Homeoffice im Hotel

"Hier schaffe ich in drei Stunden mehr als in zehn Stunden zuhause"

06:16 Minuten
Moncef Mahmoudi, Direktor des Best Western Hotels Mülheim, zeigt ein Hotelzimmer für die Menschen, denen die Decke bei der Home-Office-Arbeit zuhause auf den Kopf fällt. Weil wegen der Corona-Pandemie Übernachtungsgäste ausbleiben, bieten mehrere Hotels inzwischen tagsüber Arbeitszimmer an.
Viele Hotels bieten jetzt Zimmer für Tagesgäste an, die dorthin ihr Homeoffice verlegen. © picture alliance / Roland Weihrauch / dpa
Von Manfred Götzke · 06.05.2020
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Arbeiten im Homeoffice hat viele Tücken. Manchen fällt zuhause die Decke auf den Kopf. Andere können sich nicht konzentrieren, weil der Rest der Familie stört. Doch es gibt inzwischen vielerorts eine Alternative: Ab ins Hotel!
Millionen Berufstätige in Deutschland arbeiten seit ein paar Wochen zuhause. Und das bedeutet für viele: Konzentration zwischen Küchenkrempel und Kinderlärm. Während es manche lieben, nicht täglich pendeln zu müssen, fällt anderen die Decke auf den Kopf. Nicht jeder kann konzentriert arbeiten und dabei noch die Kinder bespaßen.
Für so manchen Arbeitnehmer im Homeoffice gibt es jetzt eine Alternative: Einfach im Hotel einchecken: Hotels in Berlin und auch anderswo in Deutschland bieten ihre Zimmer zum Arbeiten jenseits des Firmenbüros an.

Zuhause nichts hinbekommen

Zwei Laptops, ein Notizbuch, eine kleine Flasche Wasser. Das sind die einzigen persönlichen Dinge, die Sandra Broschat mit ins Hotel genommen hat. Denn über Nacht bleibt sie nicht im Hotel "Die Schule" im Prenzlauer Berg in Berlin. Darf sie coronabedingt auch gar nicht.
Broschat sitzt nur tagsüber hier am Hotelschreibtisch. Im Homeoffice der anderen Art. Nach sieben Wochen Homeoffice mit Kindern hat sie zuhause so gut wie gar nichts mehr hinbekommen, erzählt die 33-jährige Projektmanagerin.

Alltag vieler Berufstätiger

"Wir haben zwei Kinder, eins und sechs, und mein Mann und ich sind beide im Homeoffice. Und haben relativ schnell festgestellt, dass es einfach nicht machbar ist, mit beiden Kindern zu hause auch noch wirklich qualitativ hochwertig zu arbeiten. Und dadurch haben wir relativ schnell nach Lösungen gesucht, wie wir uns besser aufteilen können in Schichten, aber auch räumlich besser entzerren können."
Broschat ist es gewohnt, im Homeoffice zu arbeiten, sie macht das normalerweise immer so – nur sind ihre beiden Kinder sonst halt in der Kita. Seit Mitte März erlebt sie den Alltag von Millionen anderen berufstätigen Eltern in Deutschland: zuhause arbeiten und währenddessen Kinder bespaßen. Weil das nicht wirklich geklappt hat, teilen sie und ihr Mann die Betreuung jetzt ein wenig anders auf.

Es ist auch eine Unterstützung der Hotels

"Was ich wirklich gut an der Idee finde, dass man wirklich weg ist von zuhause, die Kinder einen auch wirklich hier sehen, dass man konzentriert hier arbeiten kann, absolute Ruhe hat und gleichzeitig ein Hotel in der Umgebung unterstützen kann – die haben ja absolute Einbußen zurzeit."
Im Foyer des mittelgroßen Berliner Hotels ist an diesem Nachmittag nichts los, die Fahrstühle stehen still, der Pool ist leer. Nur ein einsamer Mitarbeiter steht hinter der plexiglasgeschützten Rezeption. Denn eigentlich haben die Hotels in Deutschland für Touristen und die üblichen Geschäftsgäste nach wie vor zu. Die Home-Office-Gäste sind die einzige kleine Ausnahme, erzählt Managerin Verena Jaeschke:
"Jede Buchung hilft uns. Jeder Umsatz, den man in Berlin gerade als Gastgeber machen kann, ist eine unheimliche Erleichterung. Aber natürlich kommt man damit nicht annähernd an die normalen Umsätze ran."

Nicht nur Freelancer arbeiten im Hotel

Die Coronakrise ist für ihr Haus, wie für alle anderen Hotels, eine Katastrophe. Seit Wochen hat sie keinen einzigen Euro Umsatz gemacht. Nun könnten die Homeoffice-Gäste die Verluste ein klein wenig kompensieren, erzählt sie.
"Wir haben Freelancer, Angestellte, wir haben Leute, die sagen ich sitze zuhause mit den Kindern, das ist mir zu laut. Und die anderen, die zuhause ihre Ruhe haben, aber sagen, mir fällt da die Decke auf den Kopf, ich möchte einfach raus."

Die Nachfrage steigt

Auch Firmen hätten inzwischen angefragt, die ihren Mitarbeitern eine Alternative zum Großraumbüro anbieten wollen. Bislang waren erst ein paar Gäste da, erzählt die 36-Jährige. Doch die Anfragen und Buchungen nehmen zu.
"Wir sind selber positiv überrascht, wie sich doch die Nachfrage über die Tage entwickelt, es scheint Bedarf da zu sein, mir persönlich geht’s natürlich auch so wie vielen, denen zuhause im Homeoffice die Decke auf den Kopf fällt. Und deshalb haben wir ganz viele Leute, die sich melden und bei uns arbeiten wollen."

Große Resonanz für die Buchungsplattform

Seit etwa zwei Wochen bieten Hotels ihre Zimmer als Homeoffice Alternative an. Erfunden hat das Angebot und die entsprechende Website "Homeoffice im Hotel" Stefanie Poplutz. Die Webdesignerin kümmert sich in normalen Zeiten um die Internetauftritte von Hotels und Restaurants.
"Wir sind eine Internetagentur und haben sehr viele Hotels als Kunden. Da wir um deren Schwierigkeiten wussten, wollten wir einfach, um die Hotels ein bisschen zu unterstützen, dieses Portal anbieten. Dann haben wir das programmiert und unseren Kunden angeboten, kostenlos. Und als die Resonanz so groß war, haben wir das geöffnet für alle Hotels in Deutschland."

Über 20.000 Zugriffe pro Tag

Inzwischen haben mehr als 500 Hotels aus ganz Deutschland ihre Homeoffice-Angebote auf der Seite. Von der Low-budget-Kette bis zum 5-Sterne-Haus. Täglich gebe es mehr als 20.000 Zugriffe auf der Seite. Besonders gut laufen natürlich die Häuser in Großstädten, erzählt Poplutz.
"Mit zunehmendem Bekanntheitsgrad entdecken die Homeoffice-Gäste, dass auch ein Hotel am See was für sich hat, da müssen sie vielleicht ´ne halbe Stunde fahren, aber sonst hat man ja auch ´ne halbe Stunde im Stau gestanden. Und so kommen jetzt auch die ländlichen Regionen in den Genuss von Gästen."

Im Hotel arbeiten ist nicht billig

Im Hotel "Die Schule" in Berlin kostet der Büro-Tag 55 Euro. Nicht ganz billig und doch weit weniger als für eine reguläre Übernachtung, sagt Managerin Jaeschke. Dabei laufen ihre Kosten fast weiter wie in normalen Zeiten.
"Wir haben jetzt auch normalen Reinigungsaufwand, weil wir andauernd alle Klinken desinfizieren und halt solche Sachen, das müssen wir schon einkalkulieren, aber natürlich können wir nicht so viel berechnen wie für eine normale Übernachtung."

In drei Stunden mehr Arbeit schaffen als in zehn

Es ist inzwischen kurz vor fünf. Die Projektmanagerin Sandra Broschat klappt ihren Laptop zu, schlüpft in ihre Sommerjacke. Feierabend, nach sechs produktiven Stunden im Hotel.
"Also tatsächlich schaffe ich hier in drei Stunden mehr als in zehn Stunden zuhause. Weil ich hier einfach konzentriert arbeiten kann."
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