Honeckers Hofberichterstatter
Klaus Taubert war in der DDR ein erfolgreicher Journalist, bei der Nachrichtenagentur ADN stieg er bis zum stellvertretenden Chef auf. In seinem Buch "Generation Fußnote*" beschreibt er den alltäglichen Opportunismus, der eine journalistische Karriere ermöglichte, und den Alltag systemkonformer Redakteur.
"Generation Fußnote*", die Lebens- und DDR-Geschichte des Journalisten Klaus Taubert, hält sarkastisch Rückschau auf eine ostdeutsche Bilderbuchkarriere und ist gleichzeitig ein Symptom für akute deutsch-deutsche Mentalitätsunterschiede. Als stellvertretender Chef der Nachrichtenagentur ADN und Hofberichterstatter Honeckers agierte Taubert innerhalb des SED-Regimes äußerst stromlinienförmig.
Dass er seine Erinnerungen "Bekenntnisse eines Opportunisten" nennt, ist allerdings eher angriffslustig als reuig gemeint. Taubert rechnet zwischen bunten Alltagsberichten mit der DDR als politischem Irrweg ab, aber er wechselt – anders als etwa Jens Bisky, der Autor von "Geboren am 13. August" – nicht bedingungslos ins westdeutsche Diskurslager. "Generation Fußnote*" zeugt von lustvoller Widerborstigkeit. Ein privilegierter Mitläufer und publizistischer Mittäter dokumentiert viele Verfehlungen des Systems und besteht dennoch auf die Integrität seiner Lebensgeschichte. Für moralisierende Besserwessis ist das Buch eine freche Zumutung – und für ewige Ostalgiker kaum weniger. Darin liegt seine Stärke.
Klaus Taubert, geboren 1940 in der Nähe von Erfurt, wurde nach einer frühen FDJ-Karriere und Jobs beim Zug- und Betriebsfunk mit 22 Jahren jüngster Chefredakteur einer DDR-Kreiszeitung. Das heißt, er hat in der jungen DDR mit Verve mitgemacht und seine parteikonforme Indoktrination nicht hinterfragt. Diese Haltung behält er weitgehend auch in der Rückschau bei. "Generation Fußnote*" - der Titel rekurriert auf Stefan Heyms Behauptung, von der DDR werde nichts bleiben als "eine Fußnote der Weltgeschichte" (1990) – skizziert in disparaten Kurzkapiteln unterhaltsam und witzig (manchmal auch wurstig) einen lehrbuchmäßigen Aufstieg im Osten und verzichtet auf allzu beschwerliche politisch-moralische Reflexionen über Rechtmäßigkeit und Verantwortung oder gar Schuld und schlechtes Gewissen. Hätte es überhaupt so sein dürfen? So heißt die Frage, die Taubert nicht stellt.
Leser, die die DDR vor allem nach deren Exitus studiert, aber eben nicht selbst erlebt haben, bewegen sich innerhalb des vertrauten Faktenrahmens von der Staatsgründung über den Mauerbau bis zur finalen Grenzöffnung – und erfahren dennoch neue Einzelheiten. Denn Taubert, der seine Erinnerungen anhand von "hundert Notizheften" formuliert, war Augenzeuge vieler Ereignisse im inneren SED-Zirkel, etwa bei der Ausbootung Walter Ulbrichts durch Erich Honecker. Auffällig ist Tauberts Hochachtung vor Ulbricht, dem er bemerkenswerte Wirtschaftskompetenzen unterstellt, während er über Honecker distanziert und bisweilen abfällig berichtet.
Aber letztlich interessiert sich Taubert weniger für das große Epochen-Panorama des Kalten Kriegs als vielmehr für die Mühen der Ebene, für den Büroalltag, für die real existierenden Probleme beim Abfassen gefälliger Propaganda ("’Na, lies mal, kann das morgen so gewesen sein?’"), für echte Kungeleien und Pseudo-Heldentaten, für seinen Stammtisch, Bonzen-Allüren, sozialistisches Essen und Trinken – und meistens bevorzugt er einen sarkastisch-satirischen Ton. Deshalb liest man den Text, der Anekdoten, Pointen, rasche Urteile und Bonmots gefällig vermischt, ohne einer strikten chronologischen oder thematischen Ordnung zu folgen, so mühelos wie einen besseren Unterhaltungsroman. Und deshalb bleibt er als explizites politisches Statement eher leichtgewichtig.
Es gibt jedoch eine zweite Ebene: das Angedeutete, Suggerierte, Unausgesprochene. Taubert, der nach der Wende für Burda tätig war und zurzeit "an heiteren bis satirischen Erzählungen arbeitet", hat mit der DDR als autoritärem Politsystem gebrochen. Aber er hat in der vereinten Republik offenbar keine bekenntniswürdige politische und mentale Heimat gefunden. Die US-Bomben auf Vietnam, die Lügen der Mächtigen in der Demokratie, der damalige Schmusekurs bundesdeutscher Politiker bei ihren DDR-Besuchen, die immer noch akute Selbstherrlichkeit gewisser Wessis: Reflexartig setzt Taubert giftige Stiche gegen die Überheblichen unter den Siegern der Geschichte. Er schreibt aus einem charakteristischen Dazwischen: ein Deutscher mit ostdeutschem Migrationshintergrund. Und die "Fußnote" im Buchtitel? Klaus Taubert weiß natürlich, dass keiner, der Texte ernst nimmt, Fußnoten gering achten kann. Der Titel täuscht Unterwürfigkeit vor und drückt (gutgelaunte) Galligkeit aus.
Rezensiert von Arno Orzessek
Klaus Taubert: Generation Fußnote*
Bekenntnisse eines Opportunisten
Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2008
293 Seiten, 9,90 Euro
Dass er seine Erinnerungen "Bekenntnisse eines Opportunisten" nennt, ist allerdings eher angriffslustig als reuig gemeint. Taubert rechnet zwischen bunten Alltagsberichten mit der DDR als politischem Irrweg ab, aber er wechselt – anders als etwa Jens Bisky, der Autor von "Geboren am 13. August" – nicht bedingungslos ins westdeutsche Diskurslager. "Generation Fußnote*" zeugt von lustvoller Widerborstigkeit. Ein privilegierter Mitläufer und publizistischer Mittäter dokumentiert viele Verfehlungen des Systems und besteht dennoch auf die Integrität seiner Lebensgeschichte. Für moralisierende Besserwessis ist das Buch eine freche Zumutung – und für ewige Ostalgiker kaum weniger. Darin liegt seine Stärke.
Klaus Taubert, geboren 1940 in der Nähe von Erfurt, wurde nach einer frühen FDJ-Karriere und Jobs beim Zug- und Betriebsfunk mit 22 Jahren jüngster Chefredakteur einer DDR-Kreiszeitung. Das heißt, er hat in der jungen DDR mit Verve mitgemacht und seine parteikonforme Indoktrination nicht hinterfragt. Diese Haltung behält er weitgehend auch in der Rückschau bei. "Generation Fußnote*" - der Titel rekurriert auf Stefan Heyms Behauptung, von der DDR werde nichts bleiben als "eine Fußnote der Weltgeschichte" (1990) – skizziert in disparaten Kurzkapiteln unterhaltsam und witzig (manchmal auch wurstig) einen lehrbuchmäßigen Aufstieg im Osten und verzichtet auf allzu beschwerliche politisch-moralische Reflexionen über Rechtmäßigkeit und Verantwortung oder gar Schuld und schlechtes Gewissen. Hätte es überhaupt so sein dürfen? So heißt die Frage, die Taubert nicht stellt.
Leser, die die DDR vor allem nach deren Exitus studiert, aber eben nicht selbst erlebt haben, bewegen sich innerhalb des vertrauten Faktenrahmens von der Staatsgründung über den Mauerbau bis zur finalen Grenzöffnung – und erfahren dennoch neue Einzelheiten. Denn Taubert, der seine Erinnerungen anhand von "hundert Notizheften" formuliert, war Augenzeuge vieler Ereignisse im inneren SED-Zirkel, etwa bei der Ausbootung Walter Ulbrichts durch Erich Honecker. Auffällig ist Tauberts Hochachtung vor Ulbricht, dem er bemerkenswerte Wirtschaftskompetenzen unterstellt, während er über Honecker distanziert und bisweilen abfällig berichtet.
Aber letztlich interessiert sich Taubert weniger für das große Epochen-Panorama des Kalten Kriegs als vielmehr für die Mühen der Ebene, für den Büroalltag, für die real existierenden Probleme beim Abfassen gefälliger Propaganda ("’Na, lies mal, kann das morgen so gewesen sein?’"), für echte Kungeleien und Pseudo-Heldentaten, für seinen Stammtisch, Bonzen-Allüren, sozialistisches Essen und Trinken – und meistens bevorzugt er einen sarkastisch-satirischen Ton. Deshalb liest man den Text, der Anekdoten, Pointen, rasche Urteile und Bonmots gefällig vermischt, ohne einer strikten chronologischen oder thematischen Ordnung zu folgen, so mühelos wie einen besseren Unterhaltungsroman. Und deshalb bleibt er als explizites politisches Statement eher leichtgewichtig.
Es gibt jedoch eine zweite Ebene: das Angedeutete, Suggerierte, Unausgesprochene. Taubert, der nach der Wende für Burda tätig war und zurzeit "an heiteren bis satirischen Erzählungen arbeitet", hat mit der DDR als autoritärem Politsystem gebrochen. Aber er hat in der vereinten Republik offenbar keine bekenntniswürdige politische und mentale Heimat gefunden. Die US-Bomben auf Vietnam, die Lügen der Mächtigen in der Demokratie, der damalige Schmusekurs bundesdeutscher Politiker bei ihren DDR-Besuchen, die immer noch akute Selbstherrlichkeit gewisser Wessis: Reflexartig setzt Taubert giftige Stiche gegen die Überheblichen unter den Siegern der Geschichte. Er schreibt aus einem charakteristischen Dazwischen: ein Deutscher mit ostdeutschem Migrationshintergrund. Und die "Fußnote" im Buchtitel? Klaus Taubert weiß natürlich, dass keiner, der Texte ernst nimmt, Fußnoten gering achten kann. Der Titel täuscht Unterwürfigkeit vor und drückt (gutgelaunte) Galligkeit aus.
Rezensiert von Arno Orzessek
Klaus Taubert: Generation Fußnote*
Bekenntnisse eines Opportunisten
Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2008
293 Seiten, 9,90 Euro