zusammengesessen hat. Der Film hat ihn zum internationalen Helden gemacht und ihm einen Platz in der Geschichte verschafft, den er nicht verdient."
Paul Rusesabagina weist die Vorwürfe zurück – als Propaganda der ruandischen Regierung. Weil er den Präsidenten Paul Kagame für sein autoritäres Regime kritisiert. Nur zwei Jahre nach dem Genozid hat er Asyl in Belgien beantragt und ist seither nie mehr nach Ruanda zurückgekehrt – oder in das Mille Collines. Nach zwei gründlichen Renovierungen sind vom alten Hotel Ruanda nur noch die Grundmauern und der Pool übrig geblieben – und die Erinnerungen. Page Zozo:
"Es ist wie meine Familie seit ich 1986 hier angefangen habe. Das Hotel hat mich gerettet. Es ist meine zweite Familie."
"Hotels mit Geschichte" präsentieren wir in unserer Sommerreihe in "Studio 9". Hotels erzählen Geschichte und Geschichten, sind Erinnerungsorte und vermitteln Einblicke in den Alltag fremder Kulturen. Hotels regen nicht nur die Fantasie an, beispielsweise von Schriftstellern. Sie erzählen auch von großen Krisen, von Kriegen oder Konferenzen, in denen sich die Weltgeschichte spiegelte