Horror mit Link zu Himmel und Hölle

Von Tobias Wenzel |
In seinem neuen Thriller "Der Rabenmann" verbindet der Wahlkalifornier Dean Koontz einen Kriminalfall mit einer Geistergeschichte. Spannend inszeniert, gewinnt die Liebe über das Böse durch eine Zeitreise.
Ein großes Anwesen auf einer Anhöhe in Newport Beach im Süden Kaliforniens. Dean Koontz - schlank, dunkle, kurze Haare, Bluejeans, weißes, indisch geschnittenes Hemd - betritt seinen Garten und blickt hinunter auf den Pazifischen Ozean:

"Ich glaube nicht an Bigfoot oder fliegende Untertassen. Aber ich weiß, dass die Welt ein seltsamer und mysteriöser Ort ist. Und ich glaube, dass Hunde dafür etwas bessere Antennen haben als wir."

Dort, wo der 66-jährige Bestsellerautor nun steht, unter hohen peruanischen Pfefferbäumen, hatte seine Hündin Trixie bis zu deren Tod am liebsten mit ihrem Herrchen gespielt. Sie habe - wie auch andere Hunde - über unsere Sinne hinausgehende Fähigkeiten gehabt:

"Trixie hat einmal im Flur etwas für mich Unsichtbares verfolgt. Sie beachtete mich gar nicht, wedelte aber vor Freude mit dem Schwanz und sah währenddessen zu etwas hoch, dass ungefähr 1,80 Meter groß war. Ich werde nie erfahren, was das war. Aber dieses und andere Ereignisse lassen mich glauben: Hunde sehen einen zusätzlichen Teil der Welt, den wir nicht wahrnehmen können."

War das, was Trixie da sah, vielleicht ein Geist? Ein Geist spielt eine zentrale Rolle in "Der Rabenmann", dem neuen Thriller von Dean Koontz:

"An den meisten Geistergeschichten hatte mich gestört, dass die Figuren nur darauf reagieren, was mit ihnen passiert, aber nicht wirklich selbst eine aktive Rolle einnehmen."

Also schrieb Koontz eine Geschichte, in der die Hauptfiguren aktiv einen bösen Geist bekämpfen müssen. Und wie so oft in den Thrillern des Autors geht es auch im "Rabenmann" hochdramatisch und brutal zu. Ein 14-jähriger Junge tötet seine Familie nach dem bestialischen Vorbild eines Massenmörders. Wie kommt das Böse, das Grausame in die Bücher von Dean Koontz, dieses liebenswürdigen und ausgeglichenen Menschen? Liegt es vielleicht an seiner von Gewalt bestimmten Kindheit in Pennsylvania?

"Mein Vater war ein gewalttätiger Alkoholiker. Meine Mutter musste mit ihrer Armut allein klarkommen. Er zog mit anderen Frauen durch die Gegend. Wir bekamen um zwei Uhr nachts Anrufe, weil er betrunken, regungslos auf dem Fußboden einer Bar lag und wir ihn abholen sollten. Als er starb, habe ich nichts für ihn empfunden. Er ist für mich nie ein Vater gewesen."

Halt hat Dean Koontz vor allem bei seiner Frau Gerda gefunden. Sie arbeitete einst in einer Schuhfabrik, um ihrem anfangs recht erfolglosen Mann das Schreiben weiter zu ermöglichen. Und dann ist da noch die Religion:

"Ich bin gläubig, glaube also daran, dass auf dieses Leben hier ein anderes folgt. Nach der Quantenmechanik existieren zahlreiche Welten nebeneinander. Diese anderen Welten können wir nicht sehen, aber sie sind da, in anderen Dimensionen als unserer. Wenn man den Himmel als Parallelwelt begreift und auch die Hölle als eine, dann ist all das also sehr gut mit der Quantenmechanik zu vereinbaren."

Die Grenze zwischen Diesseits und Jenseits überschreitet Dean Koontz auch in vielen seiner Bücher. Da kann schon mal wie im Roman "Das Versteck" ein toter Mann ins Leben zurückkehren, allerdings mit einer schaurigen Fähigkeit - oder, wie im Thriller"Der Rabenmann", ein lebendiger Mensch gegen einen bösen Geist kämpfen.

Die meisten Leser scheinen es zu mögen. 10.000 Fanbriefe bekommt Dean Koontz pro Jahr, allerdings auch einige Morddrohungen. Deshalb bewachen den Autor bei jeder Signierstunde und bei jedem öffentlichen Vortrag vier bewaffnete ehemalige Polizisten von der Mordkommission:

"Die meisten Hassbriefe kommen von Atheisten. Nun missioniere ich ja nicht mit meinen Büchern, verkünde keine Botschaft. Aber meine Bücher werfen die Frage nach dem ewigen Leben auf. Was ist Ewigkeit? Wie ist die Welt jenseits der Zeit beschaffen? Darüber möchten einige lieber nicht nachdenken. Und so werden sie wütend. Ich werde nicht so leicht wütend. Was wiederum meine Frau wütend macht, denn sie hat sizilianisches Blut und meint, wenn mir Unrecht widerfährt, sollte auch ich wütend sein. Aber das Leben ist doch zu kurz, um sich andauernd zu ärgern."

Jährlich 17 Millionen Bücher verkauft Dean Koontz. Nicht selten wiederholt er für das Verständnis wichtige, aber bereits gesagte Sätze, damit auch noch der unaufmerksamste Leser bei der Stange bleibt. Das gilt auch für den "Rabenmann". Hier muss man außerdem sehr kitschresistent sein, um den groß inszenierten, durch eine Zeitreise ermöglichten Sieg der Liebe über das Böse schätzen zu können.

Entschädigt wird man jedoch durch meisterhaft inszenierte Spannung: Kaum einer spielt in seinen Thrillern so gekonnt mit unseren Urängsten wie der Wahlkalifornier. Zum Beispiel wenn er im "Rabenmann" etwas Unsichtbares im Rücken eines Mädchens vorbeihuschen lässt. Bleibt die Frage, wen Dean Koontz mehr fürchtet: die Toten bzw. Untoten oder die Lebenden?

"Schlagen wir einfach eine Zeitung auf! Die Lebenden darin machen einem doch richtig Angst! Einmal hat mich jemand gefragt, was ich am meisten fürchte. Und ich habe geantwortet: 'Die Abendnachrichten'. Das ist noch immer so."

Dean Koontz: Der Rabenmann. Thriller.
Aus dem Amerikanischen von Bernhard Kleinschmidt.
Heyne Verlag, 460 Seiten, 19,99 Euro