Hopfen mit neuen Aromen

Wenn Bier nach Maracuja oder Mandarine duftet

Maß Bier in Bayern
Ein Maßkrug Bier in einem Biergarten bei Stegen am Ammersee (Bayern) im Sonnenschein. © picture alliance / dpa / Foto: Karl-Josef Hildenbrand
Von Georg Gruber · 16.02.2016
Das Reinheitsgebot für Bier feiert 500-jähriges Jubiläum. Immer wieder steht es in der Kritik, es beschränke den heimischen Brauer bei der geschmacklichen Gestaltung. Allerdings: Bier kann trotz Reinheitsgebot besondere Noten bekommen. Das Geheimnis sind spezielle Hopfenzüchtungen.
Zum Hopfenforschungszentrum in Hüll kommt man auf einer schmale Landstraße, es liegt in Niederbayern, rund 60 km von München entfernt. Mitten im Hopfenanbaugebiet umgeben von Hopfenfeldern, mit den markanten langen Stangen. Seit 90 Jahren wird hier schon geforscht, über Pflanzenschutz, Produktionstechniken und neue Sorten. Anton Lutz, Hopfenexperte und Züchter zeigt auf Saatschalen, die vor einem Gewächshaus stehen.
"Das sind also die Sämlinge der nächsten Generation, letzten Sommer haben wir uns einen Kreuzungsplan überlegt, die Kreuzungen durchgeführt, im Herbst dann die Samen geerntet und ausgesät. Und die haben mittlerweile ausreichend Frost erhalten und ab nächster Woche beginnen wir also die langsam warm zu stellen und dann werden sie mit den ersten Krankheiten infiziert und dann selektiert."
Von über 100.000 Sämlingen schaffen es letztlich nur rund 4.000 ins Freiland, nach drei Jahren wird noch einmal ein Schnitt gemacht und mit 30 Zuchtstämmen weitergearbeitet. Die Basis jeder neuen Sorte ist: Resistenz gegen Krankheiten.
Ohne Hopfen kein Bier, so ist das seit Jahrhunderten. Die schnellwüchsige Pflanze aus der Familie der Hanfgewächse gibt dem Bier das Bittere und hat Inhaltstoffe, die gegen Bakterien und Pilze wirken und so das Bier haltbar machen.
"Und das dritte was jetzt zunehmend wichtiger wird: Hopfen hat um die 400 verschiedene Ölkomponenten und die geben dem Bier das feine Aroma und den guten Geschmack."
Die Szene der Craftbrauer wächst
Bis vor kurzem sollte Hopfen nur nach Hopfen schmecken und nicht nach exotischen Früchten wie Grapefruit, Maracuja oder Mango. Geändert hat sich das durch den Boom der kleinen Brauereien in den USA, durch die Craftbrauer. Auch in Deutschland wächst die Szene, selbst wenn der Marktanteil insgesamt noch gering ist.
"Craftbiere machen zwei Prozent vom Weltbier aus, verbrauchen aber über 20 Prozent vom Welthopfen und haben zum Beispiel in Amerika zu einem kompletten Wandel geführt in den angebauten Sorten. Jetzt produzieren die auf etwa 60 Prozent der Fläche diese Spezialsorten, die von den Craftbrewern gesucht werden, die werden sehr hochpreisig gehandelt, und von daher haben die amerikanischen Hopfenpflanzer momentan sehr rosige Zeiten, und wir versuchen eben ja die deutschen Hopfenpflanzer an dem Markt teilhaben zu lassen."
In Deutschland wird immerhin ein Drittel der Welthopfenproduktion angebaut, Bayern ist Weltmarktführer. Die neuen Sorten entstehen aus der Kreuzung aromatischer und widerstandsfähiger Hopfensorten. Im ersten Stock einer Lagerhalle auf dem Gelände liegen rund 100 blaue Säcke, mit getrockneten Hopfendolden. Anton Lutz öffnet einen der Säcke, nimmt eine Dolde heraus, zerreibt sie mit den Fingerspitzen:
"Das ist ein Zuchtstamm, der produziert fast nur Aromasubstanzen, die gemüseartig riechen, also sehr sellerieartig, gemüseartig, und riecht also in etwa wie Maggie-Suppenwürze"
Lutz holt eine Dolde aus einem weiteren Sack:
"Das ist jetzt schon deutlich fruchtiger, starke Zitrusnoten, aber auch ein bisschen Ananas, Pfirsich, durch das Verreiben platzen die Lupulindrüsen und die ätherischen Öle werden freigesetzt."
Im Labor der Forschungseinrichtung werden die Inhaltsstoffe analysiert, erklärt Klaus Kammhuber:
"Es gibt bestimmte Leitkomponenten, die Ester zum Beispiel ist fruchtig, Terpenalkohole blumig, aber ein Aroma ist halt relativ komplex, das ist ein Zusammenwirken von sehr vielen verschiedenen Stoffen. Der schritt von der Analytik zur Sensorik, der ist kompliziert, aber Sensorik ist auch immer subjektiv, ein jeder riecht ein bisschen anders."
Die Muster werden durchgeschnüffelt
Die Züchter in Hüll arbeiten eng mit der Brauwirtschaft zusammen. Nach der Ernte kommen Brauer aus der ganzen Welt:
"Die erzählen mir dann, was sie sich in etwa vorstellen, an Hopfenzuchtmaterial, das sie testen wollen und dann gehen wir durch, schnüffeln die einzeln Muster durch und soweit genügend vorrätig ist, bekommen die dann Hopfen mit und machen Bier damit nach ihren Vorstellungen und berichten uns dann wieder die Sudversuchsergebnisse."
Wichtig für die Arbeit der Hopfenexperten in Hüll ist, dass sie die externen Brauversuche auch selbst probieren können, um zu erfahren, wie die neuen Sorten schmecken. In diesem Jahr werden in Hüll zwei neu gezüchtete Hopfensorten vorgestellt, mit besonderen Fruchtnoten:
"Die sind also so neu, dass sie bisher nur Zuchtstammnummer haben, man ist momentan gerade in der Namensfindungsphase, die erweiterten das Aromasegment Richtung mehr exotische Früchte Maracuja-Pfirsich, der eine zum Beispiel, und der andere geht mehr Citrus, Grapefruit schwarze Johannisbeere Cassis."
Anton Lutz öffnet eine einfache braune Glasflasche, schenkt sich und dem Reporter ein:

- "Schenk ich Ihnen auch mal was ein. Wenn Sie jetzt die Farbe anschauen, ganz helle Malze verwendet, nur Pilsmalz."
-"Riecht auch viel süßer."
- "Die Zielrichtung wäre ein traditionelles Lagerbier zu produzieren, das leichte Fruchtanklänge hat, ein leichtes Bier mit sehr guter Trinkability zu produzieren, das denke ich ist recht gut gelungen."
- "Sozusagen fruchtig und man will mehr."
- "Ja genau, von dem lebt eigentlich der Brauer, man will mehr."
Die Brauer können sich also freuen über diese neue geschmackliche Vielfalt - und die Verfechter des Reinheitsgebotes auch, denn so kann es weiter dabei bleiben, dass Bier nur aus Wasser, Malz, Hefe und Hopfen besteht.
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