Honnefelder: Finanzkrise auf Buchmarkt nicht spürbar

Gottfried Honnefelder im Gespräch mit Britta Bürger · 12.03.2009
Die Bereiche Belletristik und Sachbuch seien sehr gewachsen, zieht Gottfried Honnefelder anlässlich der Eröffnung der Leipziger Buchmesse eine positive Bilanz. In Krisenzeiten würde das Konsumgut Buch mehr benötigt als in anderen Zeiten, erklärt der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels den Trend.
Bürger: Zeitgleich beginnen in diesem Jahr zwei literarische Großereignisse, die Leipziger Buchmesse und die LitCologne. Es bedarf also einer besonderen Logistik von Autoren, Lektoren und Verlegern, von Literaturkritikern und Buchhändlern, Leipzig und Köln unter einen Hut zu bringen. Denn gerade in Zeiten der Finanzkrise ist das Vermarkten von Büchern das A und O, und dazu gehört nun mal auch der Kontakt mit dem Publikum, den beide Veranstaltungen gern hervorheben. In Leipzig begrüße ich Gottfried Honnefelder, den Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Schönen guten Morgen, Herr Honnefelder!

Gottfried Honnefelder: Frau Bürger guten Morgen!

Bürger: Viele Autorinnen und Autoren werden in diesem Jahr für ihre Lesungen hin- und herhetzen müssen, von Köln nach Leipzig, von Leipzig nach Köln. Gilt das auch für Sie selbst?

Honnefelder: Nein, ich bin hier in Leipzig. Im Übrigen ist doch zwischen der LitCologne in Köln und der Leipziger Buchmesse ein Unterschied zu machen. Wenn Sie bedenken, dass hier in Leipzig auf, ich glaube, es sind über eineinhalbtausend Veranstaltungen, über tausend Autoren vorgestellt werden, dann ist das noch mal eine andere Dimension als das, was Köln in Veranstaltungen liefert. Die Zielrichtungen der beiden Dinge gehen also ziemlich auseinander.

Bürger: Wobei in Köln doch auch die Autoren im Mittelpunkt stehen.

Honnefelder: Ja, aber es sind ja nicht eineinhalbtausend Veranstaltungen, sondern ganz gezielte, die auch angeboten und vermarktet werden. Ich würde meinen, das sind zwei Veranstaltungen, die nur schwer vergleichbar sind.

Bürger: Kleine Konkurrenz.

Honnefelder: Ja.

Bürger: Konkurrenz herrscht aber auf dem Buchmarkt, zumal Verlage und Buchhändler ja auch Auswirkungen der Finanzkrise fürchten. Was ist davon bereits auf der Leipziger Buchmesse zu spüren? Sie vertreten die deutschen Verleger und Buchhändler. Wie wirken sich Finanz- und Wirtschaftskrise auf der Messe aus?

Honnefelder: Im Augenblick noch gar nicht. Es ist merkwürdig, dass wir das vergangene Jahr abgeschlossen haben mit einem Wachstum von einem Prozent, und dass auch in den ersten beiden Monaten dieses Jahres bereits 1,7 Prozent Wachstum da sind. Die Buchhändler spüren im Augenblick noch nichts von dieser Finanzkrise. Natürlich hat jeder das im Kopf und wird sich denken, ja, wann kommt es denn, und wenn, wie kommt es, aber es herrscht große Zuversicht. Ich erkläre mir dies so, dass Bücher doch ein Konsumgut eigener Art ist gegenüber allen anderen und dass in Krisenzeiten dieses Konsumgut vielleicht sogar mehr benötigt wird als in anderen Zeiten, weil ein Buch oft die richtigen Fragen stellt und die richtigen Antworten gibt und der richtige Partner ist für jemanden, der sich so seine Gedanken über Gott und die Welt macht.

Bürger: Buch und Buch ist nicht gleich Buch. Welches Segment ist denn gewachsen?

Honnefelder: Im vergangenen Jahr ist die Belletristik sehr gewachsen, aber auch das Sachbuch, zurückgegangen ist der wissenschaftliche Bereich etwas, darin könnte man, wenn man will, die starke Konkurrenz sehen, die natürlich hier auf dem digitalen Sektor ist, denn vieles, was in der Wissenschaft betrieben wird, können Sie sich ja heute schon digital kommen lassen.

Bürger: Es war aber auch zu lesen, dass einige Verlage diesmal nicht in Leipzig präsent sind, zum Beispiel Joachim Unselds Frankfurter Verlagsanstalt, aber auch die Stände der großen Zeitungen fehlen, "FAZ" und "Spiegel", die "Süddeutsche Zeitung" soll deutlich kleiner dort jetzt vertreten sein. Da ist doch also schon etwas zu spüren?

Honnefelder: Wie das bei der Messe ist, vermag ich nicht zu sagen, ich kann nur sagen, dieses Immer größer-immer weiter-immer schneller halte ich für absolut überflüssig. Leipzig brilliert ja nicht mit diesen Zahlen, mit den Mengen. Messeleute tun das zwar, aber Leipzig brilliert mit diesem Blick auf Inhalte, mit den einzelnen Veranstaltungen. Ich kenne keinen Ort auf der Welt, wo in wenigen Tagen eben eineinhalbtausend Veranstaltungen sind, in deren Mittelpunkt jeweils ein Buch steht. Das ist vollkommen exzeptionell. Da ist schon ein besonderer Geist und ein besonderes Interesse der Menschen da, sich den Inhalten von Büchern zu widmen.

Bürger: Das ist die eine Seite, die andere Seite ist natürlich das Geschäft. In der Sparte Reiseliteratur soll es auch erhebliche Einbrüche gegeben haben, einfach weil die Leute weniger Reisen planen.

Honnefelder: Nein, ich glaube, das liegt nicht nur am Reiseplanen, sondern das liegt daran, dass Reiseinformationen ja ständig aktualisiert werden müssen, und deshalb sind sie von Hause aus eigentlich dafür geeignet, digital gespeichert zu werden, wo man sie pausenlos aktualisieren kann. Schon vor vielen Jahren sind die Reiseführer, die wir noch kennen, sozusagen konkurrenziert worden durch ihre eigene digitale Form, denn da kann man mit ihnen besser umgehen als mit einem Buch. Das ist also eine Entwicklung, die nicht in den Bereich unserer Finanzkrise gehört.

Bürger: Das klingt jetzt so, als würden die Verlage erst mal abwarten, ob die Wirtschaftskrise auch auf dem Buchmarkt ankommt. Bereitet sie sich möglicherweise doch schon vor? Wo wird reduziert, was wird ausgebaut?

Honnefelder: Ich glaube, reduziert oder ausgebaut wird weniger, aber ich glaube, man ist dabei und versucht, sich in der Qualität der Inhalte einen besseren Wettbewerbsvorteil zu sichern. Denn wenn eine Krise kommt, dann wird der Wettbewerb ein Wettbewerb der Inhalte und der Inszenierungen sein. Mit Inszenierungen meine ich alles das, was über Marketing und Öffentlichkeitsarbeit getragen wird, wie man die Bücher sozusagen nach außen hin zeigt. Und da sind Verlage und Buchhändler stark dabei, sich sozusagen zu rüsten.

Bürger: Welche Inhalte stechen Ihnen dabei ins Auge?

Honnefelder: Ich meine jetzt nicht bestimmte Inhalte, sondern wie die Inhalte angeboten werden, die Form, in der man es anbietet. Vom Roman hin bis zum Ratgeber, wie ich mein Fahrrad wieder in Ordnung bringe, kann man ja auf verschiedenen Ebenen versuchen, die Informationen mitzuteilen, und das kann man sehr unterschiedlich tun.

Bürger: Das heißt nicht, dass Bücher zur Krise jetzt besonders im Trend liegen?

Honnefelder: Nein, das meinte ich jetzt nicht, obwohl ich mir vorstellen kann, dass viele natürlich jetzt an wirtschaftlichen Themen interessiert sind.

Bürger: Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit Gottfried Honnefelder, dem Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Dessen Sitz am Großen Hirschgraben in Frankfurt am Main hat die Stadt ja noch mal ins Spiel gebracht als Lockmittel für den Suhrkamp Verlag, der nach Berlin abwandern will. Was halten Sie selbst, Herr Honnefelder, der Sie ja viele Jahre als Suhrkamp-Geschäftsführer gearbeitet haben, von diesen Umzugsplänen? Sind sie sinnvoll?

Honnefelder: Ich war 23 Jahre in Frankfurt bei Suhrkamp und kenne die Stadt von daher auch sehr gut. Ich bin der Meinung, dass die Diskussion über den Standort von solchen Verlagen wie Suhrkamp ziemlich müßig ist. Für Verlage geht es ja doch zunächst einmal darum, einen Standort zu finden, um sein Geschäft zu betreiben, und nicht – wie bei Museen oder Bibliotheken oder Konzertsälen – darum, innerhalb einer Stadt eine bestimmte Kultur zu bilden. Verlage wie Suhrkamp sind ja nicht lokal in irgendeiner Weise begrenzt oder tätig. Unter dem Strich halte ich die Diskussion für eine ziemliche Blase.

Bürger: Das Netz aus Verlagen, Agenten und Autoren verdichtet sich aber in Berlin doch schon deutlich, mehr und mehr. Gibt es möglicherweise auch in anderen Verlagshäusern Umzugsdiskussionen? Hat Suhrkamp da einen Stein ins Rollen gebracht?

Honnefelder: Mit Sicherheit nicht, denn wissen Sie, für einen Verlag ist die Tatsache, dass in derselben Stadt die Agenten sind oder was auch immer, doch eine vollkommen überflüssige Frage. Man kommuniziert sowieso nur über das Telefon und über die Mail. Was sind denn heute noch Räume und Orte? Dahinter ist ein Denken, was ich nicht nachvollziehen kann.

Bürger: Veränderungen gibt es auch, was die Lesekultur betrifft. Sony hat gestern sein neues elektronisches Lesegerät auf den Markt gebracht, den sogenannten E-Reader. Sie hatten ihn wahrscheinlich schon in der Hand, oder?

Honnefelder: Ja, das ist richtig, allerdings glaube ich, dass das E-Book eine solche Neuerung ja gar nicht ist. Technologisch haben wir, zwar nicht in einem so kleinen Gerät, aber haben wir das auf unserem PC in anderen Bereichen ja schon längst entwickelt. Wenn Sie mal auf die Forschung und die Wissenschaft gucken, da geht man vollkommen selbstverständlich damit um, dass man sich eine Information oder einen Text oder ein Buch sozusagen digital heranholt, wenn man darin lesen will. Jetzt ist das E-Book eigentlich nur die Wendung dieser Technologie auf den Publikumsbereich. Jetzt kann jeder mit einer solch kleinen Oberfläche sich die Bücher, die dazu angeboten werden, herunterladen und kann die dann eben sehr mobil, an jedem Ort er auch immer will, kann er sie dort lesen.

Bürger: Wie viele Verlage haben denn bereits das E-Book im Programm?

Honnefelder: Verlage haben das E-Book nicht im Programm, das Gerät wird von Händlern angeboten.

Bürger: Aber das Leseangebot?

Honnefelder: Die Inhalte, die Inhalte dazu, ja, das ist jetzt erst im Kommen. Ich kann Ihnen da keine Zahlen nennen. Ich denke, dieser Markt wird sich jetzt erst herausbilden, es geht ja gerade erst los. Wir freuen uns einfach sehr, dass es das jetzt gibt und dass wir damit sozusagen eine weitere Verführung zum Lesen haben.

Bürger: Sie selbst sind ja auch Verleger der Berlin University Press. Ist das E-Book gerade im Bereich der Wissenschaftsliteratur eine interessante Alternative zum gedruckten Buch?

Honnefelder: Ich glaube, weniger. Solche wissenschaftlichen Texte, die wird man an seinem Schreibtisch haben wollen, wo man damit arbeitet. Da bietet der Vorteil des E-Books wenig. Sie können keine Notizen machen an den Rand, Sie können nicht gleichzeitig zwei Bücher lesen, aufschlagen. Für den Arbeitsbetrieb ist es also nicht geeignet.

Bürger: Wofür dann?

Honnefelder: Zum Lesen!

Bürger: Sie selbst haben mal gesagt, es passt nicht ins Bett und zu Rotwein.

Honnefelder: Ich habe damit ausgedrückt, dass ich selber mir nicht das E-Book mit ins Bett nehme, aber ich kann mir gut vorstellen, dass mancher, der an die Copacabana geht, um sich dort zu sonnen, das E-Book mitnimmt und dort seinen neuesten Kriminalroman liest. Why not?

Bürger: Und vielleicht kommt es ja auch zu dem "Man leistet sich ja sonst nichts"-Effekt und das E-Book wird der Renner schlechthin.

Honnefelder: Das ist noch alles offen. Wie der Markt sich entwickelt, da bin ich sehr gespannt.

Bürger: Über das Verlagswesen im Zeichen der Krise habe ich mit Gottfried Honnefelder gesprochen, dem Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Danke Ihnen, Herr Honnefelder!

Honnefelder: Frau Bürger, ich danke Ihnen auch!
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