Hoppe erwartet Änderungen an der Gesundheitsreform
Der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, hat seine Kritik an der geplanten Gesundheitsreform erneuert und vor einer Verschlechterung der Versorgung gewarnt. Er hoffe, dass im Laufe des Gesetzgebungsverfahren noch Änderungen möglich seien, sagte Hoppe.
Birgit Kolkmann: Herr Hoppe, glauben Sie wirklich noch Änderungen durchsetzen zu können?
Jörg-Dietrich Hoppe: Nicht mehr im Kabinett, aber nachher im Verfahren bei der Gesetzgebung kann ich mir das vorstellen, wenn die Abgeordneten mal voll durchschaut haben werden, dass es sich hier doch um ein erhebliches Rationierungsgesetz handelt mit vielen Nachteilen für die Patienten und Demotivation der Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten und mit der Folge der Abschmelzung unserer Versorgungseinrichtungen, Praxissterben, Krankenhaussterben und dergleichen mehr werden die Folgen sein, und das wird eine Verschlechterung der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland bedeuten, die meines Erachtens vom Gesetzgeber so nicht verabschiedet werden darf.
Kolkmann: Diese Bedenken äußern Sie ja nicht zum ersten Mal. Wie wollen Sie denn ganz konkret die Abgeordneten in die Ärztezange nehmen?
Hoppe: Also heute haben wir zunächst einmal Zuspruch von allen Fraktionen des Deutschen Bundestages. Hochkarätige Politiker sind zugegen, um sich unsere Argumente nochmal anzuhören, und wir werden sie ausbreiten, nicht nur alleine als Ärzte, sondern auch Krankenkassenvertreter werden da sein, eine Vertreterin der anderen Gesundheitsberufe, ein Patientenvertreter, und alle werden die Argumente ausbreiten und hoffentlich für die Unruhe sorgen unter den Abgeordneten und ihnen nochmal kräftig ins Gewissen reden, damit sie sich überlegen, ob das so bleiben kann oder ob man nicht unseren Vorschlag annehmen soll, das Ganze nochmal von vorne zu beginnen und dabei diejenigen, die im Gesundheitswesen arbeiten und die Patientenvertreter mit einbezieht in die Überlegungen, um eine gute Reform hervorzubringen und nicht eine solche, die sich von vorneherein auf den Sachverstand der Betroffenen und der Beteiligten nicht stützen wollte, sondern ihn ausgesperrt hat, das ist wahrscheinlich der Kardinalfehler, der da passiert ist.
Kolkmann: Angela Merkel habe ich eben schon zitiert. Sie sagte, viele positive Effekte seien noch gar nicht absehbar, zum Beispiel wurde ja die Budgetierung aufgehoben, und das war ja eigentlich auch ein Wunsch der Ärzteschaft. Warum sind Sie denn nun trotzdem dagegen?
Hoppe: Die Budgetierung wird vom Namen her aufgehoben, aber nicht vom Inhalt. Wenn man sich anschaut, dass im Gesetz steht, eine kostenneutrale Umwandlung der Budgets in eine Euro- und Centvergütung soll stattfinden, da sind neue Instrumente eingeführt worden, die nennen sich jetzt Mengensteuerung und Abstaffelung, mit denen festgelegt werden soll, dass die Gesamtgeldmasse nicht ausgeweitet wird, sondern dass das Geld ausreichen muss. Eine Mengensteuerung bedeutet, dass zum Beispiel eine Arztpraxis ein Kontingent an Untersuchungsmöglichkeiten hat. Wenn das erschöpft würde, dann kommt die Abstaffelung, die weitergehende Untersuchungen oder Behandlungsmaßnahmen schlechter bezahlt als die, die im Kontingent vorhanden sind, und das bedeutet, dass die Ärzte natürlich verhindern werden, dass sie mehr als das Kontingent im Quartal erbringen, und deswegen ist der Effekt, den wir heute beobachten, dass das Budget erschöpft ist, und deswegen Ärzte Budgetferien machen, demnächst fortgesetzt dadurch, dass die Menge erschöpft ist, das Kontingent erschöpft ist, und dann machen sie halt Mengenferien. Also insofern verbessert sich für die gesetzlich Krankenversicherten überhaupt nichts. Die privat Krankenversicherten dagegen werden dieses Unbill nicht erleiden müssen, weil sie ja keine Budgets und keine Mengenbegrenzung kennen.
Kolkmann: Nun wird doch immer wieder der Verdacht geäußert, dass die Ärzte da vor allen Dingen pro domo und vor allem ihre Besitzstände wahren wollen, und dass nicht so sehr das Wohl der Patienten, der reibungslose Ablauf ihr Interesse ist.
Hoppe: Ja, das wird dann immer uns vorgeworfen, wenn die Argumente so gut sind, dass man dagegen keine bessere ins Feld führen kann, und dann wird dann diese Neiddebatte hochgezogen, abgesehen davon, dass die Besitzstände, die bei den Ärzten heute vorhanden sind, wahrlich nicht mehr verteidigenswert sind, wenn man sich überlegt, dass mehr als 30 Prozent der notwendigen, im wahrsten Sinne des Wortes notwendigen Leistungen bei der Patientenbetreuung nicht bezahlt werden, und da ist ja praktisch schon eine Form von Rationierung im Gange, die noch verschärft werden soll, und das ist genau der Punkt, der uns in Harnisch bringt und zu diesem außerordentlichen Ärztetag hier nach Berlin geführt hat.
Kolkmann: Was planen Sie für den heißen Herbst an Demonstrationen, an Praxisschließungen, was kommt auf die Patienten zu?
Hoppe: Also wir werden deklarieren, ich glaube nicht, dass so sehr viele Großdemonstrationen stattfinden, damit haben wir die Öffentlichkeit mittlerweile erreicht und das Bewusstsein geschärft, dass wir jetzt aber Druckmittel benutzen müssen, und dazu gehören Praxisschließungen, um klar zu machen, dass hier das Konto überzogen wird und der Bogen überspannt wird und dass wir in der Zukunft mit den Methoden, mit denen wir in der Vergangenheit noch das System aufrechterhalten haben, in der Zukunft nicht weitermachen können. Uns laufen ja die Leute weg. Die Kolleginnen und Kollegen, gerade wenn sie jung sind, begeben sich gar nicht mehr ins System und machen andere Berufe, anstatt Patientenversorgung, Managing, Qualitätssicherung und alles Mögliche. Andere gehen ins Ausland, weil sie hier in Deutschland unzufrieden sind. Also das müssen wir deklarieren, und das geht am besten mit Maßnahmen, den Ausdruck Streik mag ich nicht in den Mund nehmen, weil er hier nicht passt, aber adäquate demonstrative Maßnahmen werden auf jeden Fall im Herbst schnell aufeinander folgen.
Kolkmann: Das heißt, Praxen sollen schließen, drei Tage lang gleich in einer Woche, das so regional verteilt. Könnte es da an manchen Stellen durchaus mal zu Engpässen kommen?
Hoppe: Also Unterversorgung werden wir nicht zulassen. Wir werden niemand, der in Not gerät, auch nur anflugsweise im Regen stehen lassen, das wird nicht passieren, das ist ja auch bei den Kampfmaßnahmen der Vergangenheit nie der Fall gewesen, niemand ist zu Schaden gekommen, und das wird auch in Zukunft nicht der Fall sein. Aber planbare Eingriffe, planbare Prozeduren, die können dabei durchaus verschoben werden, das ist auch ethisch vertretbar, das wissen wir.
Kolkmann: Vielen Dank, das war Jörg-Dietrich Hoppe, der Präsident der Bundesärztekammer, zum heutigen außerordentlichen Ärztetag in Berlin zum Thema Gesundheitsreform.
Jörg-Dietrich Hoppe: Nicht mehr im Kabinett, aber nachher im Verfahren bei der Gesetzgebung kann ich mir das vorstellen, wenn die Abgeordneten mal voll durchschaut haben werden, dass es sich hier doch um ein erhebliches Rationierungsgesetz handelt mit vielen Nachteilen für die Patienten und Demotivation der Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten und mit der Folge der Abschmelzung unserer Versorgungseinrichtungen, Praxissterben, Krankenhaussterben und dergleichen mehr werden die Folgen sein, und das wird eine Verschlechterung der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland bedeuten, die meines Erachtens vom Gesetzgeber so nicht verabschiedet werden darf.
Kolkmann: Diese Bedenken äußern Sie ja nicht zum ersten Mal. Wie wollen Sie denn ganz konkret die Abgeordneten in die Ärztezange nehmen?
Hoppe: Also heute haben wir zunächst einmal Zuspruch von allen Fraktionen des Deutschen Bundestages. Hochkarätige Politiker sind zugegen, um sich unsere Argumente nochmal anzuhören, und wir werden sie ausbreiten, nicht nur alleine als Ärzte, sondern auch Krankenkassenvertreter werden da sein, eine Vertreterin der anderen Gesundheitsberufe, ein Patientenvertreter, und alle werden die Argumente ausbreiten und hoffentlich für die Unruhe sorgen unter den Abgeordneten und ihnen nochmal kräftig ins Gewissen reden, damit sie sich überlegen, ob das so bleiben kann oder ob man nicht unseren Vorschlag annehmen soll, das Ganze nochmal von vorne zu beginnen und dabei diejenigen, die im Gesundheitswesen arbeiten und die Patientenvertreter mit einbezieht in die Überlegungen, um eine gute Reform hervorzubringen und nicht eine solche, die sich von vorneherein auf den Sachverstand der Betroffenen und der Beteiligten nicht stützen wollte, sondern ihn ausgesperrt hat, das ist wahrscheinlich der Kardinalfehler, der da passiert ist.
Kolkmann: Angela Merkel habe ich eben schon zitiert. Sie sagte, viele positive Effekte seien noch gar nicht absehbar, zum Beispiel wurde ja die Budgetierung aufgehoben, und das war ja eigentlich auch ein Wunsch der Ärzteschaft. Warum sind Sie denn nun trotzdem dagegen?
Hoppe: Die Budgetierung wird vom Namen her aufgehoben, aber nicht vom Inhalt. Wenn man sich anschaut, dass im Gesetz steht, eine kostenneutrale Umwandlung der Budgets in eine Euro- und Centvergütung soll stattfinden, da sind neue Instrumente eingeführt worden, die nennen sich jetzt Mengensteuerung und Abstaffelung, mit denen festgelegt werden soll, dass die Gesamtgeldmasse nicht ausgeweitet wird, sondern dass das Geld ausreichen muss. Eine Mengensteuerung bedeutet, dass zum Beispiel eine Arztpraxis ein Kontingent an Untersuchungsmöglichkeiten hat. Wenn das erschöpft würde, dann kommt die Abstaffelung, die weitergehende Untersuchungen oder Behandlungsmaßnahmen schlechter bezahlt als die, die im Kontingent vorhanden sind, und das bedeutet, dass die Ärzte natürlich verhindern werden, dass sie mehr als das Kontingent im Quartal erbringen, und deswegen ist der Effekt, den wir heute beobachten, dass das Budget erschöpft ist, und deswegen Ärzte Budgetferien machen, demnächst fortgesetzt dadurch, dass die Menge erschöpft ist, das Kontingent erschöpft ist, und dann machen sie halt Mengenferien. Also insofern verbessert sich für die gesetzlich Krankenversicherten überhaupt nichts. Die privat Krankenversicherten dagegen werden dieses Unbill nicht erleiden müssen, weil sie ja keine Budgets und keine Mengenbegrenzung kennen.
Kolkmann: Nun wird doch immer wieder der Verdacht geäußert, dass die Ärzte da vor allen Dingen pro domo und vor allem ihre Besitzstände wahren wollen, und dass nicht so sehr das Wohl der Patienten, der reibungslose Ablauf ihr Interesse ist.
Hoppe: Ja, das wird dann immer uns vorgeworfen, wenn die Argumente so gut sind, dass man dagegen keine bessere ins Feld führen kann, und dann wird dann diese Neiddebatte hochgezogen, abgesehen davon, dass die Besitzstände, die bei den Ärzten heute vorhanden sind, wahrlich nicht mehr verteidigenswert sind, wenn man sich überlegt, dass mehr als 30 Prozent der notwendigen, im wahrsten Sinne des Wortes notwendigen Leistungen bei der Patientenbetreuung nicht bezahlt werden, und da ist ja praktisch schon eine Form von Rationierung im Gange, die noch verschärft werden soll, und das ist genau der Punkt, der uns in Harnisch bringt und zu diesem außerordentlichen Ärztetag hier nach Berlin geführt hat.
Kolkmann: Was planen Sie für den heißen Herbst an Demonstrationen, an Praxisschließungen, was kommt auf die Patienten zu?
Hoppe: Also wir werden deklarieren, ich glaube nicht, dass so sehr viele Großdemonstrationen stattfinden, damit haben wir die Öffentlichkeit mittlerweile erreicht und das Bewusstsein geschärft, dass wir jetzt aber Druckmittel benutzen müssen, und dazu gehören Praxisschließungen, um klar zu machen, dass hier das Konto überzogen wird und der Bogen überspannt wird und dass wir in der Zukunft mit den Methoden, mit denen wir in der Vergangenheit noch das System aufrechterhalten haben, in der Zukunft nicht weitermachen können. Uns laufen ja die Leute weg. Die Kolleginnen und Kollegen, gerade wenn sie jung sind, begeben sich gar nicht mehr ins System und machen andere Berufe, anstatt Patientenversorgung, Managing, Qualitätssicherung und alles Mögliche. Andere gehen ins Ausland, weil sie hier in Deutschland unzufrieden sind. Also das müssen wir deklarieren, und das geht am besten mit Maßnahmen, den Ausdruck Streik mag ich nicht in den Mund nehmen, weil er hier nicht passt, aber adäquate demonstrative Maßnahmen werden auf jeden Fall im Herbst schnell aufeinander folgen.
Kolkmann: Das heißt, Praxen sollen schließen, drei Tage lang gleich in einer Woche, das so regional verteilt. Könnte es da an manchen Stellen durchaus mal zu Engpässen kommen?
Hoppe: Also Unterversorgung werden wir nicht zulassen. Wir werden niemand, der in Not gerät, auch nur anflugsweise im Regen stehen lassen, das wird nicht passieren, das ist ja auch bei den Kampfmaßnahmen der Vergangenheit nie der Fall gewesen, niemand ist zu Schaden gekommen, und das wird auch in Zukunft nicht der Fall sein. Aber planbare Eingriffe, planbare Prozeduren, die können dabei durchaus verschoben werden, das ist auch ethisch vertretbar, das wissen wir.
Kolkmann: Vielen Dank, das war Jörg-Dietrich Hoppe, der Präsident der Bundesärztekammer, zum heutigen außerordentlichen Ärztetag in Berlin zum Thema Gesundheitsreform.