Homoehe

Protest abgeklungen, Gesetz verabschiedet

Bürgermeister Christophe Girard bei einer Demonstration für die Homoehe und das Recht auf Adoption für gleichgeschlechtliche Paare in Paris.
Schwul und Vater: Bürgermeister Christophe Girard bei einer Demonstration für die Homoehe und das Recht auf Adoption für gleichgeschlechtliche Paare in Paris. © picture alliance / dpa / ©francois Lafite/Wostok Press
Von Ursula Welter · 27.12.2013
Hunderttausende gingen in Frankreich gegen die Homoehe und das Recht auf Adoption für gleichgeschlechtliche Paare auf die Straße. Das Gesetz für die "Ehe für alle" wurde trotzdem verabschiedet, und es ist stiller um die Bewegung.
Das Protestjahr 2013 endete für die Gegner der gleichgeschlechtlichen Ehe mit einer Peinlichkeit. Vor der Nationalversammlung wollte die Bewegung “Manif pour tous”, “Demonstration für alle“, noch einmal auf sich aufmerksam machen.
Aus Protest gegen die Familienpolitik im Allgemeinen fuhr sie mit Lastwagen vor, darin 450 Hühner.
"Familien lassen sich nicht rupfen" sollte das Motto der Demo sein. Aber nur wenige Hühner wollten die Wagen verlassen, und die wenigen, die auf die Straße rannten, wurden von der Staatsmacht wieder eingefangen. Bis auf vier, die unter die Räder kamen. Eine Anzeige von Tierschützern und vier Festnahmen waren die Folge. Der öffentliche Hohn kam hinzu.
Längst ist die Bewegung ausgedünnt und intern gespalten. Eine Protestveranstaltung in der Bretagne brachte noch einmal 3000 Menschen zusammen, aber ein Teil der Organisatoren hatte abgeraten hinzugehen: militante Rechte, so die Warnung, würden die Demo für sich instrumentalisieren.
Der Rechtsruck und die inzwischen klare Rechtslage haben den Schwung aus einer der größten Protestbewegungen genommen, die Frankreich seit Jahren erlebt hatte.
Trotz Protest: Nationalversammlung hat Gesetz angenommen
Seit Sommer 2012 bereits hatte sich die Gegnerschaft aufgebaut. Im Januar 2013 kam es zu den ersten Großdemonstrationen, fortan gingen Hunderttausende auf die Straßen Frankreichs, um gegen das Recht auf Ehe und Adoption für gleichgeschlechtliche Paare zu demonstrieren. In den Protestzügen: Familien, Junge, Alte, von Kirchenvertretern bis hin zu linken Bürgermeistern.
“Ich bin nicht homophob”, stellte diese junge Frau klar, “aber ich finde es nicht sinnvoll für ein Kind zwei Mütter oder zwei Väter zu haben”.
Auf der anderen Seite beobachteten Schwulen- und Lesbenverbände, dass die Klagen über gezielte Angriffe zahlreicher wurden:
“Manche Politiker werfen uns gar an den Kopf , wenn man die 'Ehe für alle' autorisiert, kann man auch die 'Ehe für Tiere' erlauben”, beschreibt ein junger Homosexueller Beleidigungen, die er in der aufgewühlten Zeit hörte.
In der Frage des Eherechts war die Gesellschaft gespalten, das Adoptionsrecht lehnte eine Mehrheit ab. Die Gesetzesmaschine lief, während die Proteste auf der Straße immer lauter wurden.
“Und was machen die", empörte sich die Sprecherin der Bewegung Frijide Barjot, "sie jagen das Gesetz durch den Senat, bald durchs Parlament, gerade so also wären nicht Millionen Franzosen gegen die Ehe für alle und das Adoptionsrecht.”
Im April nahm die französischen Nationalversammlung nach nächtlichen Debatten und zig hundert Änderungsanträgen der Opposition das Gesetz an: Mit breiter Mehrheit.
“Diese Reform steht für die Weiterentwicklung unserer Gesellschaft und ich bin sicher, sie wird stolz darauf sein, in den kommenden Tagen oder auch später, denn es ist ein Schritt hin zur Modernisierung unseres Landes.”
“Bürgermeister, schwul und Vater”
So begrüßte der Staatspräsident die Entscheidung des Parlaments. Schon im Juni wurden die ersten Ehen im Rathaus feierlich geschlossen, manche Gemeinden ließen gar die Glocken läuten, aber in anderen weigerten sich Bürgermeister, gleichgeschlechtlichen Paaren den Segen zu geben. Der Innenminister musste auf drohende Strafen hinweisen, aber erst der Verfassungsrat sprach im Herbst Klartext: Gewissensfreiheit, wie sie der Präsident zu Beginn der Auseinandersetzung selbst erwogen hatte, dürfe kein Grund sein, die Eheschließung zu verweigern, das Gesetz sei verfassungskonform.
In der Hauptstadt Frankreichs ziehen seither keine Massen mehr durch die Straßen, es wird stiller um die Bewegung, die nun gegen ein Recht auf künstliche Befruchtung für gleichgeschlechtliche Paare mobil machen will.
In Paris wurden inzwischen mehr als 500 homosexuelle Paare getraut, viele davon im Quartier von Christophe Girard, “Bürgermeister, schwul und Vater” – wie er vor Jahren in einem Buch bekannt hatte.
Was, so wurde Girard nach sieben Monaten heftigster Auseinandersetzung gefragt, was, wenn er sich geirrt haben sollte, was, wenn Frankreichs Gesellschaft noch nicht reif ist, für die sogenannte Homoehe?
Und Girard antwortete: Wenn es um Freiheit und Gleichheit gehe, irre man sich nie.
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